Ein Einschub sommerlich warmer Subtropikluft sorgte Anfang September 2011 in Mitteleuropa nicht nur für ungewöhnlich hohe
Temperaturen, sondern ging in erster Linie auch mit teilweise unwetterartigen Gewittern und später mit intensiven Regenfällen
einher. In Württemberg richtete Hagel große Schäden an, im Süden Bayerns und in Sachsen-Anhalt kam es zu Überschwemmungen.
Wetterlage und Entwicklung
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Rückwärtstrajektorien München, Endzeitpunkt 02.09.2011, 18 UTC
Quelle: wetter3.de |
Die feuchtwarme, subtropische Luftmasse gelangte am 2. September auf der Rückseite eines schwerpunktmäßig über Osteuropa
liegenden Hochs ("Nina") nach Frankreich und Deutschland. Die Rückwärtstrajektorien (s. Abbildung) beispielsweise
für München zeigen, dass die Luft vor allem in den unteren Schichten der Troposphäre lange Zeit über das warme Wasser des
westlichen Mittelmeers gestrichen ist und sich dort mit Feuchtigkeit anreichern konnte. Rückwärtstrajektorien stellen den Weg
dar, den ein Luftteilchen zurückgelegt hat, bis es zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort angekommen ist. Durch
eine zuvor über dem Süden Deutschland verweilende Luftmassengrenze war in den dortigen Regionen ohnehin noch reichlich
Feuchtigkeit vorhanden. Ein in die westliche Höhenströmung eingelagerter und rasch ostwärts schwenkender Kurzwellentrog
stellte großräumige Hebungsantriebe bereit, hierzu trugen auch bodennahe Konvergenzen bei. Zwar war die Labilität nicht
sonderlich ausgeprägt - die Werte der konvektiven verfügbaren potentiellen Energie, kurz CAPE, betrugen über dem Süden
Deutschlands lediglich um 500 J/kg - aber im Zusammenspiel mit der gegebenen Feuchtigkeit und den Hebungsprozessen
offensichtlich hinreichend, um teilweise unwetterartige Gewitter über dem süddeutschen Raum auszulösen.
Bodendruckanalysen vom 02. bis 05.09.2011 | Quelle: FU Berlin / DWD |
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02.09.2011, 00 UTC |
03.09.2011, 00 UTC |
04.09.2011, 00 UTC |
05.09.2011, 00 UTC |
850-hPa-Geopotential und -Temperatur vom 02. bis 05.09.2011 | Quelle: Wetterzentrale |
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02.09.2011, 00 UTC |
03.09.2011, 00 UTC |
04.09.2011, 00 UTC |
05.09.2011, 00 UTC |
Im oberfränkischen Amberg-Unterammersricht (Bayern) fielen zwischen 16 und 17 Uhr MESZ am Nachmittag 62 mm Regen,
entsprechende Überflutungen waren die Folge. Über den Raum Reutlingen und Tübingen zog eine Superzelle (Gewitter mit
rotierendem Aufwindbereich) hinweg, die dort Hagelkörner mit Größen bis 5 cm im Durchmesser hervorbrachte und schwere Schäden
an Gebäuden, Fahrzeugen und in der Landwirtschaft anrichtete. Dicke Hagelschichten bedeckten auch Stunden nach dem Unwetter
noch ganze Landstriche.
Niederschlagsradarbilder vom 02.09.2011 | Quelle: DWD
Etwa in der Bildmitte lässt sich die Tübinger/Reutlinger Hagelzelle erkennen. |
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02.09.2011, 17:00 MESZ |
02.09.2011, 17:30 MESZ |
02.09.2011, 18:00 MESZ |
02.09.2011, 18:30 MESZ |
Einen Tag später erfasste die Warmluft ganz Deutschland. Im Bereich eines sich über Mitteleuropa aufwölbenden Hochdruckrückens
überwog nun großräumiges Absinken, sodass sich zunächst keine Schauer oder Gewitter entwickeln konnten. In weiten Landesteilen
wurden sommerliche Temperaturen von mehr als +25 °C gemessen, im Südwesten sogar Spitzenwerte über +30 °C (z. B.
Rheinfelden/BW +32,2 °C). Erst eingangs der Nacht zum 4. kamen mit einem auf der Vorderseite eines Höhentiefs über den
Balearen nordwärts ablaufenden Kurzwellentrog neue Gewitter im südlichen und westlichen Baden-Württemberg auf. In Haslach im
Kinzigtal fielen dabei binnen einer Stunde 26 mm Regen.
Auch am 4. wurde es zunächst nochmals sehr warm, zunehmend aber auch drückend schwül. Auf dem Großen Arber im Bayerischen
Wald konnte ein neuer Rekord der Höchsttemperatur für die erste Septemberdekade verzeichnet werden. Mit einem Maximum von
+21,9 °C wurde der alte Dekadenrekord aus dem Jahre 1983 um 4 Zehntel Kelvin überboten. Im Tagesverlauf setzte sich das
Höhentief über den Balearen nordostwärts in Bewegung und zog nach Norditalien. Die auf seiner Vorderseite induzierten
Hebungsprozesse griffen auch auf den Süden Deutschlands über und zeichneten hier, zusammen mit einer bodennahen
Konvergenzlinie, für die Auslösung kräftiger Gewitter verantwortlich. Diese traten nur in der Mitte und im Norden zunächst
als isolierte Einzelzellen in Erscheinung, formierten sich aber auch dort rasch zu einem mit Gewittern durchsetzten
Regengebiet. Im Süden waren die erneut teilweise unwetterartigen Gewitter dem breiten und zur Kaltfront des ehemaligen
Hurrikans "Irene" gehörenden Regenband vorgelagert. Eine dokumentierte Superzelle traf den Raum Memmingen, wo an
diesem Nachmittag Hagelkörner mit Größen bis 5 cm im Durchmesser beobachtet wurden. In Leutkirch-Herlazhofen im Allgäu, an
der Grenze zwischen Baden-Württemberg und Bayern gelegen, summierten sich zwischen 17 und 18 Uhr MESZ 59 mm Niederschlag.
Vier Stunden später konnte im schwäbischen Tagmersheim-Döckingen (Bayern) eine ähnlich große Menge registriert werden (58 mm).
Einzelne weitere Stationen in Bayern und Sachsen-Anhalt meldeten später noch Stundenwerte über 30 mm.
Niederschlagsradarbilder vom 04.09.2011 | Quelle: DWD |
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04.09.2011, 16:00 MESZ |
04.09.2011, 18:00 MESZ |
04.09.2011, 20:00 MESZ |
04.09.2011, 22:00 MESZ |
Blitzkarten vom 04.09.2011 | Quelle: DWD |
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04.09.2011, 14-16 MESZ |
04.09.2011, 16-18 MESZ |
04.09.2011, 18-20 MESZ |
04.09.2011, 20-22 MESZ |
Im Umfeld der Kaltfront, deren Passage von West nach Ost über Deutschland hinweg erst am Abend des 5. abgeschlossen war,
regnete es vor allem im Süden Bayerns ergiebig. In Leutkirch-Herlazhofen fielen, das Gewitter vom Vortag mit einberechnet,
insgesamt 106 mm Niederschlag; das entspricht fast der kompletten im September üblichen Menge (108 mm).
Niederschlagskarten | Quellen: HND Bayern (2) / DWD |
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Interpolierte Nds.-menge Bayern 04.09.2011, 8 MESZ bis
05.09.2011, 8 MESZ |
Interpolierter Nds. SW-BY, 04.09.2011, 10 MESZ bis
05.09.2011, 10 MESZ |
24-stg. Nds. Dtl., 04., 8 MESZ bis 05.09.2011, 8 MESZ |
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Ort |
04./05. |
Leutkirch-Herlazhofen (BY) Ottobeuren (BY) Diedorf/Schwaben-Biburg (BY)
Tagmersheim-Blossenau (BY) Thalmässing (BY) Wangen/Allgäu (BY) Sigmarszell-Zeisertsweiler (BY)
Kempten (BY) Rheinstetten (BW) |
94 mm 83 mm 76 mm 75 mm 70 mm
69 mm 64 mm 61 mm 9 mm |
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Pegel Lauben
Quelle: HND Bayern |
Pegel Nattenhausen
Quelle: HND Bayern |
Die enormen Niederschlagsmengen lösten teilweise Überschwemmungen aus. An der Günz, einem Donauzufluss, wurde an zwei Pegeln
die erste Hochwassermeldestufe überschritten (s. Abbildungen). Im Allgäu musste die Feuerwehr zu etwa 100 Einsätzen ausrücken.
Im Südharz richtete eine Schlammlawine Schäden an, im Landkreis Mansfeld-Südharz galt daraufhin Katastrophenalarm. In Hamburg
schlug ein Blitz in ein Reetdachhaus ein, ein Bewohner musste mit Verdacht auf Rauchvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert
werden.
Text: CE
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