Ende Oktober 2013 entwickelte sich über West- und Mitteleuropa Orkantief "Christian", das als Shapiro-Keyser-Zyklone
einen "sting jet" ausbildete und Spitzenwindböen von weit über 150 km/h hervorbrachte.
Vor allem rund um den Ärmelkanal, in den Niederlanden, in Nordwestdeutschland, in Teilen Dänemarks und in Südschweden
verursachten Orkanböen große Schäden. Nach Süden hin begünstigte die Großwetterlage die Zufuhr sehr milder Luft, in der
einige neue Dekadenrekorde der Höchsttemperatur aufgestellt wurden.
Wetterlage und Entwicklung
Eine dritte Oktoberdekade der Extreme stand im Jahr 2013 Teilen West- und Mitteleuropas sowie dem Ostseeraum ins Haus.
Zunächst förderte ein meridional geprägtes und stark mäandrierendes Strömungsmuster das Heranwehen sehr milder Luftmassen
aus subtropischen Gefilden. Vor allem am 22.10. gelangte auf der Vorderseite eines Ostatlantiktroges für Ende Oktober
ausgesprochen warme Luft aus Südwesteuropa nach Deutschland und in den Alpenraum und sorgte für einige neue Temperaturrekorde. Im 850-hPa-Niveau konnten auf der
windabgewandten Seite (Leeseite) der Alpen mehr als 15 °C analysiert werden. Am Nordalpenrand bildete sich Föhn aus,
auch an den Nordrändern der süddeutschen Mittelgebirge setzte sich mit föhnigen Strömungen die warme Luft bis in die
Niederungen durch. Feldkirch (A) im oberen Rheintal registrierte als Maximum 26,4 °C.
Die höchste Temperatur in Deutschland erreichte Bad Mergentheim in Baden-Württemberg mit 25,9 °C,
gefolgt von Wielenbach (BY) mit 25,5 °C, Bad Kreuznach (RP) mit 25,4 °C und Darmstadt (HE) mit
25,3 °C, wo überall nochmals sehr spät im Jahr meteorologische Sommertage verzeichnet werden konnten. In der Vergangenheit
gab es in Deutschland aber selbst noch Anfang November meteorologische Sommertage, am 06.11.1997 maß Rosenheim in Südbayern eine
Höchsttemperatur von 25,9 °C. In der sehr milden Luft Ende Oktober 2013 wurden an etlichen deutschen Wetterstationen
neue Dekadenrekorde der Höchsttemperatur aufgestellt (siehe Tabelle unten). Vom 22.10. bis einschließlich 28.10. konnten mit
weiteren Warmluftvorstößen immer wieder neue Bestmarken gesetzt werden, bevor ab dem 29.10. deutlich kühlere Luftmassen Einzug hielten.
500-hPa-Geopotential, 850-hPa-pseudopot. Temperatur, Bodendruckanalysen, IR-Satellitenbilder |
Quellen: wetter3.de,
B.J. Burton |
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26.10.2013, 12 UTC |
27.10.2013, 12 UTC |
28.10.2013, 12 UTC |
29.10.2013, 12 UTC |
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26.10.2013, 12 UTC |
27.10.2013, 12 UTC |
28.10.2013, 12 UTC |
29.10.2013, 12 UTC |
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26.10.2013, 12 UTC |
27.10.2013, 12 UTC |
28.10.2013, 12 UTC |
29.10.2013, 06 UTC |
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26.10.2013, 12 UTC |
27.10.2013, 12 UTC |
28.10.2013, 12 UTC |
29.10.2013, 12 UTC |
War die großräumige Zirkulation zu Beginn der dritten Oktoberdekade noch meridional geprägt, so erfolgte ab dem 25.10. vom
Nordwestatlantik her eine Zonalisierung, die ostwärts ausgriff, in eine kräftige Westströmung mündete und zum 27.10.
auch West- und Mitteleuropa einnahm. Am Nordrand einer sich ausbildenden Frontalzone nahm das Zentraltief "Burkhard" den
Platz des steuernden Islandtiefs ein. "Burkhard" ging ab dem 24.10. aus einer markanten Zyklogenese bei Neufundland hervor
und verlagerte sich bis zum 28.10. mit seinem Kern in das Seegebiet zwischen Schottland und Westnorwegen. Südlich von
Island fiel der Kerndruck auf unter 960 hPa, vor allem an "Burkhards" Süd- und Südostseite bildeten sich große
Luftdruckgegensätze aus, die zum 27.10. auf den Britischen Inseln, im Norden Frankreichs, in Benelux, im Nordalpenraum
und in Deutschland für stürmisch auffrischenden Wind sorgten. Sturmböen im Flachland und einzelne Orkanböen auf den Berggipfeln
brachte besonders eine durchschwenkende Kaltfront, die vorderseitig eines Kurzwellentroges Unterstützung durch
zusätzliche großräumige Hebung erfuhr. Mit der präfrontal instabil geschichteten Warmluft fiel der Luftmassenwechsel
an der Kaltfront stark konvektiv und bevorzugt nach Süden hin örtlich gewittrig aus. Im Zuge der konvektiven Umlagerungen konnten
die kräftigen Höhenwinde bis zur Erdoberfläche heruntergemischt werden. Trier (RP) maß eine Spitzenböe von 86 km/h,
Leinefelde (TH) mit 83 km/h nur unwesentlich weniger. Sturmböen im Flachland gab es beispielsweise auch in
Straßbourg (F), Potsdam (BB) oder Weißenburg (BY). Gießen in Hessen registrierte sogar eine schwere
Sturmböe von 101 km/h.
Auf der Rückseite von Tief "Burkhard" stießen mit kräftiger Kaltluftadvektion polare Luftmassen südwärts vor. Damit
verschärften sich über dem Nordatlantik die horizontalen Temperaturgegensätze, die eine gut ausgeprägte Frontalzone generierten.
In der oberen Troposphäre intensivierte sich das Starkwindband der Polarfront zu mehreren Jetstreaks. Bodennah näherte sich
von Neufundland her ein zunächst flaches Tief namens "Christian" der hyperbaroklinen Zone über dem Atlantik. Ab dem
27.10. geriet "Christian" nicht nur auf die Vorderseite eines passabel gekrümmten Kurzwellentroges, sondern auch in den Bereich
der wohlformierten Jetstreaks in der oberen Troposphäre. Eine so genannte doppelte Jetkonfiguration führte dazu,
dass sich die Höhendivergenzgebiete zweier Jetstreaks überschnitten. Dies bedeutet nichts anderes, als dass aus einer gedachten vertikalen
Luftsäule viel Masse evakuiert wird und damit kräftiger Druckfall am Boden einsetzt. Über West- und Mitteleuropa
reifte "Christian" zum 28.10. schließlich zu einem Sturm- und Orkantief heran. Allerdings folgte "Christians" Evolution nicht dem
Lebenslauf einer klassischen Polarfrontzyklone nach Bjerknes, sondern entsprach dem konzeptionellen Modell einer
Shapiro-Keyser-Zyklone (siehe unten). Das Tief zog mit seinem Kern von Mittelengland über die Nordsee und das Kattegat nach
Schweden und erreichte am 29.10. Nordwestrussland. Damit legte "Christian" innerhalb nur drei Tage eine über 5.000 Kilometer
lange Strecke vom Seegebiet südlich von Neufundland über Europa bis zur südlichen Barentssee zurück. Solch schnellziehende
Randtiefs südlich von steuernden Zentraltiefs werden in der Meteorologie auch Schnellläufer genannt. "Christians" kleinräumiges,
aber kräftiges
Sturmfeld erfasste mit Schwerpunkt den Süden Großbritanniens, den Norden Frankreichs, die Niederlande, das deutsche Nordseeküstenumfeld,
den Süden und Osten Dänemarks sowie Südschweden. Höchstwahrscheinlich bildete das Orkantief einen so genannten "sting jet" aus,
mit dem Orkanböen von weit über 150 km/h möglich wurden.
Shapiro-Keyser-Zyklone und "sting jet"
Tritt über dem Nordatlantik und im europäischen Raum in der oberen Troposphäre die angesprochene doppelte Jetkonfiguration auf,
so bringen die damit verbundenen großräumigen Hebungsantriebe häufig Shapiro-Keyser-Zyklonen hervor. Neben der klassischen Polarfrontzyklone nach Bjerknes mit den
charakteristischen Frontensystem von Warm-, Kaltfront und Okklusion (Norwegisches Modell), stellt die Shapiro-Keyser-Zyklone ein weiteres
konzeptionelles Modell zur Beschreibung von Tiefdruckgebieten in den mittleren Breiten dar. Zyklonen nach dem Shapiro-Keyser-Modell
kommen ohne Okklusion daher. Die Kaltfront ist meist nur von schwacher Natur, oft nahezu schnurgerade südwärts ausgerichet und besitzt
keine Verbindung zum Tiefkern und zur Warmfront. Zuweilen wird die Kaltfront in Kernnähe sogar bis zur Unkenntlichkeit erodiert.
Stark ausgeprägt ist bei Shapiro-Keyser-Zyklonen dagegen die Warmfront, in manchen Fällen können sogar zwei Warmfronten
beobachtet werden. Nicht selten entstammt diese Art von Tiefdruckgebieten subtropischen Gefilden, daher nehmen Shapiro-Keyser-Zyklonen
auf ihrer Vorderseite naturgemäß energiereiche und feuchtwarme Luftmassen in ihre Zirkulation mit auf. Zu sehen
ist dies auch auf den Karten der pseudopotentiellen Temperatur, die den Feuchteanteil in der Luft mitberücksichtigt und ein
Maß für den Energiegehalt der Luft darstellt. Mit der einbezogenen energiereichen, feuchtwarmen Luft fällt das warme Förderband (warm conveyor belt)
im Bereich der Warmfront entsprechend stark aus, was sich auf Satellitenbildern mit einem massiven Wolkenschild bemerkbar macht.
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Konzeptionelles Modell einer Shapiro-Keyser-Zyklone mit
"sting jet" / © Clarke et al., 2005 |
Charakteristisch für Shapiro-Keyser-Zyklonen ist eine um den Tiefkern sich wickelnde Warmfront. Durch die Anordnung der
Frontensysteme erhält das Tiefdruckgebiet auf Satellitenbildern eine Hammerkopf- oder Pilzform, was ihr auch den Namen
"T-bone-cyclone" einbringt. Bei starken Zyklogenesen kommt es während des Reifestadiums häufig zu einer so genannten
"dry intrusion", einem trockenen, absinkenden Oberstrom, der den Kernbereich überrennt und für eine zusätzliche Intensivierung des
Tiefdruckgebietes sorgt. Auf Satellitenbildern kann die dry intrusion durch den "dry slot" identifiziert werden, der
den Vorstoß trockener Stratosphärenluft bis in die mittlere Troposphäre hinein markiert. Diese Luft entstammt aus Tropopausenfaltungen
am Oberrand der Troposphäre wie sie im Bereich gut ausgeprägter Polarfrontjets vorkommen. Bei Tiefdruckgebieten nach dem
Norwegischen Modell verstärkt der trockene Oberstrom die Wetteraktivität rund um den Kern sowie an der kernnahen Okklusion
und Kaltfront. Die dry intrusion erzeugt hohe potentielle Instabilität, da trockene über feuchtwärmere Luft geschoben
wird. Dies verstärkt die Konvektion und dadurch die Freisetzung latenter Wärme, die der Zyklone weitere Energie zuführt.
Durchströmt nun ein trockener Oberstrom eine Shapiro-Keyser-Zyklone, so wird auch die um den Kern gezwirbelte Warmfront
von sehr trockener Luft stratosphärischen Ursprungs umgeben. Trifft die dry intrusion auf die ohnehin nur schwache
Kaltfront südlich des Zentrums, so ist auf Satellitenbildern häufig zu sehen, dass die Frontbewölkung regelrecht aufgefressen
wird. Ähnliches passiert, meist im Bereich der größten Luftdruckgradienten rückseitig des Tiefdruckkerns,
an der Spitze der umgebogenen Warmfront (back-bent warm front). Dort verdunstet ein Großteil der Warmfrontbewölkung, damit
wird viel Verdunstungskälte produziert. Die diabatische Abkühlung generiert verstärkt Abwärtsbewegungen und labilisiert den dry slot.
Damit kann sich bei Shapiro-Keyser-Zyklonen im Reifestadium vor der Spitze der Warmfront südlich des Tiefkerns ein räumlich relativ eng begrenzter
"sting jet" (engl: sting, deutsch: Stachel)
ausbilden, der bei Erreichen der Erdoberfläche sehr hohe Windgeschwindigkeiten hervorruft. Für die Ausbildung eines sting jets werden zwei Prozesse als nötig angesehen.
Einerseits sorgt die starke diabatische Abkühlung an der Spitze der Warmfront für die entscheidenden Abwärtsbewegungen,
welche die starken Höhenwinde wie auf einer Rutschbahn bis zum Erdboden heruntermischen können. Andererseits kann die so genannte "conditional
symmetric instability" (CSI), welche vertikal schräg angeordnete Konvektion ermöglicht, die Formation eines sting jets
begünstigen. CSI tritt vereinfacht gesagt bei vertikaler Windscherung und gleichzeitig gesättigter Luftsäule auf; beide Voraussetzungen
sind bei Warmfronten von Shapiro-Keyser-Zyklonen erfüllt. Dabei geht man davon aus, dass im absteigenden Ast dieser schrägen
Auf- und Abwinde der Beginn eines sting jets erfolgen kann. Zudem ist es möglich, dass Niederschlag in den trockenen
Abwindbereichen verdunstet und diabatische Abkühlung wiederum die Abwärtsbewegungen beschleunigt. Die Rolle der CSI
bei sting jets ist bis heute nicht vollständig verstanden und ist Gegenstand aktueller Forschung. Der sting jet stößt wie ein
schräger Stachel aus der mittleren Troposphäre in die darunter liegenden Luftschichten vor und tritt an der Spitze der verdunstenden
Wolkenmasse auf.
Die meist schon von stabilisierender bodennaher Kaltluftadvektion geprägten untersten Luftschichten (Grenzschicht) müssen dabei
noch genügend labil sein, um den Höhenwinden ein Durchgreifen bis zum Erdboden zu ermöglichen. Auf Satellitenbildern und
auf dem Niederschlagsradar ist der Einfluss der CSI im Warmfrontbereich an den rippenartigen Strukturen auszumachen. Auch
bei "Christian" waren Hinweise auf CSI im Bereich der Warmfront eindeutig erkennbar.
Analysekarten meteorologischer Parameter mit IR-Satellitenbild am 28.10.2013, 12 UTC |
Quelle: EUMETRAIN |
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300-hPa-Geopot./Bodendruck |
500-hPa-PVA/850-hPa-ThetaE |
Temperaturadvektion |
Luftmasse/PV=1.5-Druckfläche |
Satellitenbilder (Wasserdampfkanal (WV)) am 28.10.2013, 09-18 UTC |
Quelle: B.J. Burton |
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Es liegt nahe, die höchsten Windgeschwindigkeiten von "Christian" einem sting-jet-Ereignis zuzuschreiben.
Einerseits war "Christian" in der äußerlichen Struktur eine bestens formierte Shapiro-Keyser-Zyklone, an deren Warmfrontspitze
der Großteil der Windmaxima auftraten. Andererseits belegen
Analysekarten, dass Luft aus dem trockenen Oberstrom nicht nur in die mittlere Troposphäre vorankam, sondern im Bereich
des sting jets ohne konvektive Umlagerungen bis zur Erdoberfläche durchgereicht wurde. Dies zeigen sowohl Vertikalschnitte
durch den Kernbereich der Zyklone als auch Modellkarten mit Linien gleicher isentroper potentieller Vorticity. Die Fläche mit dem PV-Wert von 1.5
liegt normalerweise im oberen Bereich der Troposphäre nahe der Tropopause. Bei isentropen Vertikalbewegungen ist die
potentielle Vorticity eine Erhaltungsgröße. Mit dem Absinken in der dry intrusion und im sting jet erreichte die PV=1.5-Fläche
ein Druckniveau von rund 800 bis 1000 hPa. Mit anderen Worten gelangten Luftmassen aus der unteren Stratosphäre
mit dem trockenen Oberstrom und mit dem sting jet bis in die untersten Luftschichten nahe der Erdoberfläche.
Den besonders trockenen Bereich lassen auch die Satellitenbilder im Wasserdampfkanal
gut erkennen (Bilder oben). Eng begrenzt an der Warmfrontspitze tritt
der dunkle und damit sehr trockene Bereich eindrucksvoll in Erscheinung. Er zeigt, dass
hier in der gesamten Troposphäre nur sehr wenig Feuchtigkeit vorhanden ist.
Sowohl zeitlich als auch räumlich fällt dieser Bereich genau mit dem Gebiet der
jeweils extremsten Windgeschwindigkeiten zusammen.
Seit dem "Great Storm of 1987" rund um den Ärmelkanal wird der Theorie des sting jets nachgegangen. Bei Durchzug des Orkans wurden
im Süden Großbritanniens und im Norden Frankreichs Windböen über 150 km/h, in der Normandie am Pointe du Roc sogar eine
Spitzenböe von 217 km/h gemessen - außergewöhnlich starke Windgeschwindigkeiten, die mit den Beobachtungen, verbunden mit
den damals bekannten Mechanismen nicht erklärbar waren. Seither sollen einige kräftige europäische Winterstürme
mit schadenbringenden Windböen auf das Konto von sting jets gegangen sein. Unter anderem steht Orkantief
"Friedhelm" im
Dezember 2011 unter Verdacht, über Schottland einen sting jet ausgebildet zu haben. Auf dem Cairngorm Summit in
den schottischen Highlands erreichte der Sturm Windgeschwindigkeiten bis zu 266 km/h. Auch Orkan
"Xynthia" im Februar 2010
soll über West- und Mitteleuropa mit einem sting jet schadenbringende Windböen produziert haben. Über Nordspanien und
Südfrankreich zog im Januar 2009 Orkantief
"Klaus" hinweg, dessen
Spitzenböen um 200 km/h ebenfalls in Zusammenhang mit einem sting jet gebracht werden.
Vertikalschnitte durch den Kernbereich von "Christian"
Vertikalschnitte mit Linien gleicher IPV (violett) und Linien gleicher relativer Luftfeuchte (braun, grün, strichliert)
Quelle: EUMETRAIN |
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28.10.2013, 06 UTC, 0°W |
28.10.2013, 12 UTC, 10°W - 10°E |
Niederschlagsradarbilder
Niederschlagsradarbilder West- und Mitteleuropa |
Quelle: WetterOnline |
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28.10.2013, 10 MEZ |
28.10.2013, 12 MEZ |
28.10.2013, 14 MEZ |
28.10.2013, 16 MEZ |
Satellitenbilder und Animationen
VIS-Satellitenbilder West- und Mitteleuropa |
Quelle: EUMETSAT |
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28.10.2013, 09 MEZ |
28.10.2013, 11 MEZ |
28.10.2013, 13 MEZ |
28.10.2013, 15 MEZ |
Satellitenbilder Europa vom 28.10.2013, 12 UTC |
Quellen: EUMETSAT, F. Valk |
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Meteosat Sichtbarer Kanal (VIS) |
Meteosat Infrarot-Kanal (IR), Luftmassen eingefärbt |
Satellitenbild-Animationen von "Christian" |
Quellen: EUMETSAT, yr.no |
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Europa: 27.10., 15 MEZ bis 28.10., 16 MEZ |
West-/Mitteleuropa: 28.10., 08 MEZ bis 16 MEZ |
Orkanböen über 150 km/h, neue Wind- und auch neue Temperaturrekorde
Während die Niederungen im südlichen Mitteleuropa und in Süddeutschland am 28.10. von Orkantief "Christian" überwiegend nur stürmische
Böen und sehr milde Luft mit Dekadenrekorden in Bayern abbekamen, waren die Gebiete weiter nördlich in Belgien, West-, Mittel-
und Ostdeutschland bereits von Sturm- oder schweren Sturmböen betroffen. Erfurt-Bindersleben (TH) maß eine schwere Sturmböe von
101 km/h, ebenso beispielsweise der Düsseldorfer Flughafen (NW) mit 90 km/h. Außergewöhnlich starke Windextrema erfassten
einen Streifen vom Ärmelkanal über die Niederlande, Norddeutschland, den Süden und Osten Dänemarks bis nach Südschweden,
wo sich im Bereich der maximalen Isobarendrängung im Tagesverlauf zusätzlich ein sting jet ausbildete. Zum 28.10., 6 UTC
lag "Christian" mit einem Kerndruck von 976 hPa über dem Südosten Englands. Am Vormittag hatte es der Süden Großbritanniens
und Nordfrankreich rund um den Ärmelkanal mit Windböen in Orkanstärke zu tun. Direkt an der Küste maß Needles (GB) 159 km/h,
Cap Gris Nez (F) 147 km/h als höchste Windgeschwindigkeit. Auch weiter im Landesinneren wurden Orkanböen oder orkanartige
Böen registriert, z.B. in Odiham (GB) mit 126 km/h oder in Heathrow (GB) mit 113 km/h.
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Mitteleuropa 28.10., 15:00 MEZ: Mittelwinde & Windböen [km/h]
© DWD |
Richtig an Fahrt nahm das Orkantief ab dem späten Vormittag auf, als sich der sting jet entfaltete und für einige Stunden
bis zum Abend in einem recht engen Korridor heftige Windböen mit Geschwindigkeiten über 150 km/h brachte. In den
Niederlanden bließ der Wind am kräftigsten auf den Westfriesischen Inseln. Vlieland nahm eine Windböe von 152 km/h,
Terschelling 141 km/h auf. Um 12 UTC lag "Christian" zur Zeit des tiefsten Kerndrucks mit 967 hPa
über der Deutschen Bucht. In den Nachmittagsstunden erreichte das Sturmfeld unter weiterer Verstärkung Ostfriesland,
später zum Höhepunkt auch Nordfriesland und Schleswig-Holstein. Die größte Windböe in voller Orkanstärke wurde im DWD-Messnetz mit
172 km/h in St. Peter Ording an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste gemessen. Glücksburg Meierwik (SH)
brachte es genauso wie der Kieler Leuchtturm (SH) auf 169 km/h. Von den Bergstationen konnte in Deutschland
der Brocken im Harz mit 163 km/h aufwarten. Während dort solch hohe Windgeschwindigkeiten desöfteren vorkommen,
stellte St. Peter Ording mit den gemessenen 172 km/h einen neuen Stationsrekord auf. Noch nie war es dort seit
Beginn der Messungen derart windig. Private Wetterstationen von Meteomedia hielten auf Helgoland-Oberland und auf
Borkum (NI) sogar eine Spitzenböe von jeweils 191 km/h fest. Auch auf Sylt, Juist und Amrum fegten nach
Messungen im privaten Wetterstationsnetz Orkanböen über 160 km/h hinweg. Landeinwärts wurde der Wind nach Südosten hin
zwar schwächer, dennoch reichte es beispielsweise auch am Hamburger Flughafen mit 119 km/h für Orkanböen. Rückseitig
des Tiefkerns setzten 3-stündige Drucksteigtendenzen bis zu 16,0 hPa bzw. 16,2 hPa in List auf Sylt bzw. in Karup
in der Mitte Dänemarks ein. Zwar sind solche Änderungsraten des Luftdrucks stattlich, können aber alleine nicht vollständig die
außergewöhnlich hohen Windgeschwindigkeiten im Flachland erklären, zumal auch kein Kaltfrontdurchgang erfolgte und kein Trogsektorsturm
einsetzte. Somit erscheint das Mithelfen eines sting jets plausibel. Zum Vergleich
produzierte Orkan "Lothar" am 26.12.1999 als einer der stärksten Schnellläufer-Orkane Europas 3-stündige Druckfall-/Drucksteigtendenzen
von 27,7 hPa/29,0 hPa. Die Folge waren verbreitete Orkanböen bis oder sogar über 150 km/h im süddeutschen
Flachland, in Teilen Frankreichs und in der Schweiz.
Zum frühen Abend erreichte "Christian" den Süden und Osten Dänemarks. Dort wurde in Kegnæs Fyr eine Orkanböe von 193 km/h
gemessen, was einem neuen landesweiten Windrekord gleichkommt. Røsnæs Fyr meldete eine Spitzenböe von 181 km/h, gefolgt von
Gniben mit 168 km/h. Auch in Kopenhagen gab es mit Spitzenwindgeschwindigkeiten von 128 km/h Orkanböen. Røsnæs Fyr
stellte mit einem maximalen Mittelwind von 142 km/h auch in dieser Disziplin einen neuen Landesrekord auf. Kegnæs Fyr
steht mit 139 km/h dem nur wenig nach. Ähnlich stark wie "Christian" fiel über Norddeutschland und Dänemark Orkan "Anatol"
am 03.12.1999 aus. Von "Anatol" stammten auch die bisherigen dänischen Rekorde des höchsten Mittelwindes von 137 km/h sowie
der höchsten Windböe von 185 km/h, beide damals aufgestellt in Rømø. Die stärkste im DWD-Messnetz jemals aufgezeichnete
Windböe an Deutschlands Küsten, mit 184 km/h
registriert während "Anatol" in List auf Sylt, vermochte "Christian" an den offiziellen Wetterstationen aber nicht zu überbieten.
In der Nacht zum 29.10. und am 29.10. selbst beschäftigte das Orkantief unter deutlicher Abschwächung noch Südschweden und
das Baltikum. Orkanböen gab es in Halmstad (S) oder in Vilsandi (EST), allerdings nicht mehr in der Stärke wie am
Vortag. "Christian" gilt in den betroffenen Teilen West- und Mitteleuropas als einer der kräftigsten Winterstürme der letzten Jahre. Mindestens
14 Todesopfer forderte der Orkan. Schwere Sturmschäden, zahlreiche entwurzelte Bäume und Stromausfälle gab es vor allem
in Großbritannien, Nordfrankreich, Norddeutschland, Dänemark, Südschweden, Estland und Lettland. Der Bahnverkehr in
Norddeutschland hatte mit massiven Behinderungen zu kämpfen, auch in Hamburg lief der Zugverkehr nach dem Sturm nur eingeschränkt.
In Schleswig-Holstein fiel gebietsweise die Schule aus, am Flughafen London-Heathrow wurden über 100 Flüge gestrichen.
Ort GB |
Windböe |
Needles (Isle of Wight)
Langdon Bay
Portland
Andrewsfield
Odiham
Southampton
Wattisham
Yeovilton
Heathrow
Manston
|
159 km/h
132 km/h
130 km/h
127 km/h
126 km/h
124 km/h
122 km/h
121 km/h
113 km/h
113 km/h
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Ort F |
Windböe |
Cap Gris Nez
Ouessant-Stief
Cap de la Hève
Boulogne sur Mer
La Hague
Pointe du Raz
Calais
Île de Groix
Brignogan
Brest
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147 km/h
133 km/h
130 km/h
126 km/h
124 km/h
122 km/h
118 km/h
115 km/h
111 km/h
109 km/h
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Ort NL |
Windböe |
Vlieland
Hoorn/Terschelling
De Kooy
Lauwersoog
Houtribdijk
Hoek van Holland
Stavoren
Leeuwarden
Leiden-Valkenburg
Lelystad
|
152 km/h
141 km/h
133 km/h
133 km/h
126 km/h
122 km/h
122 km/h
122 km/h
119 km/h
119 km/h
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Ort D (DWD-Messnetz) |
Windböe |
St. Peter-Ording (SH)
Glücksburg Meierwik (SH)
Kiel-Leuchtturm (SH)
Strucklahnungshörn (SH)
Brocken (ST)
Hallig Hooge (SH)
Büsum (SH)
List/Sylt (SH)
Spiekeroog (NI)
Schleswig/Jagel (SH)
|
172 km/h
169 km/h
169 km/h
166 km/h
163 km/h
162 km/h
159 km/h
157 km/h
157 km/h
155 km/h
|
|
Ort D (Meteomedia) |
Windböe |
Helgoland-Oberland (SH)
Borkum (NI)
Hörnum/Sylt (SH)
List/Sylt-Ellenbogen (SH)
Juist/Flugplatz (NI)
Amrum (SH)
Westerhever (SH)
Norden-Norddeich (NI)
Wilhelmshaven (NI)
Baltrum (NI)
|
191 km/h
191 km/h
182 km/h
181 km/h
170 km/h
163 km/h
161 km/h
150 km/h
150 km/h
144 km/h
|
|
Ort DK/Ostseeraum |
Windböe |
Kegnæs Fyr (DK)
Røsnæs Fyr (DK)
Gniben (DK)
Sönderborg Lufthavn (DK)
Odense (DK)
Gällivare (S)
Halmstad Swedish Air Force (S)
Kopenhagen/Kastrup (DK)
Vilsandi (EST)
Sorve (EST)
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193 km/h
181 km/h
168 km/h
156 km/h
146 km/h
144 km/h
130 km/h
128 km/h
120 km/h
112 km/h
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Dekadenrekorde der Höchsttemperatur für die dritte Oktoberdekade
Datenquelle: DWD |
Ort 22.10.2013 |
Tmax |
alt |
Datum alt |
Cuxhaven (NI) Schwerin (MV) Warnemünde (MV) Oldenburg/Friesoythe-Altenoythe (NI)
Neubrandenburg/Trollenhagen (MV) Lingen (NI) Görlitz (SN) Bad Hersfeld (HE) Meiningen (TH) Trier (RP) Frankfurt/Flgh. (HE)
Bamberg (BY) Rheinstetten (BW) Konstanz (BW) |
20,5 °C 20,2 °C 20,0 °C 21,5 °C 20,5 °C
22,1 °C 21,7 °C 23,0 °C 19,7 °C 23,3 °C 23,8 °C 22,9 °C 23,1 °C 22,6 °C |
20,4 °C 20,1 °C 20,0 °C 21,3 °C 20,3 °C
22,0 °C 21,3 °C 22,9 °C 19,4 °C 23,0 °C 22,7 °C 22,8 °C 20,8 °C 21,9 °C |
29.10.2005 21.10.1989 22.10.1989 29.10.2005
26.10.2006 26.10.2006 22.10.1989 23.10.1989 27.10.1989 28.10.2005 23.10.1943 23.10.1989 21.10.2013
31.10.1994 |
|
Ort 23./26./28.10.2013 |
Tmax |
alt |
Datum alt |
23.10.2013: Greifswald (MV) Ueckermünde (MV) Seehausen (ST)
26.10.2013:
Rheinstetten (BW) München/Flgh. (BY)
28.10.2013:
Regensburg (BY) Straubing (BY) Mühldorf (BY) Konstanz (BW) |
20,9 °C 20,5 °C 20,9 °C
23,3 °C 22,6 °C
22,7 °C 21,8 °C 23,2 °C 22,9 °C |
20,2 °C 20,4 °C 20,9 °C
23,1 °C 22,5 °C
21,1 °C 20,6 °C 22,4 °C 22,6 °C |
22.10.1989 22.10.1989 26.10.2006
22.10.2013 31.10.2001
27.10.1989 29.10.1960 29.10.1960 22.10.2013 |
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Text: DK 31. Oktober 2013
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