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Sonntag, 26. August 2012, 22:30 MESZ
Rekordhitze, Gewitter West-, Mitteleuropa 18.-21.08.2012 Satellitenbild: 19.08.2012, 12:00 UTC, Meteosat-9 VIS/IR. Über der Iberischen Halbinsel und dem westlichen Mittelmeer ist mit der südwestlichen Höhenströmung verfrachteter Saharastaub als dunkelgelber Schleier zu erkennen. Quelle: F. Valk |
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Zum Ende des meteorologischen Sommers erlebten West- und Mitteleuropa im August 2012 die heißesten Tage des Jahres und seit Jahren. Vielfach wurden Höchsttemperaturen über +35 °C gemessen, mit fast +40 °C verfehlte Dresden einen neuen deutschen Hitzerekord nur knapp. Ungewohnt hohe Temperaturen traten auch auf den Gipfeln der Mittelgebirge und der Alpen auf. Teilweise unwetterartige Gewitter beendeten die kurze, aber markante Hitzewelle.
Wetterlage und Entwicklung Nach einem bis dahin äußerst durchwachsenen Sommer ohne ausgeprägte Hitzewellen und längere stabile Schönwetterphasen schien sich das grobe Muster auch Mitte August fortzusetzen. So beendete am 16. die Okklusion eines kräftigen Tiefdruckgebietes ("Xenja") bei den Britischen Inseln einen kurzen Vorstoß subtropischer Warmluft abrupt. Anders als in den Wochen zuvor verweilten jedoch das Tief und der übergeordnete, umfangreiche Höhentrog über dem östlichen Nordatlantik und West- und Mitteleuropa somit auf dessen Vorderseite in einer südwestlichen Strömung. Nachdem sich das durch die vorübergehende Kaltluftadvektion entstandene Bodenhoch ("Achim") mit seinem Schwerpunkt zum östlichen Mitteleuropa verschoben hatte, wurde zum 17. der Weg frei für seit längerer Zeit über Nordafrika und Südwesteuropa bereitstehende Heißluft, die etwa eine Woche zuvor bereits in Spanien für neue Hitzerekorde gesorgt hatte (siehe Artikel). Am Morgen des 18. erreichte die +20-°C-Isotherme in 850 hPa den Südwesten Deutschlands und 36 Stunden gar den Süden Dänemarks. Etwa zur gleichen Zeit, am Abend des 19., konnten in diesem Druckniveau über dem Oberrhein rekordverdächtige Werte über +26 °C analysiert werden.
Rückwärtstrajektorien beispielsweise für Karlsruhe für diesen Zieltermin zeigen jedoch, dass es sich nur in höheren Schichten tatsächlich um heiße Subtropikluft gehandelt hat, in tieferen Niveaus jedoch ursprünglich atlantische Luftmassen einbezogen wurden. Dies erklärt den Aufbau einer Inversion, die exemplarisch in der Radiosondierung von Idar-Oberstein vom 19., 12 UTC zwischen 850 hPa und 900 hPa sichtbar ist und die durch die Mitte August bereits reduzierte Sonneneinstrahlung im Tagesverlauf nicht mehr vollständig abgebaut werden konnte. Eine infolge kräftiger Regenfälle wenige Tage zuvor angefeuchtete Grundschicht sowie zusätzlich mit der Heißluftmasse advehierte Staubpartikel in größeren Höhen der Troposphäre und damit eine verminderte Einstrahlung verhinderten an diesem Tag in Kombination mit den genannten Faktoren Höchsttemperaturen jenseits der +40-°C-Marke, die aufgrund des Potenzials der Luftmasse durchaus denkbar gewesen wären. Jeweils +38,9 °C machten Bad Kreuznach in Rheinland-Pfalz und Saarbrücken-Burbach im Saarland zu Spitzenreitern im Messnetz des Deutschen Wetterdienstes (DWD), eine bekannte private Wetterfirma konnte im ebenfalls rheinland-pfälzischen Göllheim sogar +39,2 °C messen. Verbreitet wurden Höchstwerte um +35 °C registriert, mit ablandigem Südwind auch unmittelbar an den Küsten (z. B. Putbus/Rügen +34,0 °C). An 21 von 118 Stationen deutschlandweit wurden neue Rekorde für die zweite Augustdekade verzeichnet, die meisten davon im Norden. Im Süden reichten die Maxima dagegen oftmals nicht ganz an die vor allem im August des Hitzesommers 2003 beobachteten Werte heran.
Eine Besonderheit hatte der Feldberg im Schwarzwald zu bieten, wo ein neuer Dekaden- und gleichzeitig Monatsrekord für den gesamten August erst nach Sonnenuntergang am späten Abend erzielt wurde. Als Höchstwert stand am Tagesende schließlich +26,4 °C zu Buche, 1,0 K unter dem Stationsrekord vom 31. Juli 1983. Nach einem Minimum von +24,2 °C und einem Maximum von +36,1 °C wartete die Station Aachen-Orsbach mit einem Tagesmittelwert von +29,6 °C auf, was einen Rekord in der 121-jährigen Stationsgeschichte bedeutete. Ähnlich hohe Tagesmittelwerte erlebte die Stadt zuvor am 19. Juli 2006 sowie am 12. August 2003 mit jeweils +29,0 °C.
Am 20. verlagerte sich der Hitzeschwerpunkt in den Osten Deutschlands; in den Nordwesten war rückseitig einer Kaltfront bereits etwas kühlere Luft eingeströmt. Vom Norden Bayerns über Thüringen und Sachsen bis nach Brandenburg wurden großflächig Höchsttemperaturen zwischen +36 °C und +38 °C, örtlich +39 °C und in Dresden - gerundet - +40 °C erreicht. Dies galt dort gleich für zwei Stationen, Hosterwitz (+39,8 °C) und Strehlen (+39,7 °C). Für beide Stationen waren diese Werte gleichbedeutend mit neuen Rekorden, die bisherigen Bestmarken vom 1. August 1994 in Hosterwitz (+38,2 °C) beziehungsweise vom 16. August 1974 in Strehlen (+37,9 °C) wurden deutlich überboten. Zu den Rekorden vom Vortag gesellten sich 13 neue Dekadenrekorde, die teilweise jedoch an den selben Stationen aufgestellt wurden. An fünf Orten (Brocken, Leipzig, Dresden, Chemnitz und Zinnwald) fielen Stationsrekorde. Auf dem 1.215 Meter hohen Fichtelberg im Erzgebirge wurde mit +30,6 °C ein solcher nur um zwei Zehntel Kelvin verfehlt; es war dort nach dem 27. Juli 1983 und dem 7. Juli 1957 (ebenfalls +30,6 °C) erst der dritte Tag in der Stationshistorie seit 1947 mit einem Höchstwert von beziehungsweise über +30 °C.
Nicht nur die beiden Tage 19. und 20. stachen mit extremen Temperaturen hervor, auch für die Nacht vom 19. zum 20. lohnt ein genauerer Blick. Zahlreiche Stationen meldeten eine Tropennacht mit einem Tiefstwert nicht unter +20,0 °C, deutlich kühler wurde es lediglich in Bayern. Rund um die Mittelgebirge gab es einzelne Stationen, an denen die Temperatur nicht unter +25 °C zurückging. Dies war zum Beispiel in Bad Harzburg am Nordrand des Harzes der Fall, wo zusätzlich Lee-Effekte das Quecksilber die gesamte Nacht hindurch bei mindestens +26,6 °C gehalten haben. Zieht man klimatologische Zeitreihen zu Rate, bei denen auch der Abend desselben Tages beziehungsweise die erste Hälfte der darauffolgenden Nacht in die Statistik mit einfließt - betrachtet wird das 24-stündige Minimum - würde dieser Tiefstwert einen neuen Rekord für deutsche Stationen darstellen. In einem 12-stündigen Zeitraum, also nur die einzelne Nacht für sich genommen, konnte auf dem Weinbiet im Pfälzer Wald in der Nacht zum 13. August 2003 mit +27,6 °C ein noch höheres Minimum erfasst werden. Eine ähnliche Situation ergab sich auf der Zugspitze, wo die gemessene 12-stündige Tiefsttemperatur von +11,5 °C für einen neuen Stationsrekord gut gewesen wäre. Da jedoch nur 24-stündige Werte miteinander verglichen werden können, ordnet sich der klimatologische Tiefstwert von +10,7 °C hinter dem 27. Juli 1983 auf dem zweiten Platz der Liste mit den höchsten Tiefsttemperaturen ein. Damals wurden +11,2 °C notiert.
Rekordtemperaturen traten nicht nur in Deutschland, sondern unter anderem auch in Frankreich, der Schweiz und in Tschechien auf. Aus Zentralfrankreich meldete Montgivray am 18. einen Spitzenwert von +42,3 °C, nur drei Zehntel Kelvin vom absoluten französischen Rekordwert von +42,6 °C entfernt. Dieser wurde am 12. August 2003 in Orange aufgestellt. Bemerkenswert war auch dort die extrem warme Luft in der Höhe, die Rekorde vor allem in höheren Lagen möglich werden ließ. Im bekannten Skiort Val-d'Isère in den Savoyer Alpen konnten am 19. in 1.850 Metern Höhe +28,3 °C gemessen werden, auf der Aiguille du Midi im Mont-Blanc-Massiv in 3.845 Meter Höhe +13,4 °C. In der Nacht zuvor war die Temperatur dort nicht unter +4,7 °C zurückgegangen - ebenfalls ein Rekord für diese Station. Die bemerkenswerteste Temperaturmeldung aus der Schweiz lieferte das 3.580 Meter hohe Jungfraujoch, wo am 19. ein Höchstwert von +12,8 °C verzeichnet und damit der alte Stationsrekord vom 21. Juni 1998 um 0,6 K übertroffen wurde. Die Messreihe reicht in homogenisierter und damit vergleichbarer Form bis ins Jahr 1959 zurück, Daten werden jedoch schon seit 1933 erhoben. Neue Augustrekorde stellten unter anderem auch Ulrichen in 1.347 Metern Höhe und Montana in 1.424 Metern Höhe, beide im Kanton Wallis gelegen, mit +31,9 °C beziehungsweise +30,4 °C auf.
Dobřichovice, eine kleine Vorstadt von Prag, darf sich seit dem 20. die heißeste Stadt Tschechiens nennen. Dort wurde eine Höchsttemperatur von +40,4 °C gemessen, der alte Spitzenwert von +40,2 °C vom 27. Juli 1983 in Prag-Uhříněves somit knapp überboten. Im Laufe der 34. Kalenderwoche wurde die sehr warme Luft nur zögernd nach Südosten abgedrängt. Im Bereich einer sich ausbildenden Luftmassengrenze, die sich diagonal über die Mitte Deutschlands hinweg erstreckte und an der mehrere flache Wellen nordostwärts abliefen, entwickelten sich zum Teil unwetterartige Gewitter. In der Nacht zum 21. fielen in der Spur eines über den Süden Bayerns ziehenden mesoskaligen konvektiven Systems (MCS) in Elsendorf-Horneck zwischen 2 und 3 Uhr MESZ 51 mm Niederschlag, am Kloster Schäftlarn binnen zwei Stunden 58 mm. Dazu traten schwere Sturmböen auf (z. B. Landsberg 97 km/h, München/Flgh. 91 km/h). Bereits am Vorabend waren Gewitter ähnlicher Intensität über dem Süden Sachsens niedergegangen.
Text: CE
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