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Samstag, 25. Oktober 2014, 18:00 MESZ zuletzt aktualisiert: 26.10.2014, 16:30 MEZ Ex-Hurrikan "Gonzalo" Mitteleuropa/Alpen 21.-23.10.2014 Neuschnee im oberbayerischen Seegatterl auf ca. 775 m am 23.10.2014 Quelle: Benjamin Schön |
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Über dem Atlantik traf am 17.10. Hurrikan "Gonzalo" mit Kategorie 3 auf die Bermuda-Inseln und richtete Schäden durch Sturm und Starkregen an. An den Folgetagen verlagerte sich "Gonzalo" unter Abschwächung nordostwärts und steuerte als Ex-Hurrikan auf Europa zu. Am 21.10. sorgte das Sturmtief zunächst in Nordwesteuropa und anschließend vor allem in Süddeutschland für heftige Windböen. In Verbindung mit der Kaltfront des Tiefs traten stellenweise Orkanböen bis ins Flachland auf und führten zu Schäden. In Südfrankreich initiierte Ex-"Gonzalo" einen Mistral. Am 22.10. und 23.10. gingen im östlichen Alpenraum starke Schneefälle nieder. An den Alpen schneite es zum Teil bis auf 500 m herab. Oberhalb von 1000 m summierten sich die Neuschneemengen örtlich auf über 1 m.
Hurrikan Gonzalo über den Bermuda-Inseln Östlich des Karibischen Meers entstand am 10.10. eine tropische Wellenströung, die sich am 13.10. zu einem Hurrikan entwickelte, der den Namen "Gonzalo" erhielt. An den Folgetagen intensivierte sich der Hurrikan und erreichte am 16.10.
Am 17.10. zog "Gonzalo" als tropischer Wirbelsturm der Kategorie 3 über die Bermuda-Inseln hinweg und führte zu Schäden durch Sturm und Starkregen. Der Flughafen L.F. Wade International Airport musste vorübergehend geschlossen werden. Fast die gesamte Stromversorgung brach zeitweise zusammen. Überflutete Straßen, abgedeckte Hausdächer, umgestürzte Bäume und umgeknickte Strommasten richteten im britischen Überseegebiet versicherte Schäden von 200-400 Mio. US-Dollar an (Quelle: FNP). Auf dem weiteren Weg Richtung Nordosten schwächte sich der Hurrikan ab und erreichte am 19.10. Neufundland, bevor er sich als außertropischer Sturm auf den Europa zubewegte.
Schwerer Sturm in Teilen Europas Am 21.10. gelangte zunächst Nordwesteuropa in den Einflussbereich des Ex-Hurrikans. In der Höhe stieß ein Trog über Mitteleuropa südwärts vor und sorgte mit dem zugehörigen Tief am Boden zunächst über Großbritannien für allem heftige Windböen, die zu Schäden und Behinderungen führten. Vielerorts wurden Sturmböen gemessen, mancherorts sogar Orkanböen. Am Flughafen London Heathrow fiel fast jeder dritte Flug aus oder war verspätet. Unter anderem kam es auch in Amsterdam und Zürich zu Einschränkungen im Flugverkehr.
Das Schadenpotential durch Sturm nimmt mit der Windgeschwindigkeit zum Kubik (v³) zu. Geringfügig höhere Windgeschwindigkeiten richten im Schadenfall somit deutlich schwerere Schäden an. Viele Bäume waren noch stark belaubt und hielten dem Druck der Windböen nicht stand. Herabfallende Äste und umstürzende Bäume blockierten etliche Straßen und führten zu einigen Schäden. Feuerwehr und Polizei mussten zu hundertfachen Einsätzen ausrücken. In Baden-Württemberg und Bayern musste die Bahn über 20 Strecken des Regionalverkehrs zeitweise sperren. Zahlreiche Dächer wurden abgedeckt, Strommasten und -leitungen wurden beschädigt, mancherorts kam es zu Stromausfällen. In Österreich waren 30.000 Menschen für zwei Stunden ohne Strom. Allein in Stuttgart wurden über 50 Autos durch umgestürzte Verkehrsschilder, herabfallende Äste oder Dachziegel beschädigt. In weniger als zwei Stunden erhielt die Stuttgarter Polizei rund 100 sturmbedingte Notrufe. Auf den 22.10. führte ein kräftiger Mistral verursacht durch Ex-Gonzalo besonders vom Süden Frankreichs bis nach Sardinien zu Orkanböen. Starke Druckunterschiede zwischen einem neu gebildeten Leetief südlich der Alpen über Norditalien und einem von Westen nachrückenden Hoch resultieren in heftigem Wind. Auf dem Mont Aigual (F) wehte der Wind in Böen bis 156 km/h, am Cap Bear und am Cap Sagro mit jeweils 148 km/h. Auf der Île du Levant, am Cap Corse, in Bec de l'Angle wurden ebenfalls Orkanböen gemessen (141 km/h, 137 km/h bzw. 135 km/h). Am 22.10. schnürte sich vom Trog ein eigenständiges Höhentief ab und wanderte südwärts Richtung Balkan. In der Früh lag der Ex-Hurrikan "Gonzalo" mit seinem Zentrum über Norddeutschland. Der Wind ließ meist nach, verbreitet wehte aber weiterhin ein stürmischer Wind. In Norddeutschland führten Ausläufer des Ex-Hurrikans "Gonzalo" zu einer ersten leichten Sturmflut der Saison. Der Hamburger Fischmarkt war vorübergehend komplett überflutet. In Hamburg-Sankt Pauli wurden am Nachmittag ein Höchststand von 2,17 m über dem normalen Tidehochwasser verzeichnet. Insgesamt verursachte das Orkantief in Deutschland versicherte Schäden von 60-100 Mio. Euro (Quelle: boerse-online.de). Mehrere Menschen wurden bei Unfällen verletzt.
Kräftige Schneefälle im Alpenraum Rückseitig des Troges gelangte kalte Luft aus Norden nach Mitteleuropa. Die Luftmassen des Ex-Hurrikans waren weiterhin feucht und erreichten die östlichen Mittelgebirge und die Alpen. Das Höhentief stellte großräumige Hebungsantriebe bereit, die im nördlichen Alpenraum zu ergiebigen Niederschlagsmengen von zum Teil über 100 mm führten. In den Westalpen blieb es dagegen ruhiger. Auch in den Hochlagen des Balkangebirges schneite es langanhaltend und ergiebig. Durch die Zufuhr kühlerer Luft sank die Schneefallgrenze rasch ab und es schneite bis in die inneralpinen Täler herunter. Die Schneefälle hielten länger an, ließen nur langsam nach und klangen erst am 24.10. ab. Durch die Advektion milderer Luftmassen stieg auch die Schneefallgrenze wieder an. Im Flachland Südostdeutschlands regnete es gebietsweise langanhaltend und kräftig. Einige Bäche und Flüsse führten am 23.10. Hochwasser. Etwa der Fluss Regen (siehe Grafik oben) verzeichnete am 23.10. einen fast viermal so hohen Pegel, wie zwei Tage zuvor.
Oberhalb von 1000 m fiel zum Teil insgesamt über 1 m Neuschnee. Neben Behinderungen durch Starkschneefall und Schneeglätte trat auch Schneebruch auf. Aufgrund des Staus der Alpen und der nördlichen Anströmung fielen die Niederschläge an der Nordseite der Alpen besonders ergiebig aus. Mit Tiefsttemperaturen um -2 °C auf der 850-hPa-Fläche (1400-1500 m) war bei Feuchtadiabasie die Schneegrenze um etwa 1100-1200 m zu erwarten. Durch die sogenannte Schmelzenthalpie (Schmelzwärme), die der Luft zum Schmelzen von Eis (Schnee) entzogen wird, bildete sich eine niedertroposphärisch nahezu isotherme Schicht aus. Dadurch sank die Schneefallgrenze am Nordrand der Alpen und inneralpin zum Teil unter 600 m, wie beipsielsweise im Inntal. Sogar in Kiefersfelden-Gach (518 m) bildete sich vorübergehend eine dünne Schneedecke aus. Auf Deutschlands höchstem Berg, der Zugspitze, fielen binnen 24 Stunden 70 cm Neuschnee. Auf der Oberen Firstalm/Schlierseer Berge (1369 m) kamen binnen eines Tages bis 23.10., 06 UTC 55 cm zusammen, in Balderschwang (1037 m) waren es 48 cm. In Innsbruck-Seegrube (1921 m) fielen im selben Zeitraum fast 100 mm Niederschlag. Die Schneehöhe betrug am 23.10. 132 cm - weniger als 36 Stunden zuvor war es dort noch vollkommen schneefrei.
Text: SB 25. Oktober 2014 aktualisiert: SB, 26. Oktober 2014 |