Temperaturen unter Null Grad und länger anhaltender Regen - das waren die Zutaten für
eine ausgeprägte Glatteislage, die insbesondere im Südwesten Deutschlands
am 20. Januar 2013 für teilweise erhebliche Behinderungen sorgte.
Vereiste Böden und Oberleitungen erschwerten ein Fortkommen,
mancherorts wurde der Straßenbahnverkehr eingestellt, am größten
deutschen Flughafen in Frankfurt/Main ruhte einige Stunden der Betrieb.
Übersicht
Glatteis oder Eisglätte sind
im mitteleuropäischen Winter nichts Ungewöhnliches.
Meist kommt es zu Eisglätte durch
überfrierende Nässe, wenn nach einem vorangegangenen Regenereignis
in der Nacht oder am Morgen der Himmel aufklart und sich der Boden
durch Ausstrahlung kräftig abkühlen kann. Das am Boden anhaftende Wasser
gefriert dann zu Eis. Nichts anderes bewirkt Schmelzwasser, das bei Sonneneinstrahlung
gern von Schneeflächen oder Schneehäufen am Straßen- oder Wegesrand
fortrinnt und plötzlich zu Eis gefriert, sobald die Sonne verschwunden ist.
Weniger häufig sind solch ausgeprägte Glatteislagen,
wie sie große Teile Südwestdeutschlands am Wochenende 19.-21.01.2013
erlebten. Die Kombination aus Temperaturen im Frostbereich und gebietsweise mehrere Stunden anhaltendem
Regen führte großflächig zu Glatteis, das auf Straßen, Wegen, an Oberleitungen,
an Gegenständen und selbst auf der noch vorhandenen Schneedecke eine teilweise
zentimeterdicke Eisschicht bildete und sogar Schlittschuhlaufen möglich machte.
6-stündige Bodendruckanalysen vom 19.01., 18 UTC, bis 21.01.2013, 00 UTC | Quelle: www.dwd.de
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19.01.2013, 18 UTC |
20.01.2013, 00 UTC |
20.01.2013, 06 UTC |
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20.01.2013, 12 UTC |
20.01.2013, 18 UTC |
21.01.2013, 00 UTC |
Temperatur
Ein winterlicher Witterungsabschnitt hatte Mitteleuropa mit zwar nicht extrem kalten
aber doch auch tagsüber frostigen Temperaturen schon etliche Tage
im Griff. Am 19. lag nahezu im ganzen Land eine geschlossenen Schneedecke mit
einer Mächtigkeit von zumeist 5 bis 20 cm.
Auf der Vorderseite des kräftigen Tiefdruckgebiets "Gong", das zuvor
in Portugal und Spanien für heftige Wettererscheinungen und einigen Schaden
verantwortlich war, intensivierte sich im Verlauf des 19. der Transport von
Warmluft in der Höhe Richtung Mitteleuropa.
Am Abend des 19. wurden über Süd- und Südwestdeutschland
im 850 hPa-Niveau (ca. 1500 Meter) bereits Temperaturen um Null Grad analysiert.
In den Alpen hatte sich in einigen Tälern bereits einige Stunden zuvor schon
Föhn durchgesetzt und die Temperaturen auf deutlich über Null Grad steigen lassen (z.B. Chur
in Graubünden mit 5.6°C).
Im Laufe der Nacht zum 20.01. machte die Erwärmung
in der Höhe weitere Fortschritte und bis zum Morgen
überdeckte das Gebiet mit positiven Temperaturen im 850 hPa-Niveau Südostfrankreich,
den Westen Österreichs und in Deutschland die Gebiete südlich des Mains;
örtlich konnten mehr als +5°C analysiert werden.
Bodennah hingegen war von der Höhenwarmluft kaum etwas zu bemerken.
Die extrem stabile Schichtung der untersten Troposphäre
zeigte sich in Temperaturgradienten von mehr als 10K,
um 06 UTC beispielsweise meldete Holzkirchen südlich
von München eine Temperatur von -7.5°C, nicht weit entfernt Mittenwald, etwas
weiter südlich und höher gelegen, eine Temperatur von +4.1°C.
Ähnliche starke vertikale Temperaturzunahmen mit der Höhe (Inversion) traten überall in Baden-Württemberg und Bayern auf.
Die träge und schwere Kaltluft konnte sich auch am Tage des 20. fast überall
in Deutschland in den tiefen Lagen halten.
Es fehlte an Wind und an Sonneneinstrahlung, die beide die Inversion
zumindest gebietsweise hätten abschwächen oder auflösen können.
Plusgrade traten bis 18 UTC lediglich vereinzelt im mittleren und südlichen Schwarzwald auf,
sowie am Alpenrand und gebietsweise im Bayerischen Wald; auch in Mannheim
schaffte das Thermometer den Sprung in den positiven Temperaturbereich (+0.6°C).
Im großen Rest des Landes betrugen die Tageshöchstwerte der Temperatur
zwischen -1 und -5°C.
Im Lauf der Nacht verlagerte sich die positive Wärmeanomalie über Mitteleuropa
hinweg süostwärts; bis zum Morgen des 21. lenkte der Tiefdruckkomplex, der sich mittlerweile
vom Ärmelkanal bis nach Mittelitalien erstreckte,
wieder deutlich kältere Luft heran. Um 06 UTC lagen die Temperaturen über
Deutschland im 850 hPa-Niveau wieder überall unter -5°C, vom äußersten Südosten einmal
abgesehen.
6-stündige 850hPa-Geopotentialanalysen und 850hPa-Temperatur vom 19.01., 12 UTC, bis 21.01.2013, 06 UTC | Quelle: www.wetter3.de
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19.01.2013, 12 UTC |
20.01.2013, 18 UTC |
20.01.2013, 00 UTC |
20.01.2013, 06 UTC |
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20.01.2013, 12 UTC |
20.01.2013, 18 UTC |
21.01.2013, 00 UTC |
21.01.2013, 06 UTC |
Niederschläge
Die in Bodennähe dauerfrostigen Temperaturen alleine
beschwören noch keine Glättesituation herauf. Dazu bedarf es eines
ausgedehnten Niederschlagsgebietes, das großflächig und anhaltend
Regen bringt. Mit der nach Mitteleuropa vordringenden Warmluft in der Höhe
ergab sich ein massiver Hebungsantrieb. Durch diese sog. Schichtdickenadvektion
kommt es in der mittleren Troposhäre zu einer Hebung der Luftschichten,
die letztlich zu Wolkenbildung und Niederschlag führt. Nebenstehende Abbildung
zeigt eindrucksvoll die Warmluftadvektion (rote Farbtöne), die über
weiten Teilen Mitteleuropas analysiert werden konnte. Dieser Antrieb kann
hier als der wesentliche Beitrag zu Wolkenbildung und Niederschlag angesehen werden.
Die untenstehenden Radarbilder lassen das Hebungs- und Niederschlagsgebiet
erkennen, wie es sich von Süden her immer weiter nach Norden
über Deutschland hinweg ausbreitet. Die ersten Regentropfen fielen bereits am Abend
des 19. ganz im Südwesten Deutschlands. Bis zur Nacht zum 21. griffen die Niederschläge
über den Mittelgebigrsraum hinaus nordwärts aus. Regen trat dabei in einem Gebiet südlich
etwa von Franken bis ins Rheinland auf, nördlich davon blieb es überwiegend bei Schnee.
Dort stiegen in der Höhe die Temperaturen zwar auch deutlich an, blieben jedoch um oder unter Null Grad,
so dass der Niederschlag durchgehend durch Luftschichten mit negativen Temperaturen fallen konnte.
Vor allem in Baden, Südhessen und Teilen von Rheinland-Pfalz jedoch regnete es teilweise
kräftig. In der etwa zwischen 1000 und 2000 Meter vorhandenen Warmluft
schmolz der Schnee zu Regentropfen, die dann zwar weiter unten wieder in die Frostluft eindrangen,
sich dort aber nicht wieder in Schnee verwandeln konnten. Am Boden kamen entweder Eiskörner
an oder (unterkühlte) Regentropfen, die sofort bei ihrem Auftreffen auf die
kalten Oberflächen zu Eis gefroren und eine zum Teil dicke Eisschicht ausbildeten.
Die Niederschläge summierten sich zu Mengen von gebietsweise mehr als 10 mm innerhalb von 24 Stunden,
vor allem in Rheinhessen, und von Süd- und Osthessen bis ins westliche Thüringen und
hin zum Sauerland. Die größte Menge registrierte die Station in Schlüchtern
zwischen Frankfurt/Main und Fulda mit 27.6 mm.
Am Sonntag Nachmittag und -abend legte die Niederschlagsintensität über der Mitte Deutschlands zu,
hier wirkte sich zusätzlich die mit einer Bodenfront südostwärts vordringende höhenkältere Luft
niederschlagsunterstützend aus.
In der Nordhälfte des Niederschlagsgebietes schneite es anhaltend mit
Neuschneezuwächsen von örtlich mehr als 10 cm (siehe Karten unten).
Radarbilder
Radarbilder vom 19.01., 21 UTC, bis 21.01.2013, 03 UTC | Quelle: www.dwd.de
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19.01.2013, 21 UTC |
20.01.2013, 03 UTC |
20.01.2013, 09 UTC |
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20.01.2013, 15 UTC |
20.01.2013, 21 UTC |
21.01.2013, 03 UTC |
Satellitenbilder
IR-Satellitenbilder vom 19.01. bis 20.01.2013 | Quelle: www.woksat.info/wos.html
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19.01.2013, 21 UTC |
20.01.2013, 03 UTC |
20.01.2013, 09 UTC |
Wetterwerte
Wetterwerte; links: 24-h-Neuschnee 20.-21.1.2013 jeweils 06 UTC, Mitte: Höchsttemperatur am 20.01.2013,
06-18 UTC, links: 24h-Niederschlagssumme 20.-21.12.2013, jeweils 06 UTC | Datengrundlage:
www.dwd.de
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24h-Neuschnee bis 21.01., 06 UTC |
Tmax am 20.01., 06-18 UTC |
24h-Niederschlag bis 21.01., 06 UTC |
Schaubild - Temperaturverlauf
Untenstehendes Schaubild gibt Auskunft über den Temperaturverlauf
an 5 ausgewählten Stationen in Süddeutschland. Für die Station Darmstadt wurden zusätzlich
die Stundenwerte des Niederschlags mit aufgenommen.
Bereits vor Ankunft der Warmluft in der Höhe machte sich
zumindest an und in den Alpen die südliche Strömung mit Föhn bemerkbar,
der sich beispielsweise
in Mittenwald am 19. zwischen 14 und 15 UTC durchsetzte, als
die Temperatur innerhalb einer Stunde von -1 auf +3°C anstieg.
Der Feldberg im Schwarzwald (1486 m) als Deutschlands südwestlicher Vorposten
bemerkte die Ankunft der Warmluft zuerst; am 19. ab 18 UTC begann das Thermometer
mit einem steten Anstieg, der Nulldurchgang erfolgte gegen 22 UTC und die höchste Temperatur
konnte am 20. gegen 09 UTC verzeichnet werden. Das Eintreffen der höhenkalten Luft
markiert der rasante Temperaturrückgang ab 19 UTC.
Einen ganz ähnlichen Temperaturverlauf zeigt als östliches Pendant zum Feldberg der Große
Arber im Bayerischen Wald (1436 m), allerdings mit einem zeitlichen Verzug von etwa 12 Stunden.
Dort wurde es erst am 20. gegen 21 UTC am wärmsten, die Temperatur betrug ebenfalls rund +4°C.
Nahezu gänzlich unbeeindruckt von den Vorkommnissen 1000 Meter weiter oben zeigte sich
beispielsweise Ulm. Dort verharrte die Temperatur die ganze Zeit zwischen -5 und -7°C,
erst gegen Ende des Beobachtungszeitraums am Morgen des 21. bewirkte
auch an der Donau die Ankunft der etwas labiler geschichteten und dadurch
besser durchmischten höhenkälteren Luft einen geringfügigen Temperaturanstieg.
Das Rhein-Main-Gebiet war besonders vom Eisregen betroffen und die Temperatur- und Niederschlagsverhältnisse
von Darmstadt geben hierüber beredt Auskunft.
Das Thermometer kam in Darmstadt zu keiner Zeit über Null Grad C hinaus,
wenngleich auch dort ab dem späten Vormittag des 21. der Temperaturverlauf
die Ankunft der neuen etwas labileren Luftmasse mit einem deutlichen
Temperaturanstieg verrät. Die Temperaturkurven von Darmstadt und Feldberg/Schwarzwald verlaufen
in etwa entgegengesetzt.
In Darmstadt regnete es bereits am frühen Morgen des 20. nennenswert,
die größten Mengen mit Stundenwerten von 3 mm wurde jedoch
am Nachmittag verzeichnet.
Temperaturverlauf (Stundenwerte) an 5 Stationen in Süddeutschland im Zeitraum von 19.01.2013, 12 UTC, bis
21.01.2013, 06 UTC, sowie die Stundenwerte des Niederschlags in Darmstadt.| Datengrundlage: www.dwd.de |
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Temperaturverlauf an 5 Stationen in Süddeutschland |
Wettermeldungen;
Top 24h-Niederschlagssummen in Deutschland (20.-21.01.2013, 06-06 UTC);
Auswahl an Höchstwerten der Temperatur am 20.01.2013 (06-18 UTC);
Top 24h-Neuschneemengen in Deutschland (20.-21.01.2013, 06-06 UTC);
Auswahl an Gesamtschneehöhen am 21.01.2013 (06 UTC);
Datengrundlage: www.dwd.de |
Ort |
RR |
Schlüchtern (HE)
Aura im Sinngrund (BY)
Wächtersbach (HE)
Oberleichtersbach-Modlos (BY)
Gedern-Schönhausen (HE)
Kahl/Main(BY)
Gründau-Breitenborn (HE)
Rheinstetten (BW)
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27.6 mm
21.9 mm
21.8 mm
21.2 mm
18.9 mm
18.2 mm
18.1 mm
4.1 mm
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|
Ort |
Tmax |
Altdorf (449 m, Schweiz)
Elm (965 m, Schweiz)
Mittenwald (920 m, BY)
Garmisch (719 m, BY)
Reit im Winkl (685 m, BY)
Feldberg/Schwarzw. (1486 m, BW)
Großer Arber (1436 m, BY)
Rheinstetten (116 m, BW)
|
12.5°C
10.0°C
9.6°C
7.2°C
6.7°C
4.5°C
4.0°C
-0.1°C
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Ort |
SD neu |
Sandberg (BY)
Bad Berleburg-Stünzel (NW)
Medebach-Berge (NW)
Enger (NW)
Vöhl-Buchenberg (HE)
Twistetal-Mühlhausen (HE)
Birx/Rhöhn (TH)
Rheinstetten (BW)
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17 cm
16 cm
16 cm
16 cm
15 cm
15 cm
14 cm
2 cm
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Ort |
SD |
Bregenz (A)
Wien-Schwechat (A)
Temelin (CZ)
Eisenach (TH)
Köln-Bonn (NW)
Paris-Orly (F)
London-Heathrow (GB)
Rheinstetten (BW)
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30 cm
29 cm
28 cm
19 cm
14 cm
13 cm
5 cm
5 cm
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Auswirkungen
Fast in ganz Südwestdeutschland traten am 20. erhebliche Behinderungen im Straßen,-
Schienen- und Luftverkehr auf.
Vereiste Oberleitungen führten in manchen Städten (z.B. Heidelberg, Karlsruhe)
zum Stillstand der Straßenbahnen.
Selbst Räum- und Streudienste hatten manchmal ihre Schwierigkeiten
im Kampf gegen massive Eisschichten auch auf Autobahnen, von denen
einige Streckenabschnitte gesperrt werden mussten (z.B. A5 südlich von Karlsruhe).
Am Flughafen Frankfurt/Main ruhte am Nachmittag des 20. zeitweilig der Betrieb.
Schnee und Eis führten auch am 21. noch vielerorts zu Unfällen und
Behinderungen auf Straßen und Flugausfällen an etlichen deutschen (und europäischen)
Flughäfen.
Auf eine detaillierte Zusammenstellung aller Behinderungen und Beeinträchtigungen
soll hier verzichtet werden; an dieser Stelle sei auf die verschiedenen Pressemitteilungen
und -artikel in Print und Online-Medien verwiesen.
Glatteisimpressionen aus Pirmasens (linkes Bild) und Karlsruhe, 20.01.2013
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© Kai-Uwe Nerding |
© Kai-Uwe Nerding |
© Adrian Leyser |
Text: BM
21. Januar 2013
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