Heftige Gewitter, ergiebiger Dauerregen und schlussendlich auch noch Sturm - eine knappe Woche lang bestimmte Ende Juli
2011 Tiefdruckgebiet "Otto" das Wettergeschehen in Mitteleuropa. Regenmengen von teilweise über 100 mm innerhalb
von zwei Tagen führten teilweise zu Überschwemmungen und Hochwasser.
Wetterlage und Entwicklung
"Otto" entstand - den Analysen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) folgend - am 19. Juli 2011 über dem Westen
Frankreichs als Randtief eines umfangreichen nordeuropäischen Tiefdruckkomplexes ("Nemo") und auf der Vorderseite
eines markanten kurzwelligen Höhentroges. Dieser schwenkte im Verlauf des 19. über Frankreich hinweg ostwärts, das Bodentief
verlagerte sich zur französisch-belgischen Grenze. Zusammen mit "Nemo" bildete "Otto" vorübergehend eine
breite, rinnenartige Tiefdruckzone aus, die von der Barentssee über Skandinavien und Mitteleuropa bis zum zentralen Mittelmeer
reichte. Am Abend formierte sich über Südostbayern respektive Nordösterreich ein neuer Tiefkern, der teils aus großräumigen
Hebungsvorgängen infolge eines diffluenten Strömungsmusters an der Ostflanke des Höhentroges und teils wohl auch aus
Lee-Effekten durch die kurzzeitig südliche Anströmung der Alpen resultierte. Dieser neue Kern behielt den Namen
"Otto" bei bzw. wurde als "Otto" weitergeführt.
Bodendruckanalysen vom 19. bis 21.07.2011 | Quelle: FU Berlin / DWD |
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19.07.2011, 00 UTC |
20.07.2011, 00 UTC |
21.07.2011, 00 UTC |
500-hPa-Geopotential und Bodendruck vom 19. bis 21.07.2011 | Quelle: Wetterzentrale |
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19.07.2011, 00 UTC |
20.07.2011, 00 UTC |
21.07.2011, 00 UTC |
Am 20. ging aus dem ehemaligen Kurzwellentrog, der mehr und mehr als der dominante südliche Part des gesamten Höhentrogsystems
in Erscheinung trat, ein eigenständiges Höhentief hervor. Es zog über die Ostalpen und Österreich hinweg nach Ungarn und bis
zum 22. nach Südpolen. Das Bodentief hingegen wählte einen Weg über Tschechien und erreichte bereits am Abend des 20. die
Mitte Polens. Um den Tiefkern herumgeholte Warmluft, die ursprünglich dem westlichen und zentralen Mittelmeerraum entstammte
und damit reich an Feuchtigkeit war, wurde großflächig über die in den unteren Schichten der Troposphäre von Nordwesten her
eingeströmte mäßig warme Meeresluft gehoben - ausgedehnte Wolken- und Niederschlagsfelder waren die Folge. Aufgrund des recht
großen Luftdruckgradienten an der Westflanke des Bodentiefs - der Kerndruck sank zum 22. auf unter 995 hPa - fiel die
Warmluftadvektion entsprechend intensiv aus.
Bodendruckanalysen vom 22. bis 24.07.2011 | Quelle: FU Berlin / DWD |
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22.07.2011, 00 UTC |
23.07.2011, 00 UTC |
24.07.2011, 00 UTC |
500-hPa-Geopotential und Bodendruck vom 22. bis 24.07.2011 | Quelle: Wetterzentrale |
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22.07.2011, 00 UTC |
23.07.2011, 00 UTC |
24.07.2011, 00 UTC |
Bis zum 22. änderte "Otto" seine Position kaum und verweilte mit seinem Zentrum über der Mitte Polens. Die
Quasistationarität trug einen nicht unwesentlichen Teil zu den beobachteten lang anhaltenden Regenfällen und den
resultierenden großen Niederschlagsmengen bei. Erst im Laufe des 22. bewegte sich "Otto" über den Nordwesten
Polens hinweg in Richtung Dänemark und intensivierte sich auf der Vorderseite des ebenfalls westwärts ziehenden Höhentiefs
sogar wieder leicht. Letzteres wurde schließlich als Randtrog einem neuen Höhentief angegliedert, das von den Britischen
Inseln her kommend bis zum 24. über den Nordosten Frankreichs zu den Alpen wanderte. Am 24. konnte "Otto" über der
Deutschen Bucht ausgemacht werden, zum 25. - knapp eine Woche nach seiner Taufe - schwächte es sich merklich ab und ging in
einem lang gezogenen nordeuropäischen Tiefdrucksystem mit mehreren Kernen auf.
Die mit "Otto" in Verbindung stehenden Wettererscheinungen waren vielfältiger Natur. Ein erstes großflächiges
Regengebiet griff am Nachmittag und Abend des 19. von Südwesten her auf den Westen und Süden Deutschlands über; an seiner
vorderen Kante zogen teilweise unwetterartige Gewitter über das Allgäu und den Süden Bayerns hinweg. Dabei traten starker
Regen, Hagel und Sturmböen auf. Eine Superzelle brachte insbesondere der Region Kempten und Marktoberdorf im Landkreis
Ostallgäu kräftigen Hagel, der sich zu dicken Schichten anhäufte. In Landsberg am Lech (Oberbayern) wurden Spitzenböen bis
80 km/h gemessen, an der Station München/Stadt fielen innerhalb kurzer Zeit 40 mm Niederschlag. Einige Keller liefen voll
Wasser.
Niederschlagsradarbilder vom 19.07.2011 | Quelle: DWD |
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19.07.2011, 18:00 MESZ |
19.07.2011, 20:00 MESZ |
19.07.2011, 22:00 MESZ |
Blitzkarten vom 19.07.2011 | Quelle: DWD |
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19.07.2011, 17-18 MESZ |
19.07.2011, 19-20 MESZ |
19.07.2011, 21-22 MESZ |
Im Laufe der Nacht und am 20. breitete sich der Regen auf große Teile Baden-Württembergs und Bayerns aus. Besonders kräftig
regnete es tagsüber zunächst in Franken, später im Südosten Bayerns und in Sachsen. In Aschau-Stein im Chiemgau wurde eine
24-stündige Niederschlagsmenge von 104 mm verzeichnet, Kubschütz im Landkreis Bautzen verfehlte mit 98 mm eine dreistellige
Menge nur knapp.
Niederschlagsradarbilder vom 20.07.2011 | Quelle: DWD |
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20.07.2011, 10:00 MESZ |
20.07.2011, 14:00 MESZ |
20.07.2011, 18:00 MESZ |
20.07.2011, 22:00 MESZ |
Am 21. legte sich ein breites Band mit anhaltendem Regen über den Nordosten und Osten Deutschlands. Von Vorpommern über den
Osten Brandenburgs bis nach Ostsachsen und über den Norden Tschechiens bis zur slowakischen Grenze fielen verbreitet zwischen
50 und 70 mm innerhalb von 24 Stunden; die größte Menge (97 mm) meldete Lysá hora, der mit 1.325 Meter höchste Berg der
Mährisch-Schlesischen Beskiden im Osten Tschechiens.
Niederschlagsradarbilder vom 21.07.2011 | Quelle: DWD |
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21.07.2011, 10:00 MESZ |
21.07.2011, 14:00 MESZ |
21.07.2011, 18:00 MESZ |
21.07.2011, 22:00 MESZ |
Am 22. lag der Schwerpunkt der Regenfälle im Nordosten und Norden Deutschlands. Rostock-Warnemünde verbuchte eine 24-stündige
Niederschlagssumme von 111 mm, das entspricht dem anderthalbfachen der sonst im Juli üblichen Menge. In Barth fielen 79, in
Gersdorf - ebenfalls an der Ostseeküste gelegen - 65 mm. Hinzu kam ein in Böen starker bis stürmischer Westwind, direkt an
der Küste traten einzelne Sturmböen auf (z. B. Westermarkelsdorf 76 km/h). Zusammen mit Höchsttemperaturen von nur +15 °C
erinnerte das gesamte Geschehen viel mehr an Herbst denn an Hochsommer.
Niederschlagsradarbilder vom 22.07.2011 | Quelle: DWD |
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22.07.2011, 10:00 MESZ |
22.07.2011, 14:00 MESZ |
22.07.2011, 18:00 MESZ |
22.07.2011, 22:00 MESZ |
Am 23. und 24. regnete es insbesondere im Norden und Nordwesten noch längere Zeit, die großen Mengen der Vortage wurden aber
nicht mehr erreicht. Allerdings konnten weiterhin starke bis stürmische, auf den Nordseeinseln auch Sturmböen (z. B.
Helgoland/Düne 79 km/h) verzeichnet werden. Am Rande des mit seinem Zentrum über der südlichen Nordsee gelegenen Tiefs wurde
ein frischer Schwall Kaltluft polaren Ursprungs nach Mitteleuropa gelenkt, die Temperaturen kamen im Dauerregen zum Teil nicht
über +13 °C hinaus. Beispielsweise in Kleve (Nordrhein-Westfalen, +12,6 °C) wurde ein neuer Rekord für die tiefste
Höchsttemperatur in einem Juli seit Beginn der Messungen registriert.
24-h-Niederschlag in Mitteleuropa an einer Auswahl von Stationen | Quelle: DWD JavaMAP |
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20.-21.07.2011, 6 bis 6 UTC |
21.-22.07.2011, 6 bis 6 UTC |
22.-23.07.2011, 6 bis 6 UTC |
Infolge der starken Regenfälle kam es vielerorts zu Überschwemmungen, zunächst vor allem in Bayern, später auch im Osten und
Nordosten Deutschlands. Einige Bäche sowie kleinere und mittlere Flüsse traten über die Ufer, teilweise wurde die zweite
Hochwassermeldestufe überschritten. Von den Überschwemmungen besonders betroffen waren unter anderem Greifswald und Rostock,
wo zahlreiche Keller voll Wasser liefen und Straßen überflutet wurden. Im Landkreis Forchheim in Oberfranken fuhren
vorübergehend keine Busse mehr, die nahegelegene Autobahn 73 musste ob der Wassermassen gesperrt werden. Auch im östlichen
Mitteleuropa richteten starker Regen und Sturm Schäden an und führten zu Behinderungen.
Satellitenbilder (Meteosat-8 VIS/IR) | Quelle: F. Valk |
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19.07.2011, 12 UTC |
20.07.2011, 12 UTC |
21.07.2011, 12 UTC |
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22.07.2011, 12 UTC |
23.07.2011, 12 UTC |
24.07.2011, 12 UTC |
Wetterwerte
Nachstehend die jeweils größten gemessenen 24-stündigen Niederschlagsmengen (6 bis 6 UTC) vom 20. bis zum 23.07.2011 in
Deutschland im Messnetz des Deutschen Wetterdienstes. Quelle: DWD
Ort |
20./21. |
Lohsa (SN) Aschau-Stein (BY) Kubschütz (SN) Boxberg (SN)
Marktschellenberg (BY) Rheinstetten (BW) |
114 mm 104 mm 98 mm 97 mm 84 mm 1 mm |
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Ort |
21./22. |
Hohenreinkendorf (BB) Pohlitz (BB) Müncheberg (BB) Strausberg (BB)
Coschen (BB) Rheinstetten (BW) |
79 mm 71 mm 68 mm 67 mm 65 mm - |
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Ort |
22./23. |
Rostock-Warnemünde (MV) Barth (MV) Gersdorf (MV) Teterow (MV)
Waren (MV) Rheinstetten (BW) |
111 mm 79 mm 65 mm 63 mm 54 mm 13 mm |
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Text: CE
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In Zusammenarbeit mit:
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