Extreme Trockenheit zeichnete den Herbst 2011 in Mittel- und Osteuropa aus. In Deutschland avancierte der November zum
trockensten seiner Art seit Beginn der Messungen im Jahre 1881, an manchen Orten fiel kein einziger Tropfen Regen. Vor allem
in den höheren Lagen schien dazu ausgiebig die Sonne, die Monatsmitteltemperaturen lagen teilweise mehr als 5 Kelvin über den
langjährigen Mittelwerten.
Wetterlage und Entwicklung
Zum Ende der letzten Oktoberdekade 2011 stellte sich über dem europäischen Raum eine Wetterlage ein, die eine außergewöhnlich
große Erhaltungsneigung aufwies und in ihren Grundzügen bis Ende November Bestand hatte. Dabei stand Tiefdruckgebieten über
dem nahen Nordatlantik durchweg hoher Luftdruck über Osteuropa gegenüber. Dazwischen wurde mit einer südlichen Strömung
überwiegend milde bis sehr milde Luft nach West- und Mitteleuropa geführt. So lagen die Temperaturen im 850-hPa-Niveau,
etwa 1.500 Meter Höhe entsprechend, zwischen dem 28. Oktober und dem 17. November über Deutschland fast ununterbrochen
deutlich über +5, zeitweilig auch bei mehr als +10 °C und am 05.11. über Teilen Baden-Württembergs und Bayerns sogar
bei +16 °C (siehe Artikel). Frontensysteme atlantischer Tiefs griffen nur in
sehr abgeschwächter Form auf Mitteleuropa über. Sie vermochten kaum gegen den hohen Luftdruck im Osten anzukommen, der durch
einen ausgeprägten Hochdruckrücken in höheren Schichten der Troposphäre gestützt wurde. Die Höhenströmung wies - mal mehr,
mal weniger ausgeprägt - die Konturen des griechischen Buchstabens Omega auf, mit langwelligen Trögen über dem Nordatlantik
und dem äußersten Osten Europas / Westrussland sowie hohem Geopotential dazwischen. Aufgrund der Wellenlänge der beteiligten
Gebilde zählen solche Strömungsmuster zu den stabilen Wetterlagen; zudem wurde der Rücken immer wieder regeneriert und von
Westen her neu aufgebaut.
Bodendruckanalysen vom 20.10. bis 05.11.2011 | Quelle: FU Berlin / DWD |
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20.10.2011, 00 UTC |
25.10.2011, 00 UTC |
30.10.2011, 00 UTC |
05.11.2011, 00 UTC |
850-hPa-Geopotential und -Temperatur vom 20.10. bis 05.11.2011 | Quelle: Wetterzentrale |
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20.10.2011, 00 UTC |
25.10.2011, 00 UTC |
30.10.2011, 00 UTC |
05.11.2011, 00 UTC |
Aus dem Bereich hohen Luftdrucks über Osteuropa kristallisierten sich fortlaufend Schwerpunkte heraus, die entsprechend ihres
Entstehens auf neue Namen getauft wurden. Die Reihe der benannten Hochdruckgebiete reichte von "Ulla" am 19.
Oktober über "Viola", "Walli", "Xenia" und "Yana" bis zu "Zoey" am 21.
November. Die Anzahl der Hochs lässt eine in stetigem Wandel begriffene Wetterlage vermuten; tatsächlich entstanden diese
immer auf ganz ähnliche Weise und an ähnlicher Position an der Nordostflanke des sich ständig regenerierenden Hochdruckrückens.
Bodendruckanalysen vom 10. bis 25.11.2011 | Quelle: FU Berlin / DWD |
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10.11.2011, 00 UTC |
15.11.2011, 00 UTC |
20.11.2011, 00 UTC |
25.11.2011, 00 UTC |
850-hPa-Geopotential und -Temperatur vom 10. bis 25.11.2011 | Quelle: Wetterzentrale |
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10.11.2011, 00 UTC |
15.11.2011, 00 UTC |
20.11.2011, 00 UTC |
25.11.2011, 00 UTC |
Insgesamt stellte sich fast während des gesamten Zeitraumes eine markante Inversionslage ein mit Sonne und recht hohen
Temperaturen auf den Bergen und vielfachem Nebel und Hochnebel in den Niederungen. Dort blieb es oftmals kühl, während in
höheren Lagen nicht selten zweistellige Plusgrade gemessen wurden. So konnten auf dem Feldberg im Schwarzwald (1.493 m) an
fünf Tagen im November Höchsttemperaturen von +10,0 °C oder mehr gemessen werden, an nur zwei Tagen trat Frost auf.
Ähnlich mild verlief der Monat auf dem Brocken im Harz (1.142 m) und dem Fichtelberg im Erzgebirge (1.215 m), auch wenn an
diesen Stationen etwas häufiger leichter Frost verzeichnet werden konnte (s. Grafiken). Extrem fielen die
Monatsmitteltemperaturen aus, die mehr als 5 Kelvin über den sonst im November üblichen Werten lagen. Der Feldberg
bilanzierte mit einer positiven Abweichung von 6,1 Kelvin, Brocken und Fichtelberg warteten mit einem Temperaturüberschuss
von 5,9 beziehungsweise 5,1 Kelvin auf. Auf der 2.962 Meter hohen Zugspitze lag die Monatsmitteltemperatur bei -1,2 °C
und damit ebenfalls 5,9 Kelvin über dem Durchschnitt der Jahre 1961 bis 1990. Es war dort mit Abstand der wärmste November
seit Beginn der Messungen im Jahre 1900 (s. Tabelle).
Temperatur und Niederschlag im November 2011 auf drei Mittelgebirgsgipfeln. Datenquelle: DWD |
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Feldberg/Schw. (1.493 m) |
Brocken (1.142 m) |
Fichtelberg (1.215 m) |
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Die wärmsten November auf der Zugspitze (Monatsmitteltemperatur). Quelle: DWD |
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Jahr |
Temp. |
2011 1953 1984 1938 |
-1,2 °C -3,1 °C -3,2 °C -3,8 °C |
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Wesentlich gravierender als die hohen Temperaturen auf den Bergen trat jedoch die andauernde, extreme Trockenheit in
Erscheinung. Über die Fläche Deutschlands gemittelt fielen im gesamten November lediglich 3 mm Niederschlag, so wenig wie
noch nie in einem November zuvor. Ob gar ein neuer Rekord für alle Monate aufgestellt wurde, stand zunächst noch nicht fest.
Normal wäre im November eine flächengemittelte Niederschlagsmenge von 66 mm, der bisherige Tiefstwert (3,65 mm) stammt vom
April 1893. An einigen Stationen fiel überhaupt kein Regen oder Schnee; lediglich im Westen und Norden konnte örtlich
zumindest ein Fünftel der üblichen Monatsmenge registriert werden (z. B. Hohn/SH). Die größte Gesamtniederschlagsmenge im
Messnetz des Deutschen Wetterdienstes (DWD) verzeichnete Schleswig mit 19,0 mm.
Niederschlagsanalysen | Quellen: DWD,
Wettergefahren-Frühwarnung |
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Interpolierter Niederschlag vom 01. bis 28.11.2011 (links) und mittlerer Niederschlag
(1961 bis 1990) in Deutschland (rechts). |
Interpolierter mittlerer Niederschlag (Flächenmittel) im Referenzzeitraum 1961 bis
1990 in Mitteleuropa (Daten: CRU). |
In Rheinstetten bei Karlsruhe fielen im gesamten November mit nur 2,1 mm gerade einmal 3% der sonst zu erwartenden
Niederschlagsmenge von 73,1 mm. Nimmt man die seit 1876 bestehende Karlsruher Klimareihe als Vergleich hinzu, so schloss ein
Novembermonat in der Region noch nie so trocken ab. Der bisherige Rekord stammte aus dem November 1953 mit 8,2 mm. An 21
aufeinanderfolgenden Tagen zwischen dem 04. und dem 25.11. blieb es komplett trocken, zwischen dem 20.10. und dem 30.11.
wurde an 40 Tagen hintereinander weniger als 1 mm gemessen - das hatte es seit 1964 nicht mehr gegeben. Seit 1876 finden
sich nur drei längere Zeiträume mit Niederschlagsmengen von weniger als 1 mm; am längsten trocken blieb es nach diesem
Kriterium vom 18.03. bis zum 01.05.1893 an 45 Tagen in Folge (s. Tabelle).
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Temperatur und Niederschlag im November 2011 in Rheinstetten.
Quelle: klimadiagramme.de |
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Die längsten Trockenperioden (Niederschlag < 1 mm) in Karlsruhe/Rheinstetten seit 1876. Datenquelle: DWD |
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Zeitraum |
Tage |
18.03.1893 - 01.05.1893 26.11.1963 - 08.01.1964 07.11.1953 - 18.12.1953
20.10.2011 - 30.11.2011 10.06.1949 - 19.07.1949 |
45 44 42 40 40 |
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Hätte die Kombination Hochdruck - südliche Anströmung im Sommer noch in ganz Deutschland für viel Sonnenschein und Hitze
gesorgt, blieb es zu fortgeschrittener Jahreszeit in vielen Niederungen trüb. Viel Sonne bekamen vor allem die Gebiete im
Osten Deutschlands sowie generell die höheren Lagen ab. Auf dem Fichtelberg schien die Sonne knapp 180 Stunden und damit fast
drei Mal so lang wie in einem November üblich. Einige Bergstationen vermeldeten neue Novemberrekorde. Insgesamt zeigte sich
der gesamte Herbst (September, Oktober, November) deutlich sonnenscheinreicher als üblich; nur die Herbstmonate der Jahre
1959 und 2005 brachten es auf eine im Flächenmittel noch größere Anzahl an Sonnenstunden.
Satellitenbilder (MSG-2 VIS/IR) | Quelle: B. J. Burton |
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20.10.2011, 12:00 UTC |
30.10.2011, 15:00 UTC |
10.11.2011, 12:00 UTC |
20.11.2011, 12:00 UTC |
Die außergewöhnliche Trockenheit rief mancherorts sonst eher sommerliche Probleme hervor: Nicht nur in den Alpen brannte
einigerorts der Wald, auf deutscher Seite beispielsweise am Falkenberg bei Lenggries. Rund 120 Helfer brauchten mehrere Tage,
um das Feuer auf einer Fläche von etwa 14 Hektar zu löschen. In Österreich wurden 17 Waldbrände gezählt, so viele wie noch
nie in einem November. Der flächengrößte Brand brach in Kärnten auf rund 10 Hektar aus.
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Pegel Maxau (Rhein), 01.-03.12.2011. Quelle: HVZ BW |
Die großen Flüsse führten teilweise so wenig Wasser wie seit dem Hitzesommer 2003 nicht mehr. Der Rheinpegel Maxau zeigte
zwischenzeitlich nur noch etwa 3,25 m an, rund 1,70 m weniger als normal. Ein so niedriger Wasserstand wurde hier Ende
November seit 40 Jahren nicht mehr beobachtet. Das absolute Minimum seit 1998 datiert vom Februar 2006 mit 3,16 m. Die
Niedrigwasserstände legten mancherorts Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg frei. Zur Entschärfung einer Bombe mussten in
der größten Evakuierungsmaßnahme in der Geschichte von Koblenz rund 45.000 der 106.000 Einwohner ihre Wohnungen verlassen.
Auch im Rhein bei Karlsruhe wurde bei Grabungen eine Bombe entdeckt und entschärft.
Text: CE
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