Mitte März 2013 ereignete sich eine kräftige Zyklogenese über Osteuropa. Tief "Xaver" brachte
vom zentralen Mittelmeerraum bis in den Süden der Ukraine mit Gewittern durchsetzte Starkregenfälle. Weiter nördlich
schneite es in einem Streifen vom Balkan über Osteuropa bis nach Westrussland ergiebig. Die Schneefälle verursachten
massive Verkehrsbehinderungen und Stromausfälle. Unwetter in Südosteuropa deckten Hausdächer ab und riefen
größere Sturmschäden hervor.
Wetterlage und Entwicklung
Nahezu der gesamte europäische Kontinent befand sich Mitte März 2013 unter einem ausgedehnten und stark
amplifizierten Langwellentrog. Seine Achse erstreckte sich zum 13.03. von Skandinavien über Mitteleuropa bis
nach Südspanien und weiter nach Marokko. Nahe der Trogachse bildete sich im Umfeld der Straße von Gibraltar
im Bereich großer Temperaturgegensätze ein Starkwindband in der oberen Troposphäre aus. Der Jetstreak erreichte in 9 Kilometer
Höhe maximale Windgeschwindigkeiten um 150 Knoten (278 km/h). Die Initialzündung für die kräftige
Zyklogenese gab ein massiver Kaltlufteinbruch über dem westlichen Mittelmeerraum, welcher zuvor über West- und
Mitteleuropa einen außergewöhnlich kalten und schneereichen Spätwintereinbruch auslöste
(siehe auch Artikel).
Die einbrechende Kaltluft rief in Südfrankreich einen kräftigen Mistral und Tramontane hervor. Nach dem strömungsverengten
Gebiet zwischen den Pyrenäen und den Westalpen konnte sich das Tiefdruckgebiet "Xaver" in dem von Geschwindigkeitskonvergenz
geprägten Gebiet über dem Löwengolf reintensivieren. Zudem kam die Kaltluft über Südwesteuropa trogrückseitig wesentlich
schneller voran als im Lee des blockierenden Alpenbogens. Somit bauten sich im westlichen Mittelmeerraum große
Temperaturgegensätze auf. Die Troposphäre wurde stark baroklin - ein atmosphärischer Zustand, der eine Tiefdruckentwicklung
generell möglich macht und begünstigt.
500-hPa-Geopotential und 850-hPa-Temperatur | Quelle: Wetterzentrale |
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14.03.2013, 00 UTC |
15.03.2013, 00 UTC |
16.03.2013, 00 UTC |
17.03.2013, 00 UTC |
Bis zum 17.03. verlagerte sich der umfangreiche und weit nach Süden ausgreifende Höhentrog über den gesamten Mittelmeerraum
ostwärts bis zum Kaspischen Meer.
Vorderseitig des Langwellentroges fand "Xaver" ideale Entwicklungsbedingungen vor. Das Heranführen positiver Wirbelgröße,
die sogenannte mit der Höhe differentielle positive Vorticityadvektion, sowie kräftige Warmluftadvektion sorgten für
Druckfall. Außerdem wurde in der Höhe im Bereich des linken Jetauszuges durch sogenannte ageostrophische Querbewegungen zusätzlich
Masse aus der darunter liegenden Luftsäule evakuiert. Dies verstärkte den Druckfall am Boden und "Xaver" entwickelte sich zu
einem ausgedehnten Sturmtief über Osteuropa mit einem Kerndruck unter 985 hPa. Niedertroposphärisch gelangte auf der
Rückseite des Systems labil geschichtete polare Kaltluft in den Mittelmeerraum, in der von Spanien über Italien bis zum südlichen Balkan Schauer und Gewitter
entstanden. Weitaus imposanter war aber ein massiver Warmluftvorstoß auf der Vorderseite von "Xaver", der subtropische
Luftmassen nordafrikanischen Ursprungs vor allem in der Höhe weit nordwärts bis zum Nordrussischen Landrücken und bis zum Ural
führte. Im 850-hPa-Niveau, etwa 1.500 Meter entsprechend, zeigte sich die +20 °C-Isotherme als breite Zunge von
Ägypten bis zur Südtürkei und bis in den Nahen Osten. Über 20 °C tauchten in numerischen Analysen sogar weiter nördlich
im Lee des Kaukasus auf. Weite Teile der Ukraine und Südrusslands lagen unter der +15 °C-Isotherme, was die
Mächtigkeit des Warmlufttransportes unterstreicht. Demgegenüber stand polare Kaltluft, im 850-hPa-Niveau zwischen -10 und -15 °C
temperiert, die rückseitig von Tief "Xaver" in die Zirkulation miteinbezogen wurde. Im Übergangsbereich beider extremen Luftmassen
sorgten großräumige Hebungsprozesse für ergiebige Schneefälle, dies vor allem auf der Vorderseite der Warmfront und im
Bereich der Okklusion.
Im Vorfeld der Kaltfront, die aufgrund strömungsparalleler Ausrichtung kaum nach Osten vorankam, entluden sich im instabilen
Warmsektor von der Adria bis in die Ukraine teilweise kräftige Gewitter. Die Satellitenbilder zeigen die
große Ausdehnung von "Xaver" über Osteuropa. Am deutlichsten ist das Frontensystem am Mittag des 15.03. zu erkennen.
Östlich und nördlich des Drehzentrums über der Ukraine zeigt der Wolkenschirm die Umgebung der Warmfront, die Okklusion reicht
südwestwärts bis zur Adriaküste. Schmäler und linienförmiger erstreckt sich die Kaltfront nach Süden bis zur Ägäis.
Meteosat-10 Satellitenbilder sichtbarer Kanal (VIS) | Quelle: F. Valk / Eumetsat |
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14.03.2013, 12 UTC |
15.03.2013, 12 UTC |
16.03.2013, 12 UTC |
17.03.2013, 12 UTC |
Unwetter mit Starkschneefällen und Sturm in Osteuropa
Zum Reifestadium des Tiefs entluden sich zunächst kräftige Gewitter mit ergiebigen Regenfällen vor allem in Süditalien,
auf Sizilien und über dem südlichen Balkan. In Bar an der montenegrinischen Küste kamen im Luv der Dinariden am 14.03.
in nur 6 Stunden 56 mm zusammen. Einen Tag später verlagerten sich die Gewitter gekoppelt an die Kaltfront ostnordostwärts und fielen in
einem Korridor von Serbien über Bulgarien und Rumänien bis in den Süden der Ukraine teilweise unwetterartig aus.
Bei Durchzug der Gewitter wurden in Kordjali und in Veliko Tarnovo, beide Orte in Bulgarien gelegen, jeweils Orkanböen bis
122 km/h registriert. Andernorts reichte es für schwere Sturmböen (siehe Tabelle).
Weiter im Osten sorgte die angezapfte Nordafrikaluft für hohe Temperaturen.
Auf der Halbinsel Sinai stieg das Quecksilber in der nordägyptischen Stadt El Arish am 15.03. auf +38,5 °C. Ähnlich heiß
wurde es Beirut im Libanon mit +36,1 °C. Für die Region und Jahreszeit außergewöhnlich warm wurde es in der Nordtürkei in
Carsamba. Dort konnte im föhnigen Lee des Pontischen Gebirges eine Tageshöchsttemperatur von +32,0 °C verbucht werden.
Auch im Osten der Ukraine machte sich die Warmluft mit zweistelligen Plusgraden deutlich bemerkbar. Wärmster Ort des
Landes war Simforopol am Schwarzen Meer mit einem Tagesmaximum von +19,2 °C. In der Nacht zum 16.03. vermochte
die Temperatur im georgischen Kutaisi nicht unter +20,6 °C zu sinken. Damit erlebte die Stadt im Kaukasus mit
Föhnunterstützung eine tropische Nacht (Tagestiefsttemperatur größer gleich +20,0 °C).
Gleichzeitig setzten zum 15.03. in der tiefrückseitig einfließenden Kaltluft kräftige Schneefälle ein.
Am meisten Schnee gab es in einem Streifen von der Ostküste der Adria über Ungarn und den Westen Rumäniens bis
in den Südosten Polens und den Westen der Ukraine. Ebenso in Weißrussland sowie im Westen Russlands schneite es ergiebig.
Verbreitet wurden Neuschneesummen zwischen 10 und 30 cm beobachtet. In Gorki im Osten Weißrusslands fiel allein in
12 Stunden bis zum 15.03., 18 UTC 26 mm Niederschlag durchweg als Schnee. Das macht einen Neuschneezuwachs
von rund 30 cm während eines halben Tages. Durch die markante Tiefdruckentwicklung vergrößerte sich der Druckgradient und
der Wind lebte im gesamten Osteuropa kräftig auf. Sturmböen wie beispielsweise in Baranovici in Weißrussland führten zu starken
Schneeverwehungen (siehe auch Tabelle). In Westrussland kamen zu der schon bestehenden Schneedecke etwa 20 bis 30 cm Neuschnee
hinzu. Am 17.03. erreichte Vjazma eine Schneehöhe von 79 cm, in Moskau lagen 60 cm. Ähnlich ergiebige Schneefälle in einem
März gab es dort das letzte Mal vor etwa 50 Jahren.
Auf den Satellitenbildern vom 16. und 17.03.
treten die schneebedeckten Gebiete in Osteuropa abseits der Wolkenfelder weiß-grau hervor.
WETTERWERTE:
Links: Schneehöhen Osteuropa am 16.03.2013, 06 UTC
Mitte: Schneehöhen Westrussland am 17.03.2013, 06 UTC
Rechts: Maximale Windböen Osteuropa am 14./15.03.2013
Datenquelle: DWD |
Ort 16.03.2013 |
Schnee |
Pinsk (BY) Miskolc (H) Rzeszow (PL) Lviv (UA)
Shepetivka (UA) Kiew (UA) Stropkow (SK) Szolnok (H) Elhovo (BG) |
38 cm 35 cm 30 cm
29 cm 23 cm 20 cm 18 cm 15 cm 9 cm |
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Ort 17.03.2013 |
Schnee |
Vjazma Tver Pudoz Klin
Smolensk Kasin Belyj Ostaskov Moskau |
79 cm 75 cm 73 cm
71 cm 70 cm 69 cm 64 cm 61 cm 60 cm |
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Ort 14./15.03. |
Böe |
Veliko Tarnovo (BG) Kordjali (BG) Vrsak (SRB) Stip (SRB)
Rousse (BG) Burgas (BG) Varna (BG) Vinuytsia (UA) Baranovici (BY) |
122 km/h 122 km/h 101 km/h
101 km/h 101 km/h 97 km/h 90 km/h 86 km/h 83 km/h |
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Schneehöhen Osteuropa [cm] | Quelle: DWD |
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16.03.2013, 06 UTC |
17.03.2013, 06 UTC |
Die ergiebigen Schneefälle stürzten vor allem Ungarn in ein Verkehrschaos. Meterhohe Schneeverwehungen und Schneemassen
blockierten Straßen und Autobahnen. Für die Bergung der Autos rückten schweres Gerät und Panzer an. Tausende Haushalte waren
ohne Strom, für eingeschlossene Autofahrer und Reisende wurden Notunterkünfte eingerichtet. Im Südosten Polens legte der
Schneesturm komplett das öffentliche Leben lahm. Im gesamten Schneefallgebiet gab es beträchtliche Behinderungen im
Bahnverkehr. In Bulgarien deckten die Unwetter Hausdächer ab und riefen größere Sturmschäden in der Forstwirtschaft hervor.
Betroffen waren vor allem die Regionen Gabrowo und Triawna. Ausläufer von Tief "Xaver" beschäftigte mit kräftigen
Regen- und Schneefällen auch Kasachstan. Der dorthin geplante Rückflug von drei ISS-Raumfahrern musste aufgrund des schlechten Wetters
kurzfristig verschoben werden.
Bilder und Auswirkungen von Tief "Xaver" in Bulgarien | Quelle: btv.bg |
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Bei Tryavna, 16.03. | © btv.bg |
Ort Boriki, 16.03. | © btv.bg |
Sturmschaden, 16.03. | © btv.bg |
Text: DK 18. März 2013
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