Dank zweier Sturmtiefs namens "Dirk" und Erich" fielen die Tage um Weihnachten 2013 im Westen und Nordwesten Europas
sehr stürmisch und nass sowie in Mitteleuropa außergewöhnlich mild aus. Der Orkanwirbel "Dirk" wartete zudem mit einem
rekordverdächtig tiefen Kerndruck von 927 hPa auf. Vor allem in Spanien, Frankreich und auf den Britischen Inseln
gab es Orkanböen und Sturmschäden. Großbritannien hatte nach starken Regenfällen mit Überschwemmungen zu tun. Im
Alpenraum gab es Föhnsturm, in Mitteleuropa neue Dekadenrekorde der Höchsttemperatur.
Wetterlage und Entwicklung
Die Tage um Weihnachten 2013 liefen in einigen Regionen Europas wettertechnisch sehr turbulent ab. Gleich zwei
kräftige Sturmtiefs, "Dirk" und "Erich", bescherten vielen West- und Mitteleuropäern facettenreiches Extremwetter
von Orkanböen über ergiebige Regen- und Schneefälle bis zu neuen Dekadenrekorden der Höchsttemperatur. Auslöser der
heftigen Wettererscheinungen war ein riesiges Kältereservoir über dem Nordosten Kanadas und über der Labradorsee,
dem sehr milde Luft subtropischen Ursprungs gegenüberstand, die mit einer breiten Südwestströmung entlang der
Ostküste der USA nordwärts transportiert wurde. Damit erhöhten sich rund um Neufundland die Temperaturgegensätze, was
in der oberen Troposphäre einen sehr starken Jetstream mit Windgeschwindigkeiten von weit über 300 km/h hervorrief.
Ähnlich zu Orkantief
"Xaver",
das Anfang Dezember 2013 im Bereich einer sehr intakten Frontalzone entstand, entwickelten sich nun über dem Nordatlantik
in der sehr strammen zonalen Strömung gleich mehrere Sturmtiefs, die in der Folge West- und Mitteleuropa beschäftigten.
Am kräftigsten fiel das Orkantief "Dirk" aus, das am 24.12., 12 UTC nordwestlich von Schottland einen minimalen
Kerndruck von 927 hPa erreichte (nach Met Office Analyse). Solch tiefe Kerndrücke sind in außertropischen Gebieten
relativ selten zu beobachten. Ähnlich niedrig war der Luftdruck im nordatlantischen Raum zuletzt bei Orkantief
"Jolle"
Ende Januar 2013. Der tiefste Luftdruck, der sowohl auf der Nord- als auch Südhalbkugel im Bereich von Tiefdruckgebieten
in den mittleren Breiten jemals gemessen wurde, stammt vom "Braer-Storm" am 10.01.1993 über dem Nordatlantik.
Met Office analysierte dessen minimaler Kerndruck auf 914 hPa. Sehr tief sank der Luftdruck über dem Nordatlantik
auch am 15.12.1986, als im Kern eines Orkantiefs 916 hPa analysiert wurden.
500-hPa-Geopotential, Bodendruckanalysen, IR-Satellitenbilder |
Quellen: wetter3.de,
DWD / FU Berlin,
B.J. Burton |
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23.12.2013, 00 UTC |
24.12.2013, 00 UTC |
25.12.2013, 00 UTC |
26.12.2013, 00 UTC |
27.12.2013, 00 UTC |
Für den massiven Druckfall bei "Dirk" waren maßgeblich vier meteorologische Prozesse verantwortlich. In der
oberen Troposphäre wurde im linken Auszug eines Jetstreammaximums (Jetstreak) im Bereich starker Höhendivergenz
aus einer gedachten vertikalen Luftsäule viel Luft evakuiert, was den Luftdruck am Boden rasch sinken ließ.
Auf der Vorderseite des Langwellentroges sowie östlich von "Dirk" wurden sehr milde Luftmassen aus den
Subtropen in die Zirkulation einbezogen. Kräftige Warmluftadvektion geht immer mit bodennahem Druckfall einher. Zudem
befand sich "Dirk" auf der Vorderseite eines durchschwenkenden Kurzwellentroges, wo in solch einer Situation
viel Krümmungs- und Scherungsvorticity herangeführt wird. Die differentielle positive Vorticityadvektion ist
ein weiterer Vorgang, der für die rasche Intensivierung des Bodentiefs verantwortlich ist. Während des Reifestadiums der
Zyklone setzte die kernnahe Konvektion zusätzlich latente Wärme frei, die dem Tiefdruckgebiet weitere Energie zuführte.
Am 23.12., 0 UTC lag "Dirk" noch als offene 985-hPa-Welle über dem offenen Meer des Nordatlantiks. Nach einer rapiden
Zyklogenese setzte sich das Orkantief mit seinem Kern nordwestlich von Schottland fest, 24 Stunden später am 24.12., 0 UTC mit
935 hPa, noch einmal 12 Stunden später um 12 UTC mit einem minimalen Kerndruck von 927 hPa.
Danach positionierte sich "Dirk" unter langsamer Auffüllung als Zentraltief über dem Nordmeer. Zwei Tage später
entstand im Bereich weiterhin hoher Temperaturgegensätze und mit einem neuen Kurzwellentrog das Sturmtief
"Erich", das nicht an die Ausmaße von "Dirk" herankam, aber dennoch auf den Britische Inseln neuen
Sturm und neue Regenfälle brachte.
IR-Satellitenbilder und 3-std. Luftdrucktendenzen von "Dirk" vor und zum Zeitpunkt des tiefsten Kerndrucks |
Quelle: DWD Ninjo |
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23.12.2013, 18 UTC |
24.12.2013, 00 UTC |
24.12.2013, 06 UTC |
24.12.2013, 12 UTC |
Airmass-Satellitenbild von "Dirk" am 24.12.2013, 12 UTC zum Zeitpunkt des tiefsten Kerndrucks |
Quelle: EUMeTrain |
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24.12.2013, 12 UTC |
24.12.2013, 12 UTC mit Bodendruck |
Auswirkungen von "Dirk" und "Erich"
"Erich" beschränkte sich überwiegend auf die Britischen Inseln und hinterließ dort hauptsächlich Sturmschäden durch
Orkanböen. Aberdaron maß eine Spitzenböe von 164 km/h gefolgt von Capel Curig mit 140 km/h. Höher waren
die Windgeschwindigkeiten nur noch in den schottischen Highlands, der Cairngorm Summit erreichte 183 km/h.
Kräftige Regenfälle gab es vor allem rund um den so genannten triple point, dem Verknüpfungspunkt von Okklusion, Warm- und
Kaltfront, wo mesoskalig maximierte Hebung stattfindet.
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24-h-Regen Andalusien
bis 26.12., 0 UTC, © AEMET |
Mächtiger und ausgedehnter stach dagegen das Orkantief "Dirk" hervor, das die Wettervorgänge vorübergehend
sogar in vielen Teilen Europas steuerte und beeinflusste. Auf Satellitenbildern konnte "Dirk" als hiesiger Orkanwirbel
von Island über Skandinavien bis zur Iberischen Halbinsel ausgemacht werden. In Spanien und Portugal gingen an
weit südwärts vorstoßenden Frontensystemen teilweise kräftige Regenfälle nieder. An der Nordküste Spaniens und im
Südwesten Frankreichs sorgten Sturm- und örtliche Orkanböen für Schäden. Am Kap Estaca de Bares (E) trat mit
154 km/h die größte Windböe während "Dirk" abseits von Bergstationen auf. In Needles (GB) reichte es für
Orkanböen bis zu 148 km/h, in La Hague (F) waren es 146 km/h. Hunderttausende Haushalte in Großbritannien,
Frankreich und Spanien mussten an Heiligabend ohne Strom auskommen. Zahlreiche Bäume wurden entwurzelt, im Straßen-, Bahn-
und Flugverkehr gab es starke Beeinträchtigungen und Ausfälle. An der galicischen Atlantikküste galt die höchste Alarmstufe.
Ergiebige und großräumige Regenfälle verursachten
auf den Britischen Inseln Überflutungen und Überschwemmungen. Binnen 24 Stunden registrierte Kenley Airfield (GB)
53,6 mm Regen, in Charlwood fielen 41,0 mm.
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Temp.verlauf [°C] 24./25.12.
München-Flgh./München-Stadt |
Rückseitig von "Dirk" strömte polare Kaltluft rasch nach Süden und amplifizierte den Langwellentrog über Westeuropa. Vorderseitig
des weit südwärts reichenden Höhentroges stellte sich über dem Alpenraum eine stramme südwestliche- bis südliche Höhenströmung
ein, die vor allem in den Schweizer Alpen einen kräftigen Föhnsturm zur Folge hatte. In einigen föhnigen Alpentälern gab es
mit dem warmen Fallwind auf der Leeseite von Gebirgszügen orkanartige Windböen, teilweise sogar Orkanböen. Chur im schweizer
Kanton Graubünden maß am 25.12. eine Spitzenböe von 110 km/h - das entspricht dem zweitstärksten Föhnsturm seit
Aufzeichnungsbeginn im Jahr 1981. Am alpinen Föhnstandort Gütsch ob Andermatt (2287 m) reichten Orkanböen
bis 208 km/h zum drittheftigsten Föhnsturm seit 1981. Vaduz im Fürstentum Liechtenstein registrierte Windböen bis
130 km/h. Die föhnig milde Luft kam am 24. und 25.12. bis in die Südhälfte Deutschlands voran. Am wärmsten wurde es an
diesem außergewöhnlich milden Heiligabend im baden-württembergischen Emmendingen-Mundingen und in Baden-Baden Geroldsau
mit jeweils 17,5 °C. Am 1. Weihnachtsfeiertag standen Orte im Chiemgau mit Temperaturen bis zu 18,9 °C
an der Spitze (Piding/BY und Chieming/BY). Auch die Nacht vom 24. zum 25.12. verlief in einigen Regionen Süddeutschlands
ungewöhnlich lau. In Rosenheim (BY) sank das Quecksilber nicht unter 14,0 °C.
Viele deutsche Wetterstationen erreichten für einen 24. Dezember neue Rekordwerte für
die Tagesmitteltemperatur. In München (BY), Lahr (BW), Rheinstetten (BW) oder Saarbrücken (SL) gab
es mit 16,1 °C, 16,5 °C, 16,7 °C bzw. 13,3 °C neue Dekadenrekorde der Höchsttemperatur. Weiter im
Osten verzeichnete das tschechische Bohumin mit 13,2 °C die wärmste Weihnacht seit Messbeginn. Nach Föhnzusammenbruch
in den Alpen stellten sich auf der Alpensüdseite ergiebige Stauniederschläge ein, die in den höheren Lagen als
Starkschneefälle
niedergingen. Europaweit kamen bei "Dirks" Extremwettererscheinungen mindestens 6 Menschen ums Leben.
12-stündige Temperaturmaxima/-minima bis zum jeweiligen Termin im süddeutschen Raum |
Quelle: DWD Ninjo |
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Maximaltemperatur, 24.12.2013, 18 UTC |
Maximaltemperatur, 25.12.2013, 06 UTC |
Minimaltemperatur, 25.12.2013, 06 UTC |
Spitzenböen und Niederschläge bei "Dirk" (oben, 23./24.12.) und "Erich" (unten, 26./27.12.) in Nordwesteuropa/Britische Inseln
Datenquellen: DWD,
MetOffice |
Ort GB |
Windböe |
Needles (Isle of Wight)
Berry Head
Langdon Bay
Gorleston
Manston
Mumbles
South Uist Range
Plymouth Mountbatten
Solent
Aberdaron
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148 km/h
135 km/h
122 km/h
121 km/h
121 km/h
121 km/h
121 km/h
119 km/h
119 km/h
117 km/h
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Ort GB |
RR 24 h |
Kenley Airfield
Charlwood
Wych Cross
Alice Holt Lodge
Goudhurst
Middle Wallop
Frittenden
Cluanie Inn
Liscombe
Hurn
|
53,6 mm
41,0 mm
38,6 mm
33,8 mm
32,2 mm
31,6 mm
30,8 mm
30,8 mm
30,4 mm
29,8 mm
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Ort Europa |
Windböe |
Estaca de Bares (E)
La Hague (F)
La Heve (F)
Capel Curig (N)
Brest/Guipavas (F)
Hornsund (N)
Le Talut (F)
Mace Head (IRL)
Vaduz (FL)
Tyra Oest (DK)
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154 km/h
146 km/h
143 km/h
137 km/h
131 km/h
130 km/h
130 km/h
130 km/h
130 km/h
120 km/h
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Ort GB |
Windböe |
Aberdaron
Capel Curig
Mumbles Head
St. Bees Head
Inverbervie
Valley
Lake Vyrnwy
Mona
Needles (Isle of Wight)
Dundrennan
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164 km/h
140 km/h
137 km/h
137 km/h
130 km/h
130 km/h
125 km/h
125 km/h
125 km/h
124 km/h
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Ort GB |
RR 9 h |
Tulloch Bridge
Tyndrum
Charterhouse
Kiedler Castle
Achnagart
Redesdale Camp
Cluanie Inn
Eskdalemuir
Dalwhinnie
Newton Rigg
|
38,0 mm
37,8 mm
37,8 mm
33,2 mm
32,8 mm
28,6 mm
26,2 mm
24,2 mm
24,2 mm
22,0 mm
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Ort Europa |
Windböe |
La Hague (F)
Kap Cepet (F)
Sherkin Island (IRL)
Mace Head (IRL)
Svinoy (N)
Eigeroya (N)
Estaca de Bares (E)
Shannon (IRL)
Reus (E)
Dublin (IRL)
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146 km/h
143 km/h
133 km/h
133 km/h
130 km/h
130 km/h
130 km/h
117 km/h
115 km/h
115 km/h
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Text: DK 1. Januar 2014
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