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Montag, 19. Mai 2014, 22:00 MESZ
Starkregen, Sturm östl. Mitteleuropa, Ostalpen, Balkan 14.- 17.05.2014 Hochwasser in Bosnien und Herzegowina, 15. Mai 2014 Quelle: @ youreporter |
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Ergiebige Dauerregenfälle führten im Bereich eines quasistationären Höhentiefs über Südosteuropa Mitte Mai 2014 zu extremem Hochwasser auf dem Balkan. Die Länder Bosnien und Herzegowina und Serbien erlebten eine Jahrhundertflut, bei der bislang mindestens 44 Menschen ums Leben kamen. Aber auch von Polen bis nach Österreich traten Flüsse durch tagelangen Regen über die Ufer. Desweiteren richteten schwere Sturmböen von Polen bis zum nördlichen Balkan Schäden an.
Sehr regenreiches Frühjahr in Südosteuropa
Wetterlage und Druckverteilung über Europa Zwischen einem Hoch auf dem Atlantik und einem Tiefdruckkomplex über Skandinavien setzte sich über West- und Mitteleuropa ab dem 11.05. eine nordwestliche Strömung durch, mit der kalte Luft polaren Ursprings bis in den zentralen Mittelmeerraum vordrang. Leeseitig der Alpen konnte über Oberitalien bereits am 12.05. ein kleinräumiges Tief analysiert werden. Starke Divergenz in der oberen Troposphäre sowie die Advektion mit der Höhe zunehmender positiver Vorticityadvektion vorderseitig eines vom Atlantik hereinschwenkenden Höhentroges führten ab dem 13.05. zu weiterem Druckfall am Boden. Bis zum 14.05. verlagerte sich das Tief, dass den Namen "Yvette" erhielt, unter weiterer Intensivierung zusammen mit dem sich amplifizierenden Trog von Oberitalien ostwärts auf den Balkan. Im weiteren Verlauf schnürte sich der südliche Teil des Höhentroges von der Frontalzone ab und kam am 15.05. als eigenständiger Höhentiefkomplex über dem Balkan zum Liegen. Tief "Yvette" erreichte mit einem Kerndruck von unter 1000 hPa am 15.05 über dem rumänisch-ungarischen Grenzgebiet ihren Höhepunkt. Gleichzeitig setzte von den britischen Inseln bis nach Deutschland kräftiger Druckanstieg ein, was zu einem starken Druckgradienten an der Westflanke des Tiefs führte. Zwischen der Ostgrenze Ungarns und dem Südosten Bayerns (etwa 700 Kilometer) ergab sich eine Druckdifferenz von 30 hPa. In Folge des hohen Druckgradienten lebte der Wind vom Südosten Polens bis zum nördlichen Balkan ab den Abendstunden des 14.05. stark auf und erreichte auf den Berggipfeln Orkanstärke. Im Flachland traten verbreitet schwere Sturmböen auf. Bis zum 17.05. verlagerte sich "Yvette" kaum noch und blieb nahezu ortsfest, füllte sich jedoch zunehmend auf, so dass sich der Wind ab dem 16.05. wieder deutlich abschwächte. Das Höhentief verlagerte sich ebenfalls unter Abschwächung langsam nordwestwärts und weitete seinen Einfluss am 17.- und 18.05. auch auf den Osten Deutschlands aus, bevor es dann ab dem 19.05. von einem über Westeuropa nach Süden vorstoßenden Trog wieder in die Frontalzone eingebunden wurde.
Starkniederschläge und Hochwasser auf dem Balkan Besonders gravierende Auswirkungen hatten die Starkniederschläge auf dem Balkan, wo die Böden aufgrund der sehr niederschlagsreichen Vorgeschichte schon mit Wasser gesättigt waren und somit bei größeren Regenmengen nicht mehr als Wasserspeicher dienen konnten. Niederschlagsmengen von vielerorts über 200 mm innerhalb 72 Stunden, wie zum Beispiel im Tuzla, wo bis zum 16.05. 233,6 mm Regen fielen, ließen viele Bäche und Flüsse dann stark anschwellen und führten in Serbien und in Bosnien und Herzegowina zu einer Jahrhundertflut. Besonders stark betroffen war der Fluss Save in Kroatien, Bosnien und Herzegowina und Serbien sowie die Bosna in Bosnien und Herzegowina. Ganze Landstriche und Städte, wie die Städte Doboj, Samac und Maglaj in Bosnien und Herzegowina. oder die serbische Stadt Obrenovac, standen zum Teil unter Wasser. Insgesamt sind in Bosnien und Serbien mehr als eine Million Menschen vom Hochwasser betroffen. In Bosnien und Herzegowina und Serbien forderten die Überschwemmungen bislang 44 Todesopfer. In der serbischen Hauptstadt Belgrad, wo die Save in die Donau mündet wird der Scheitel der Save erst im Laufe der Woche erwartet. Nicht nur die Fluten sondern auch Erdrutsche zerstörten mehrere Häuser und blockierten zahlreiche Straßen. Eine weitere große Gefahr des Hochwassers auf dem Balkan sind Landminen, die aus dem Bürgerkrieg in den 90er Jahren stammen und durch das Hochwasser weggeschwemmt wurden.
Starkniederschläge und Hochwasser im östlichen Alpenraum und im östlichen Mitteleuropa Auch von Polen über Tschechien und die Slowakei bis nach Österreich ließen die ungewöhnlich heftigen Regenfälle Flüsse und Bäche über die Ufer treten. Am stärksten fielen die Niederschläge hier am Nordrand von Riesengebirge, Böhmerwald / Bayerischer Wald, der Tatra sowie am österreichischen Alpennordrand aus. Vom Salzkammergut bis in den Wiener Wald fielen nach Analysen des österreichischen Models Inca der ZAMG bis zum 17.05., 06 UTC zum Teil über 200 mm innerhalb 48 Stunden. An der Station Lackenhof in Niederösterreich fielen in 48 Stunden 238 mm Regen. Insgesamt verursachte das Hochwasser in diesen Regionen weitaus weniger Schäden als auf dem Balkan. Dennoch mussten in Österreich aufgrund des Hochwassers zahlreiche Straßen gesperrt und viele Keller ausgepumpt werden. Kleinere Brücken rissen die Fluten mit sich. Ähnlich gestaltete sich die Situation auch in Polen und Tschechien. Sowohl in Tschechien als auch in Polen ertrank eine Person in den Fluten. In Österreich starb ein Kajakfahrer, als er mit seinem Kajak auf der Erlauf in den Hochwasserfluten kenterte.
Sturm vom östlichen Alpenraum bis zum nördlichen Balkan Orkanböen auf den Bergen sowie Böen bis 100 km/h im Flachland suchten neben den kräftigen Niederschlägen vom 14.- bis 16. Mai die Gebiete von Südpolen bis nach Slowenien und Kroatien heim. Umgestürzte Bäume beschädigten Stromleitungen und blockierten Straßen und Schienen. In Polen fiel für 60.000, in Österreich für mehr als 1500 Menschen kurzzeitig der Strom aus. Vielerorts wurden Dächer durch den Sturm abgedeckt. In Warschau starb eine Frau durch einen herabstürzenden Ast.
Historische Einordung Starkniederschlagsereignisse in der Balkanregion führten auch in der Vergangenheit immer wieder zu kräftigem Hochwasser. Dabei ist wie auch in diesem Jahr oftmals ein Höhentief zu beobachten, das seine Lage über mehrere Tage nicht ändert und jeweils in der entsprechenden Region für große Niederschlagsmengen sorgt. Das Tiefdrucksystem kann warme und feuchte Luftmassen aus dem östlichen Mittelmeerraum und der Region um das Schwarze Meer in die Zirkulation mit einbeziehen. Im Jahr 2005 gab es über das Jahr verteilt gleich vier Ereignisse mit Starkniederschlag in Südosteuropa. Anfang März brachte ein von der Nordsee zuerst in den westlichen Mittelmeerraum und dann nach Nordosten ziehendes Tiefdruckgebiet in Kroatien und dem heutigen Montenegro Regenmengen zwischen 120mm und 150mm in nur 24h. Kennzeichnend waren die großen Temperaturunterschiede zwischen polarer Kaltluft und feuchter Warmluft aus Nordafrika auf kleinem Gebiet. Auch im August des Jahres 2005 kam es zu kräftigem Regen. In Bulgarien fielen bis zu 230 mm in 3 Tagen, Kroatien brachte es örtlich auf 125 mm in zwei Tagen. Ein Höhentief hatte eine ähnliche Zugbahn genommen wie das Tief im März und auch dieses Mal wurden an der Vorderseite sehr heiße und feuchte Luftmassen aus dem östlichen Mittelmeerraum nach Norden geführt. Durch Konvektion wurden die Niederschläge örtlich nochmals verstärkt. Im Juli und September waren dann vor allem die Gebiete weiter im Osten (Rumänien, Bulgarien) von heftigem Niederschlag mit Überschwemmungen betroffen. Ende Juli 2008 gab es in der Ukraine und Rumänien große Überschwemmungen, auch in Österreich fiel sehr viel Regen. Die Entstehung des Tiefs ähnelte der des Balkantiefs von letzter Woche. Ein nach Süden vorstoßender Trog ließ im Südosten ein Bodentief entstehen, das sich sehr lange an einem Ort halten konnte und in dessen Zirkulation sehr warme und feuchte Luftmassen gelangten. Das Höhentief spaltete sich auch hier relativ schnell vom Trog ab und blieb über Südosteuropa liegen. In Zakopane fielen 114mm in 24 Stunden, in Österreich bis zu 70mm in 24 Stunden. Die größten Regenmengen gab es in der Ukraine und Rumänien. Im Mai 2010 sorgte Tief "Yolanda" in Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn für extrem große Niederschlagsmengen. Mit einem weit nach Süden reichenden Höhentrog über dem westlichen Mittelmeer konnte sich um den 15.5. ein Tief südlich von Italien bilden, das anschließend in einer nordöstlichen Zugbahn Richtung Osteuropa zog. An der Vorderseite konnten sehr feuchte und heiße Luftmassen aus Nordafrika weit nach Norden vordringen. In Polen fielen bspw. in Bielsko-Biala bis zu 200 mm in 3 Tagen, Bogdanówka brachte es auf 186 mm in nur 24 Stunden und im Osten Tschechiens erreichten im Gebirge über 300 mm in Form von Regen und Schnee in nur drei Tagen den Boden. Es gab in Polen an Oder und Weichsel sehr große Überschwemmungen. Die für das Ausmaß der diesjährigen Jahrhundertflut entscheidenden Faktoren waren, dass sich zum Einen die sehr hohen Niederschlagsmengen auf ein sehr großes Gebiet erstreckten und zum Anderen die Böden durch die sehr nasse Vorgeschichte bereits vor dem Starkregenereignis gesättigt waren und das Wasser somit direkt oberflächlich abfließen mussten.
Text: MB/JW 19. Mai 2014 |