Wettergefahren-Frühwarnung | Starkschneefall - Große Seen/Nordamerika - 17.-21.11.2014
Wettergefahren-Frühwarnung - Übersicht

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Freitag, 21. November 2014, 19:40 MEZ
aktualisiert am 22. November 2014, 17:00 MEZ


Starkschneefall, Lake-Effect

Nordamerika
Mid-West und Northeast/USA, Ontario/Kanada

17. - 21.11.2014


Lake-Effect-Schneefälle in Cheektowaga (NY)
Foto vom 20.11.2014
Quelle: Mike Seidel

Nach einem extremen Kältewelle Anfang der zweiten Novemberdekade kam es zum Ende der zweiten Novemberdekade zu einem neuerlichen Vorstoß artischer Kaltluft. Etliche neue Monatsrekorde der Tiefsttemperatur und der tiefsten Höchsttemperatur für November wurden aufgestellt. Solche Wetterlagen mit derartiger Kälte und verbreiteten Schneefällen treten sonst am ehesten im Januar oder Februar auf.
Besonders heftig erwischte es die Gebiete um die Großen Seen. Dank eines ausgeprägten Lake-Effects fielen dort gebietsweise über 1 m Neuschnee. Straßen waren unpassierbar, Schulen blieben geschlossen, Flüge fielen aus. Einige Dächer hielten der Schneelast nicht stand. Mindestens 12 Menschen kamen ums Leben.



Erneut arktischer Kaltluftvorstoß

Schon in der ersten Novemberhälfte hatte es in weiten Teilen Nordamerikas einen heftigen Wintereinbruch gegeben. An dieser Entwicklung war auch der Ex-Taifun "Nuri" beteiligt, der sich zum Ende der ersten Novemberdekade zu einem der stärksten außertropischen Tiefdruckgebiete über dem Nordpazifik entwickelte. In der Folge nahm der Jetstream einen sehr nördlichen Verlauf über dem östlichen Nordpazifik und dem westlichen Nordamerika und es etablierte sich dort ein ausgeprägtes Hoch (antizyklonal: Drehung im Uhrzeigersinn), das blockierend wirkte. Mithilfe eines seine Amplitude vergrößernden Höhentrogs, der sich über die zentralen Teile Nordamerikas nach Süden ausdehnte, wurde artiksche Kaltluft nach Süden transportiert. Hinter der Kaltfront, in deren Bereich es verbreitet zu Schneefällen kam, beruhigte sich das Wetter und die liegende Schneedecke und klarer Himmel unter zunehmender Bodenhochdruckeinfluss ließ die Temperaturen tief sinken.
Bis zum 17.11. intensivierte ein sich zuvor mit südwestwärts gerichteter Horizontalachse über dem westlichen Nordamerika gelegener Randtrog und verlagerte sich stromab südostwärts. Dabei vergrößerte der Trog am 17.11. seine Amplitude bis in den äußersten Norden Mittelamerikas.

500-hPa-Geopotential/Bodendruck und 850-hPa-Geopotential/-Temperatur Nordamerika | Quelle: wetter3.de
17.11.2014, 00 UTC 18.11.2014, 00 UTC 19.11.2014, 00 UTC 20.11.2014, 00 UTC


7-d-Mitteltemperatur bis 19.11.2014
mit Abw. vom langj. Novembermittel
© NOAA NCEP CPC
Starke Temperaturgegensätze

Vorderseitig des Troges wurden sehr milde subtropische Luftmassen nach Norden verfrachtet. Warmluftadvektion auf der Trogvorderseite führte beispielsweise über Neufundland zu einer Temperaturzunahme in 850 hPa (rund 1500 Meter) um über 20 Kelvin. Wurden am Abend (UTC) des 16.11. noch unter -10 °C analysiert, betrugen die 850-hPa-Temperaturen am Abend (UTC) des 18.11. gut +10 °C. Der gegensätzliche Vorgang war trogrückseitig zu beobachten: Bei leichter Östwärtsverlagerung strömte erneut sehr kalte Kontinentalluft polaren Ursprungs über die zentralen Gebiete Nordamerikas nach Süden. Über dem Mittleren Westen sanken die 850-hPa-Temperaturen bis zum Abend (UTC) des 17.11. auf knapp unter -20 °C.

Verbreitet Schnee und etliche Rekorde

Die Temperaturkontraste zwischen sehr milder Luft im Südösten und äußersten Osten der USA sowie der extrem kalten Luft über dem zentralen Nordamerika verschärften sich am 16.11. merklich. Im Übergangsgebiet der unterschiedlichen Luftmassen intensivierten sich die Niederschläge durch großräumige und mesoskalige Hebungsprozesse im Bereich des Frontensystems. Am 17.11. gingen vor allem vom äußersten Osten der Südwest-USA (Texas) bis zu den Großen Seen und Neufundland Niederschläge nieder. Auf der kalten Seite der Luftmassengrenze fiel Schnee, auf der warmen Seite kam es zu Regenfällen. Insgesamt waren am 17.11. und am 18.11. über die Hälfte der Fläche der USA mit Schnee bedeckt (50,4 % bzw. 50,2 %, Quelle: NOAA NOHRSC). Nach Angaben des National Weather Service wurden am 18.11. in allen 50 US-Staaten frostige Temperaturen gemessen. Im Zeitraum von 17.11. bis 19.11. wurden in den USA 12 neue Monatsrekorde der Tiefsttemperatur für November aufgestellt. An hunderten Stationen existieren seither neue Tagesrekorde. Hinzu kamen 59 Novemberrekorde der tiefsten Höchsttemperatur (eine Auswahl ist in der Tabelle unten zu finden). Außerdem verzeichneten 16 Stationen Monatsrekorde der Schneehöhe und 6 Monatsrekorde des Neuschnees.

Schneehöhenanalysen (oben) und 24-h-Niederschlag als Schnee (unten) | Quelle: NOHRSC
18.11.2014, 06 UTC 20.11.2014, 06 UTC
bis 19.11.2014, 06 UTC bis 20.11.2014, 06 UTC


Lake-Effect an den Großen Seen

Am 17.11. nahmen die Luftdruckgegensätze zwischen einem sich vorderseitig des Troges gebildeten Bodentief und hohem Luftdruck in der Südwesthälfte der USA deutlich zu. Damit verstärkte sich auch der Wind und mit verbunden mit den Lake-Effect-bedingten Schneefällen stellten sich rund um die Großen Seen gebietsweise blizzardähnliche Zustände ein.
Der Lake-Effect ist dafür bekannt, regional sehr hohe Neuschneemengen hervorzurufen. Wenn sehr kalte Luft (in 850 hPa waren es zum Teil unter -20 °C) über die noch relativ warmen Wasserflächen der Großen Seen (z.B. Erie-See +7 °C) streicht, besteht eine sehr labile Schichtung mit einer hohen vertikalen Temperaturabnahme. Durch Konvektion entstehen Wolkenstraßen (siehe Satellitenbilder), die mit heftigen Schneeschauern und ergiebigen Neuschneemengen einhergehen. Besonders markant kommt der Lake-Effect zum Tragen, wenn der Wind entlang der horizontalen Längsachse (lange Seite eines Sees) weht. Die Luft kann sich sodann mit viel Feuchtigkeit anreichern und die Konvektion besser entfalten. Da diese Prozesse sich erst enfalten müssen, ist bei Westströmung typischerweise am westlichen Rand eines Sees aufgrund der kalten kontinentalen Luft des Umlands (stabilere Schichtung) ein noch wolkenfreier oder -armer Bereich zu sehen (siehe Satellitenbilder).

Satellitenbilder (Terra / MODIS) Große Seen: Lake-Effect | Quelle: NASA EOSDIS Worldview
18.11.2014 20.11.2014

Sekundärzirkulationen, die aus der kalten Luft des Umlands und der wärmeren Luft über den Seeflächen resultieren, tragen zur Ausbildung einer linienförmigen Konvergenzzone bei. Stromab sind ergiebige Schneefälle und stationäre Schneeschauerstraßen, die stellenweise extreme Neuschneemengen nach sich ziehen, keine Seltenheit. Gebiete mit heftigen Schneefällen und Gebiete mit klarem Himmel liegen oft dicht beieinander.
Am Ostrand des Eriesees fiel beispielsweise über 1 m Schnee. Der Lake-Effect entfaltete sich dabei hervorragend, weil sich die lange Achse des Sees in West-Ost-Richtung erstreckt und der Wind ebenfalls aus westlichen Richtungen kam. Ein quasi stationäres Wolkenband mit heftigen und lang anhaltenden Schneefällen sorgte für zum Teil chaotische Zustände. Zum Teil waren Blitz und Donner mit von der Partie. Die größte Neuschneemenge von 17. - 21.11. verzeichnete Cowlesville (NY) mit 224 cm. Die nordwestliche Anströmung am Oberen See (Lake Superior) führte in Ironwood (MI) zu einer neuen Rekordschneehöhe im November. Der alte Rekord von 69 cm vom 03.11.1989 wurde um 2 cm übertroffen. Unter anderem in Gaylord (MI) und Alberta Ford for Cen (MI) wurden mit 51 cm (bisher 46 cm, 28.11.1995) und 74 cm (bisher 61 cm, 22.11.1957) ebenfalls neue Monatsrekorde aufgestellt (Datenquelle: www.ncdc.noaa.gov).

V.l.n.r.: Radarbilder Buffalo, NY (für Animation anklicken), Ft. Drum/NY, Gaylord/MI und Marquette/MI | Quelle: UCAR
19.11.2014, 00 - 15 UTC 18.11.2014, 18 UTC 18.11.2014, 06 UTC 18.11.2014, 06 UTC



Der Lake-Effect in Buffalo (NY) im Zeitraffer



Infolge der Schneefälle kam es zu etlichen Einschränkungen und Behinderungen. Besonders im Bundesstaat New York waren Straßen unpassierbar, Schulen blieben geschlossen, Flüge fielen aus. Rund 225 Kilometer der Interstate 90, der längten Fernstaße der USA und Hauptverkehrsader West-Ost, mussten im Bundesstaat New York gesperrt werden. Aus dem Stadion Orchard Park, wo regelmäßig Football-Spiele der NFL stattfinden, schaufelten Freiwillige geschätzte 220.000 Tonnen Schnee heraus. Im Erie County am Ostende des Eriesees stürzten über 30 Dächer ein, die der Schneelast nicht standhielten. Im Westen des Bundesstaats New York wurde der Notstand ausgerufen. Mindestens 12 Menschen kamen ums Leben (Quelle: www.weather.com).

Wassertemperatur Buffalo/Erie-See und Temperaturverlauf in Buffalo, NY | Quelle: NOAA NOS / tidesandcurrents.noaa.gov
17. - 20.11.2014 17. - 20.11.2014


Größte Neuschneehöhen 17.-21.11. (l.) und Auswahl neuer Novemberrekorde der tiefsten Höchsttemperatur 17.-19.11. (r.)
Datenquellen: NWS Buffalo, NOAA/NCDC
Ort Schneehöhe
Cowlesville (NY)
Hamburg (NY)
West Seneca (NY)
Lancaster (NY)
Orchard Park (NY)
Wales Center (NY)
Wyoming (NY)
Blasdell (NY)
Alden (NY)
Colden (NY)
Corfu (NY)
Boston (NY)
224 cm
202 cm
198 cm
188 cm
180 cm
176 cm
160 cm
155 cm
146 cm
140 cm
124 cm
122 cm
USA 17.-19.11. Tiefstes Tmax Bisher (Jahr)
Kissimmee (FL)
Sumter (SC)
Floresville (TX)
Hamburg (PA)
Stevenson Dam (PA)
Linesville (PA)
Rochelle (IL)
Canyon (TX)
Snowshoe (WV)
11,1 °C (19.11.)
2,8 °C (19.11.)
0,6 °C (19.11.)
-2,8 °C (19.11.)
-6,1 °C (19.11.)
-8,3 °C (19.11.)
-8,9 °C (18.11.)
-9,4 °C (17.11.)
-15,0 °C (19.11.)
13,3 °C (03.11.1966)
3,9 °C (10.11.1991)
1,1 °C (18.11.2014)**
-2,2 °C (25.11.2013)
-3,1 °C (22.11.1987)
-5,6 °C (25.11.2013)
-6,7 °C (25.11.2005)
-7,2 °C (13.11.2014)*
-13,3 °C (13.11.1976)
* zuvor: -5,6 °C (28.11.1976)
** zuvor: 3,3 °C (29.11.1976)

Text: SB
21. November 2014
aktualisiert: SB, 22. November 2014