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Samstag, 17. Juli 2010, 23:00 MESZ
Rekordhitze/Gewitter Mitteleuropa 09.-14.07.2010 Satellitenbild: 14.07.2010, 17:08 UTC, NOAA-16 RGB Quelle: DWD |
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Eine Woche nach der ersten ausgeprägten Hitzewelle des Sommers 2010 (siehe Artikel) stiegen die Temperaturen speziell in Mitteleuropa erneut in Höhen der Rekordmarken und darüber hinaus. An zahlreichen Stationen in Deutschland wurden neue Höchstwerte für die erste und zweite Julidekade sowie einigenorts auch für den gesamten Monat gesetzt. Dazu gesellten sich teilweise heftige Gewitter, insbesondere zum Ende hin nahmen diese verbreitet unwetterartige Ausmaße an. Der nachfolgende Artikel ist in drei Abschnitte unterteilt: Einleitend wird die Entwicklung der großräumigen Wetterlage beschrieben, die nachfolgenden Teile trennen nach Hitze und Gewittern.
Entwicklung der großräumigen Wetterlage Infolge massiver Warmluftadvektion auf der Vorderseite eines für die Jahreszeit ungewöhnlich kräftigen Sturmtiefs ("Leonore") bei Island entstand zum 5. Juli 2010 über dem östlichen Nordatlantik ein mächtiger Hochdruckrücken, der am 8. vom westlichen Mittelmeer über Norditalien und Deutschland bis in den Nordwesten Russlands reichte. Großräumige Absinkvorgänge auf seiner Vorderseite führten zum einen zu einer schrittweisen Erwärmung der zuvor eingeflossenen kühleren Meeresluft und zum anderen zum Aufbau einer Bodenhochdruckzelle ("Zadok"), die aus einem weit nach Osten vorgeschobenen Keil des Azorenhochs hervorging. Mit der Verlagerung des Bodenhochs zum östlichen Mitteleuropa setzte bereits zum 8. über Mitteleuropa eine advektive Erwärmung ein, die am 9. und 10. ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte. Am Abend des 10. lagen weite Gebiete Deutschlands unter der +20-°C-Isotherme in 850 hPa, etwa 1.500 Metern Höhe entsprechend - ein in hiesigen Breiten selbst im Hochsommer außerordentlicher Anblick auf den Wetterkarten.
Zwar nicht als Kaltfront markiert, drang hinter der sich unter Abschwächung nordostwärts verlagernden Tiefdruckrinne zum 11. doch etwas weniger heiße Luft in die westlichen Teile Deutschlands vor, in der die Höchsttemperaturen rund 5 K niedriger als am Vortag lagen. Die sehr heiße Luft wurde etwas nach Osten abgedrängt, blieb aber im Osten Deutschlands wetterbestimmend.
Vor einem weiteren, deutlich markanteren Randtrog des ostatlantischen Langwellentroges drehte die Strömung aber nur einen Tag später, zum 12., auf südliche Richtungen zurück und führte erneut sehr warme bis heiße Luft subtropischen Ursprungs nach Mitteleuropa. Einmal mehr konnten über dem gesamten ostdeutschen Raum 850-hPa-Temperaturen von mehr als +20 °C analysiert werden. Zum Abend näherte sich dem Westen Deutschlands die Kaltfront von Tief "Norina" an, das zuvor an der Kaltfront eines Tiefs ("Mae") vor der Küste Norwegens entstanden war. In ihrem Vorfeld bildete sich eine Konvergenzlinie aus, in deren Bereich es bereits während der Nacht über Frankreich zu kräftigen Gewittern gekommen war. Diese erfassten am Vormittag den Westen und Nordwesten Deutschlands, während im Umfeld der sich am Nachmittag neu organisierenden Konvergenz dann über der Mitte des Landes zum Teil heftige Gewitter niedergingen. Die mit einem Kurzwellentrog in Verbindung stehende Kaltfrontpassage gestaltete sich vergleichsweise unspektakulär, auch weil zu deren Zeitpunkt bereits Kaltluftadvektion auf die Trogvorderseite übergegriffen hatte und zum einen eine Stabilisierung bewirkte und zum anderen den dynamischen Hebungsantrieben entgegenwirkte. Postfrontal gelangte am 13. kühlere und trockenere Luft zumindest in die nördlichen Landesteile. Im Süden dagegen hielten sich Reste der feuchtheißen Luft.
Hitze Ihren Anfang nahm die von einzelnen Tagen unterbrochene Hitzewelle bereits am 8., als deutschlandweit Höchsttemperaturen um +30, am Rhein bis +34 °C (z. B. Köln/Bonn Flgh. +33,6 °C) erreicht wurden. Erste Rekorde, die teilweise erst eine Woche zuvor aufgestellt worden waren, fielen im Norden Deutschlands dann am 9. Verbreitet konnten Höchstwerte um +35 °C gemessen werden, nur an wenigen Stationen wurde die +30-°C-Marke nicht überschritten (z. B. Erding). Der 10. war der bundesweit heißeste Tag der gesamten Episode mit einem Spitzenwert von +38,8 °C in Bendorf, was dort gleichzeitig einen neuen Julirekord bedeutete. An 118 Stationen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) wurden alleine an diesem Tag 26 - mutmaßlich 27, da von der Station Soltau keine Messwerte vorlagen - neue Rekorde für die erste Julidekade aufgestellt, darunter 11 Monatsrekorde. Aachen überbot seinen (Dekaden-)Rekord aus dem Jahre 1894 (!) gleich um mehr als 1 K. Am 11. gingen die Temperaturen in der Westhälfte Deutschlands etwas zurück, dennoch blieb es auch hier verbreitet heiß. Die höchsten Werte konnten an diesem Tag jedoch im Osten registriert werden; +38,2 °C wurden beispielsweise an der Berliner Station Buch und in Potsdam gemessen. Hier fielen zudem einige Rekorde für die zweite Dekade aus dem Jahre 2007. Denselben Spitzenwert (+38,2 °C) verzeichnete am 12. die Station Wusterwitz (Brandenburg). Doch nicht nur im Osten, auch in den übrigen Landesteilen wurden dann wieder Höchstwerte um oder über +35 °C verbucht. So kamen etwa Rahden-Varl (Nordrhein-Westfalen) auf +37,2 °C und Würzburg auf +36,2 °C. Nach einem landesweit kühleren 13., der aber noch immer Höchsttemperaturen um +30 °C hervorbrachte, kehrte die extreme Hitze am 14. zurück. In Waghäusel-Kirrlach (Baden) wurden +37,1 °C am Thermometer abgelesen, was für den Spitzenplatz in der Temperaturhitliste unter den Stationen des DWD reichte. Ebenfalls +37,1 °C notierte man aber auch an dessen ehemaliger Station in der Karlsruher Hertzstraße.
Die hohen Temperaturen sowohl tagsüber als auch nachts schlugen sich in außergewöhnlich hohen Mitteltemperaturen bis zur Mitte des Monats nieder. Eingedenk der ersten größeren Hitzewelle Anfang Juli betrugen die Abweichungen gegenüber dem Mittelwert der Jahre 1961 bis 1990 bis 7 K im Berliner Raum (z. B. Lindenberg 7,1 K, siehe Grafik). Bis zum 14. lag der Juli 2010 nach den Mitteltemperaturen sogar vor den bisherigen Rekordjuli 2006. Im Zusammenhang mit der Hitze geriet die Deutsche Bahn in die Kritik, nachdem am 10. in einem ICE die Klimaanlage ausgefallen war und mehrere Personen, vorwiegend Schüler, nach einem Stopp in Bielefeld notärztlich versorgt werden mussten. In den darauffolgenden Tagen häuften sich die Berichte von defekten Klimaanlagen, die - wie später bekannt wurde - offenbar nur bis zu einer Außentemperatur von +32 °C ausgelegt sind. Mit der Hitze wurde gleichzeitig auch die anhaltende Trockenheit in großen Teilen Deutschlands allmählich zum Problem. Nachdem bereits im Juni in einigen Regionen in der Mitte und im Osten nicht einmal 10 mm Regen gefallen waren, verlief auch der Juli bis dahin vielerorts zu trocken. Örtlich begrenzte Gewittergüsse schafften hierbei nur wenig Abhilfe. Viele Grünflächen und Bäume zeigten sich verbrannt oder bräunlich verfärbt. Nicht nur in Deutschland, sondern insbesondere auch im südlichen Mitteleuropa herrschte große Hitze. In Carpentras im Süden Frankreichs wurden zum Beispiel am 11. +37,5 °C gemessen; in Österreich, Slowenien und Kroatien konnten vor allem am 14. verbreitet Höchstwerte um +35 °C verzeichnet werden (z. B. Ferlach/Kärnten +36,3 °C). Nachstehend die höchsten gemessenen Temperaturen in Deutschland an Stationen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 09. bis 14.07.2010. Die Messungen an der Ende 2008 aufgegebenen Station Karlsruhe/Hertzstraße führt das Institut für Meteorologie und Klimaforschung (IMK) am Karlsruher Institut für Meteorologie (KIT) unter denselben Bedingungen fort.
Gewitter Jeweils im Abstand von zwei Tagen suchten am 10., 12. und 14. teilweise schwere Gewitter insbesondere die Westhälfte Deutschlands heim. Die Gewitter am Abend des 10. und in der Nacht zum 11. formierten sich entlang einer Linie Niederlande - Südbaden und gingen in erster Linie mit kräftigen Böen und starkem Regen, eher selten mit Hagel einher. Am Flughafen Saarbrücken wurden 104 km/h gemessen, in Beuren (Kreis Trier-Saarburg) fielen innerhalb kurzer Zeit 35 mm Regen. Im Ortenaukreis und im Kreis Emmendingen (Baden-Württemberg) liefen zahlreiche Keller voll Wasser. Abgerissene Äste sorgten zeitweise für Behinderungen auf der Autobahn 5.
Auf Helgoland (Düne) wurden elf Menschen verletzt, als vor dem Gewitter auftretende kräftige Böen große Schäden auf einem Zeltplatz anrichteten. Dabei handelte es sich jedoch erwiesenermaßen nicht, wie von einigen Medien propagiert, um einen Tornado, sondern um einen "Downburst"; einem durch Schmelz- und Verdunstungsabkühlung der Eis-/Hagelpartikel und Regentropfen induzierten Fallwind, der in Bodennähe in horizontale Richtung umgelenkt wird und sich dort im Vorfeld des Gewitters ausbreitet. In Nordhorn wurde eine Frau von einem umstürzenden Baum erschlagen; in Köln eine weitere Frau von einem LKW erfasst und getötet, als sie in einer Unterführung Schutz vor dem Unwetter gesucht hatte. Mehrere Menschen wurden verletzt, vor allem aus Nordrhein-Westfalen gab es zahlreiche Schadenmeldungen.
Erneut beklagten allen voran die westlichen Landesteile zum Teil schwere Schäden. Neben umgestürzten Bäumen hatten beispielsweise Blitzeinschläge Stromausfälle in Trier und Koblenz zur Folge. Im Saarland wurden Dächer von etwa 30 Häusern beschädigt und mehrere Autos von umherfliegenden Gegenständen getroffen. Am Frankfurter Flughafen musste der Flugverkehr eine Stunde lang komplett eingestellt werden. Bereits zuvor hatten die Gewitter in den Niederlanden, Belgien und im Osten Frankreichs schwere Schäden angerichtet und zwei Menschenleben gefordert. Im belgischen Elsenborn im Hohen Venn wurden Orkanböen bis 137 km/h gemessen, bei Oosterwolde in den Niederlanden gab es einen Tornado.
Text: CE
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