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Dienstag, 25. Juni 2013, 15:30 MESZ
Heftige Gewitter, Hitze Mitteleuropa 17.06.-20.06.2013 Gewitterfront bei Karlsruhe (BW) am Abend des 20.06.2013 © Florian Ehmele |
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Mitte Juni 2013 brachte die erste Hitzewelle des Jahres zahlreiche neue Dekaden- und Monatsrekorde der Höchsttemperatur in Mitteleuropa und im Alpenraum. In Deutschland zeigte das Quecksilber bis zu 37,1 °C, in Österreich sogar 38,6 °C. Unwetterartige Gewitter von Frankreich bis in die Slowakei während und am Ende der Hitze verursachten Schäden in Millionenhöhe.
Wetterlage und Entwicklung: Kurze Hitzewelle mit teilweise unwetterartigen Gewittern Die erste mitteleuropäische Hitzewelle im Jahr 2013 stellte sich Mitte Juni ein, als in der großräumigen Strömung nach einer mehrtägigen Westwetterlage ein Höhentrog über Westeuropa südwärts vorstieß und auf dessen Vorderseite sehr warme bis heiße Luftmassen subtropischen Ursprungs nach Mitteleuropa geführt wurden. Ab dem 16.06. kam auf der Ostseite des über der Iberischen Halbinsel liegenden Tiefdruckgebietes "Manni" ein ausgedehnter Warmlufttransport in Gang, der im 850-hPa-Niveau (etwa 1.500 Meter) die 20 °C-Isotherme nordwärts bis zum Alpenraum und Deutschland führte. Die feuchtwarme bis feuchtheiße und damit energiereiche Luftmasse zeigte pseudopotentielle Temperaturen zwischen 55 und knapp 70 °C. Während sich über der Iberischen Halbinsel im Umfeld des Höhentiefs bereits erste kräftige Gewitter entluden, erfolgte in Mitteleuropa ab dem 16.06. ein kontinuierlicher Temperaturanstieg. Am 16.06. maß Rheinfelden in Südbaden das deutschlandweite Temperaturmaximum von 29,9 °C und verfehlte damit denkbar knapp das Kriterium für einen heißen Tag (30,0 °C oder mehr). Doch die Erwärmung machte in den Folgetagen weitere Fortschritte, vom 17.06. bis 20.06. wurden in Mitteleuropa sowie im Alpenraum verbreitet Tageshöchstwerte über 30 °C erreicht, regional auch deutlich über 35 °C. Am 17.06. lag der Hitzeschwerpunkt im Südwesten Deutschlands, den Tageshöchstwert erreichte Friedrichshafen am Bodensee mit 35,7 °C. Am 18.06. weitete sich das Gebiet der wärmsten Temperaturen nach Nordosten aus, auch im Alpenraum legten die Temperaturen noch etwas zu. In der Schweiz stellten die Orte Elm und Meiringen neue Monatsrekorde auf. In Sion wurde mit 36,2 °C der alte Junirekord von 35,1 °C aus dem Jahr 1965 überboten, Altdorf erreichte 34,6 °C und damit nach den 33,8 °C vom 30.06.2003 eine neue Junibestmarke. In Deutschland lieferte die Hitzewelle etliche neue Temperaturrekorde für die zweite Junidekade, dies vor allem im Süden und Osten der Republik. Teilweise gerieten auch Monatsrekorde in Gefahr wie in Oberstdorf am Bayerischen Alpenrand, wo am 18.06. mit Föhnunterstützung mit 33,9 °C ein neuer Junirekord aufgestellt wurde. Die bundesweit höchste Temperatur während der Hitzewelle erreichte Kitzingen in Nordbayern am 18.06. mit 37,1 °C. Zum 20.06. wiesen Sachsen und Bayern die höchsten Temperaturen auf. In Österreich zeigte das Quecksilber an diesem Tag in Waidhofen/Ybbs 38,6 °C, ein neuer Monatsrekord an der Station seit Messbeginn im Jahr 1924 und gleichzeitig neuer bundesweiter Monatsrekord der Höchsttemperatur. Zuvor brachen beispielsweise auch die Stationen in Ried im Innkreis (seit 1872) und am Salzburger Flughafen (seit 1874) mit 34,4 °C bzw. 35,7 °C ihre bisherigen Junirekorde. Insgesamt an knapp 60 österreichischen Wetterstationen stellte die Hitzewelle neue Monatsrekorde auf. Die massive Warmluftadvektion wölbte über Mitteleuropa einen Höhenrücken auf, der Gewitterbildung zunächst unterdrückte. In der hochreichend labil geschichteten Subtropikluft zeigten Radiosondenaufstiege große CAPE-Werte zwischen 2000 und örtlich 3000 J/kg (potentiell verfügbare Konvektionsenergie). Fehlende großräumige Antriebe sowie eine ausreichend hohe CIN (konvektive Hemmung) verhinderten allerdings die großflächige Freisetzung der Labilität.
Allerdings nahm ab dem 17.06. die Gewitterneigung mit dem von Westen her zögerlich herannahenden Höhentief auch in Frankreich und Mitteleuropa stetig zu. Vorderseitig des Höhentroges verursachte vor allem die vertikal zunehmende Advektion positiver Vorticity (Wirbelgröße) großräumige Hebung, die die konvektive Hemmung verringerte und die Bildung von kräftigen Gewittern in der sehr energiereichen Luftmasse ermöglichte. Höhendivergenz verursachte Druckfall am Boden und im Bereich von flachen Tiefdruckgebieten und Tiefdruckrinnen entstanden Frontensysteme, Konvergenzzonen oder Konvergenzlinien, die zum Teil heftige Gewitter auslösten. Im Umfeld der Alpen und Mittelgebirge sorgten thermische Windsysteme für Konvergenzen und für die Entwicklung kräftiger orographischer Gewitter. Am 17.06. erfassten bereits am Vormittag kräftige Gewitter den Nordwesten Frankreichs, auch die Hauptstadt Paris war davon betroffen. Am Nachmittag und Abend bildete sich am Frontensystem von "Manni" über Westfrankreich eine lange, nahezu strömungsparallel ausgerichtete Gewitterlinie. Aus Arvert an der Atlantikküste wurde eine 2-stündige Niederschlagsmenge von 44 mm gemeldet. An einigen Orten fiel 4 cm großer Hagel, in Toury zwischen Orleans und Paris gab es 5 cm großen Hagel. Am 18.06. hielt die Gewitteraktivität über dem Westen und der Mitte Frankreichs weiter an, allerdings fielen die Zellen im Vergleich zum Vortag schwächer aus. Dafür entwickelten sich entlang einer Tiefdruckrinne in Südpolen, Tschechien sowie in Teilen der Slowakei heftige Gewitter, die sich bei hoher Labilität und günstiger Windscherung zu Multizellen und Superzellen organisierten. Viele Meldungen von Großhagel über 5 cm gingen ein. Bei Ciekoty (PL) fielen 7 cm, bei Kowala Mala (PL) sogar 9 cm große Hagelkörner. Gegen Abend bildeten sich in einer südsüdöstlichen Strömung im Lee des Arlbergs, der Glarner und der Appenzeller Alpen mehrere Gewitter, die sich zu Multizellen zusammenschlossen und in der Nordostschweiz bei Zürich 4 bis 5 cm großen Hagel brachten. In Lindau am Bodensee erreichte der Downburst des Gewittersystems orkanartige Stärke. Dort wurde eine Spitzenböe von 115 km/h gemessen. Am 19.06. kamen die Frontensysteme von "Manni" samt vorlaufenden Konvergenzlinien weiter nach Osten voran und lösten in Nordostfrankreich teilweise heftige Gewitter aus. Das markanteste Ereignis war eine Superzelle zwischen der Champagne und dem Burgund, die im Bereich eines rechtsdrehenden Windprofils durch bodennahe Nordostwinde unter einer südsüdöstlichen Höhenströmung entstehen konnte. Gegen 17:40 MESZ wurde die Superzelle tornadoträchtig. Ein EF3-Tornado hatte bei Etrochey in einer 14 Kilometer langen Schneise Bodenkontakt und verursachte erhebliche Schäden. Zu diesem Zeitpunkt erreichte im nahegelegenen Dijon der Taupunkt 23 °C, die sturmrelative Helizität im untersten Kilometer der Troposphäre nach Modellanalysen 132 m²/s². Damit waren die Bedingungen mit großem bodennahen Auftrieb, großer Windscherung sowie niedrigem Kondensationsniveau in der sehr feuchten Luftmasse günstig für die Bildung eines Tornados. Bereits am Vormittag waren auch im Nordwesten Deutschlands einige kräftigere Gewitter unterwegs. Stark aufgelebt hat die Gewitteraktivität aber am Abend entlang einer Konvergenzlinie über Norddeutschland, die von der Nordsee über Bremen bis nach Südniedersachsen reichte und nachfolgend ostwärts bis nach Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt zog. Die Gewitterlinien produzierten kräftige Windböen in Sturmstärke. In Dörnick (SH) wurden 86 km/h gemessen, in Fassberg (NI) waren es 94 km/h. Gebietsweise regnete es auch ergiebig, so in Wittenborn (SH) mit einer 24-stündigen Niederschlagssumme von 68 mm.
Bei der mehrtägigen Unwetterlage entstanden vielerorts Schäden durch Sturm, Überflutungen, vollgelaufene Keller oder Hagelschlag. Oft mussten Feuerwehr oder Polizei ausrücken und Straßen gesperrt werden, im Bahnverkehr gab es massive Verspätungen. Zehntausende Menschen waren zeitweise ohne Strom. Die Schäden werden auf mehrere Millionen Euro geschätzt.
Markante Wetterwerte
25. Juni 2013 |