Nachdem nur eine Woche zuvor bereits kräftige Gewitter und starke Regenfälle über weite Teile West- und Mitteleuropas
hinweggezogen waren (siehe Artikel), stellte sich gegen Mitte September eine für
die Jahreszeit erneut markante Unwetterlage ein. Orkanartige Böen und mindestens ein bestätigter Tornado sowie Hagel mit
Korngrößen bis 8 cm im Durchmesser richteten vor allem in der Mitte und im Osten Deutschlands Schäden in Millionenhöhe an.
Wetterlage und Entwicklung
Die großräumige Wettersituation entsprach dem "Prototyp" einer sommerlichen Unwetterlage, wie sie des Öfteren auch
schon im Sommer 2011 aufgetreten ist: Zwischen einem nach Osten wandernden bzw. über Südosteuropa liegenden Hoch - in diesem
Fall "Oldenburgia" - und einem nordwesteuropäischen Tief - hier "Frank" - gelangt von Südwesten sehr warme
und feuchte Luft nach West- und Mitteleuropa, ehe im Vor- und Umfeld der ostwärts passierenden Kaltfront des Tiefs kräftige
Gewitter die in diesem Sommer meist kurze hochsommerliche Witterungsphase beenden.
Bodendruckanalysen vom 10. bis 12.09.2011 | Quelle: FU Berlin / DWD |
 |
 |
 |
10.09.2011, 00 UTC |
11.09.2011, 00 UTC |
12.09.2011, 00 UTC |
500-hPa-Geopotential und Bodendruck vom 10. bis 12.09.2011 | Quelle: Wetterzentrale |
 |
 |
 |
10.09.2011, 00 UTC |
11.09.2011, 00 UTC |
12.09.2011, 00 UTC |
Mit einer ausgeprägten südwestlichen Strömung in der Peripherie des umfangreichen Tiefs "Frank" wurde zum 10.
September für die Jahreszeit ungewöhnlich warme Luft auch nach Deutschland geführt. In 850 hPa, etwa 1.500 Meter Höhe, konnte
über dem Süden des Landes am 11. um 0 UTC eine +20-°C-Isotherme analysiert werden (s. Karte). Solche Werte sind in diesem
Höhenniveau über Mitteleuropa auch im Hochsommer im oberen Bereich anzusiedeln. Entsprechend stiegen die Temperaturen bei viel
Sonnenschein auch am Boden verbreitet auf sommerliche, im Südwesten auf hochsommerliche Werte über +30 °C (z. B.
Rheinfelden/BW +33,0 °C). Doch die Luft war nicht nur warm, sondern gleichzeitig auch sehr feucht, wie Taupunkte nahe
+20 °C zeigen. In der teils wolkigen, teils klaren Nacht zum 11. wurde rund um den Harz sogar noch mal eine Tropennacht
mit Tiefstwerten nicht unter +20,0 °C beobachtet. Am mildesten blieb es dabei im niedersächsischen Seesen mit +21,4 °C
als Minimum.
850-hPa-Geopotential und -Temperatur vom 10./11.09.2011 | Quelle: wetter3.de |
 |
 |
 |
 |
10.09.2011, 00 UTC |
10.09.2011, 12 UTC |
11.09.2011, 00 UTC |
11.09.2011, 12 UTC |
Während sich "Frank" kaum noch verlagerte und in "ex-Katia" - einem ehemaligen Hurrikan - aufging, näherte
sich seine Kaltfront samt einer vorlaufenden Konvergenzlinie in der Nacht zum 11. Deutschland von Westen her. Ein an der
Ostflanke des korrespondierenden Höhentroges nordwärts ablaufender kurzwelliger Randtrog lieferte einen übergeordneten
großräumigen Hebungsantrieb, der über Belgien und den Niederlanden erste kräftige Gewitter entstehen ließ. Diese griffen in
der Nacht auf Niedersachsen und Schleswig-Holstein über.
Niederschlagsradarbilder vom 11.09.2011 | Quelle: DWD |
 |
 |
 |
 |
11.09.2011, 12:00 MESZ |
11.09.2011, 15:00 MESZ |
11.09.2011, 18:00 MESZ |
11.09.2011, 21:00 MESZ |
Blitzkarten vom 11.09.2011 | Quelle: BLIDS |
 |
 |
 |
 |
11.09.2011, 10-12 MESZ |
11.09.2011, 13-15 MESZ |
11.09.2011, 16-18 MESZ |
11.09.2011, 19-21 MESZ |
 |
Extreme Wetterereignisse in Mitteleuropa am 11.09.2011.
Quelle: European Severe Weather Database (www.eswd.eu). Nutzung gemäß
Sondergenehmigung des ESSL. |
Die eigentlichen Unwetter entwickelten sich jedoch erst ab dem Mittag des 11. an der dann zügig ostwärts vorankommenden
Kaltfront. Über 1.000 J/kg konvektive verfügbare potenzielle Energie (CAPE) und eine große vertikale Windscherung sowohl in
Bezug auf Richtung als auch Geschwindigkeit schufen optimale Voraussetzungen für die Formierung kräftiger Gewitter- und
einzelner Superzellen (Gewitterzellen mit rotierendem Aufwindbereich). Dabei fiel kräftiger Regen (z. B. Köthen/SA 36 mm in
1 Stunde) und in einem Streifen vom südlichen Rheinland-Pfalz über die Mitte Deutschlands bis nach Südbrandenburg auch
verbreitet Hagel. Aus mehreren Orten liegen Meldungen über Hagelkörner mit Größen über 5 cm im Durchmesser vor, in Peißen bei
Bernburg in Sachsen-Anhalt sollen sogar 8 cm große - das entspricht doppelter Tischtennisballgröße - Hagelbrocken beobachtet
worden sein. Dort wurden zahlreiche Häuser, Autos und Fassaden schwer beschädigt oder komplett zerstört. Durch einen infolge
starken Regens ausgelösten Geröllabgang war bereits am Mittag nahe St. Goar im Rheintal ein Zug entgleist. Die Lokomotive und
vier Waggons sprangen aus den Gleisen. Dabei wurden der Lokführer schwer und zehn Fahrgäste leicht verletzt. In vielen
Landesteilen musste die Feuerwehr unter Wasser stehende Keller leer pumpen. Die Autobahn 14 war zwischen Könnern und
Bernburg von Wasser- und Schlammmassen überschwemmt worden, mehrere Autos wurden eingeschlossen und standen teilweise bis zu
den Dächern in dem braunen Gemisch. Die Feuerwehr befreite fünf Personen mit dem Schlauchboot.
Satellitenbilder (VIS/IR) | Quelle: Geog. Inst., Uni Bern |
 |
 |
 |
11.09.2011, 12:58 UTC, NOAA-19 |
11.09.2011, 14:49 UTC, NOAA-15 |
11.09.2011, 16:28 UTC, NOAA-15 |
 |
Tornado bei Elsnigk.
Quelle: YouTube |
Neben Regen und Hagel waren Böen bis hin zu Windstärke 11 ein Thema. Solche wurden mit 114 km/h in Eschwege im Nordosten
Hessens und mit 104 km/h in Würzburg (Bayern) gemessen. Aus Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen-Anhalt lagen mehrere
Tornadoverdachtsfälle vor, ein bestätigter Tornado (s. Bild) wütete in Elsnigk in Sachsen-Anhalt. Ebenfalls in Bernburg in
Sachsen-Anhalt wurde eine 51-jährige Frau von einem Dachziegel tödlich getroffen. In Sachsen-Anhalt und in Brandenburg waren
vorübergehend mehrere tausend Menschen ohne Strom. Der durch diese für die fortgeschrittene Jahreszeit doch ungewöhnlich
markanten Unwetterlage entstandene Gesamtschaden ging in die Millionen.
Wetterwerte
Niederschlag
Nachstehend links die größten gemessenen 24-stündigen Niederschlagsmengen vom 11., 6 UTC bis zum 12.09.2011, 6 UTC in
Deutschland im Messnetz des Deutschen Wetterdienstes in tabellarischer Form. Rechts eine Übersichtsgrafik der Messwerte.
Quelle: DWD
Ort |
11./12. |
Wittenberg (SA) Gilserberg-Moischeid (HE) Neukirchen-Hauptschwenda (HE)
Veilsdorf (TH) Cölbe (HE) Rheinstetten (BW) |
47 mm 44 mm 43 mm 43 mm 41 mm 9 mm |
|
|
Wind
Nachstehend links gemessene Spitzenböen vom 11.09.2011 bis 18 UTC in tabellarischer Form, rechts eine Übersichtsgrafik der
Messwerte. Kleinere Unstimmigkeiten rühren von Rundungsfehler während der Umrechnung her.
Quelle: DWD
Ort |
11. |
Eschwege-Eltmannshausen (HE) Würzburg (BY) Weinbiet/Pf. Wald (RP)
Gießen/Wettenberg (HE) Alsfeld (HE) Rheinstetten (BW) |
114 km/h 104 km/h 86 km/h 86 km/h 83 km/h 65 km/h |
|
|
Text: CE
|
In Zusammenarbeit mit:
|
|
|
|