Der Winter hielt weite Teile Europas auch Mitte Dezember 2010 fest in seinem Griff. Nach einer nur kurzen Pause am 11. und
12. sorgten neue Schneefälle vom 14. an wiederum für große Probleme beim Vorankommen mit Auto, Bus, Bahn und Flugzeug. In
einigen Landkreisen Deutschlands blieben aufgrund von Unwetterwarnungen Schulen geschlossen. Tiefdruckgebiet "Petra"
brachte auch den Tieflagen verbreitet Neuschneemengen um 10 cm innerhalb von zwölf Stunden, in höheren Lagen fielen teilweise
an die 30 cm.
Wetterlage und Entwicklung
Vor "Petra" jedoch beschäftigte ein anderes Tief, "Orike", in Sachen Schnee vor allem das östliche
Mitteleuropa. Zeichnete dieses am 11. und 12. noch für bundesweites Tauwetter und Temperaturen bis +8 °C in
Norddeutschland verantwortlich, wurde auf seiner Rückseite ab dem 13. mit einer nordöstlichen Strömung wieder polare Kaltluft
nach Mitteleuropa geführt. Dabei etablierte sich über Osteuropa ein mit hochreichend kalter Luft angefülltes Höhentief; um
dessen Zentrum schwenkende Randtröge sowie das vorübergehende Einbeziehen etwas milderer Luft (Warmluftadvektion) initiierten
großräumige Hebungsvorgänge und Schneefälle zunächst im Osten Deutschlands. Fast gleichzeitig lief von der Nordsee her eine
Warmfrontwelle, die an dem lang gestreckten Frontensystem eines Tiefs mit Zentrum über Spitzbergen entstanden war, über die
Westhälfte Deutschlands nach Süden ab und brachte dem Nordwesten Schneefälle. Dabei fielen vielfach um 5 cm (z. B. Soltau/NDS
7 cm) innerhalb von zwölf Stunden.
Bodendruckanalysen vom 14. bis 17.12.2010 | Quelle: FU Berlin / DWD |
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14.12.2010, 00 UTC |
15.12.2010, 00 UTC |
16.12.2010, 00 UTC |
17.12.2010, 00 UTC |
850-hPa-Temperatur und -Geopotential vom 14. bis 17.12.2010 | Quelle: Wetterzentrale |
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14.12.2010, 00 UTC |
15.12.2010, 00 UTC |
16.12.2010, 00 UTC |
17.12.2010, 00 UTC |
Zum 14. und 15. verlagerte sich innerhalb des osteuropäischen Höhentiefs ein weiteres, namenloses Tief über Weißrussland und
das Baltikum nach Nord- und später nach Südpolen. Infolge kräftiger, von der Nord- an die Westflanke des Tiefs und damit auch
auf weite Teile Deutschlands übergreifender Warmluftadvektion - auf den Bodenwetterkarten durch die um den Tiefkern gewundene
Okklusion markiert - verstärkten sich die Schneefälle von Osten her und weiteten sich nach Westen aus. Insbesondere Gera im
Osten Thüringens meldete große Neuschneezuwächse. So wurde dort am Morgen des 14. zwar bereits eine Schneehöhe von 27 cm
gemessen, zwei Tage später lag dann aber mit 53 cm fast doppelt so viel Schnee. Mit außerordentlichen Schneemengen konnten
auch Grünow (MV, 46 cm), Chemnitz (SN, 48 cm) und Osterfeld (SA, 45 cm) aufwarten, um nur eine Auswahl zu nennen. In den
ostdeutschen Großstädten wurden am Morgen des 16. häufig um 20 cm gemessen (z. B. Berlin-Dahlem 18 cm).
Niederschlagsradarbilder vom 14. bis 17.12.2010 | Quelle: DWD |
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14.12.2010, 00:00 MEZ |
14.12.2010, 12:00 MEZ |
15.12.2010, 00:00 MEZ |
15.12.2010, 12:00 MEZ |
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16.12.2010, 00:15 MEZ |
16.12.2010, 12:15 MEZ |
17.12.2010, 00:00 MEZ |
17.12.2010, 12:00 MEZ |
Wenig Schnee bekam bis dahin speziell der Südwesten Deutschlands ab; dies änderte sich am 16. und 17., als das Frontensystem
von Tief "Petra" das Bundesgebiet von Nordwest nach Südost überquerte. Als "Petra" wurde der gesamte,
hochreichende Tiefdruckkomplex bezeichnet, der sich ab dem 15. vom Nordosten Grönlands in Richtung Nordwesteuropa in Bewegung
setzte. Damit verbunden war ein mächtiger, in dieser Form nicht allzu oft zu beobachtender Kaltluftvorstoß; am 17. konnten in
rund fünf Kilometern Höhe vor Südnorwegen etwa -45 °C und damit der Kältepol des gesamten atlantisch-europäischen Raumes
analysiert werden. Das rasch okkludierende Frontensystem erreichte in den Frühstunden des 16. den Nordwesten Deutschlands und
kam zügig nach Südosten voran. Da in den sich schließenden Warmsektor mildere Luft einbezogen wurde, gingen die Niederschläge
im Nordwesten und Westen teilweise auch als gefrierender Regen und Regen nieder. Sonst fiel überall Schnee, am intensivsten
an der Kaltfront. Mit deren Passage traten örtlich sogar kurze Gewitter auf. Hinzu kamen verbreitet starke bis stürmische
Böen, auf den Gipfeln der Mittelgebirge zum Teil schwere Sturm- und auf dem Brocken Orkanböen (119 km/h). Die 24-stündigen
Neuschneemengen bis zum 17., 6 UTC betrugen im Tiefland vielfach um 10 cm. Vor allem im Schwarzwald kamen örtlich auch um 30
cm zusammen (z. B. Lenzkirch-Ruhbühl 29 cm). Nur wenig Schnee fiel am mittleren und südlichen Oberrhein, in Freiburg taute
sogar die bereits vorhandene dünne Schneedecke bei leichten Plusgraden über Nacht ab. Am 17. schließlich lag quasi ganz
Deutschland unter einer mehr oder weniger dicken Schneedecke - ein eher seltenes Ereignis. Die Schneehöhen reichten von nur
wenigen Zentimetern vor allem entlang des Rheins bis teilweise über 1 Meter in den Mittelgebirgen.
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24-stg. Neuschnee bis 17.12.2010, 6 UTC Quelle: DWD |
Gesamtschnee am 17.12.2010, 6 UTC Quelle: DWD |
Interpolierte Schneehöhe in BW am 18.12.2010, 5 Uhr MEZ | Quelle: HVZ BW |
Nicht nur in Deutschland, im gesamten östlichen Mitteleuropa sowie in Benelux und im Osten Frankreichs kam es in der Zeit vom
14. bis zum 17. Dezember 2010 zu nennenswerten Schneefällen. So erhöhte sich die Schneedecke beispielsweise am Flughafen
Ruzyn"283; in der tschechischen Hauptstadt Prag in diesem Zeitraum von 10 auf 24 cm; selbst im französischen Nancy (Air
Base Ochey) konnte am Morgen des 18. eine Schneehöhe von 19 cm verzeichnet werden.
Die mit Tief "Petra" in Zusammenhang stehenden Schneefälle führten erwartungsgemäß vielerorts zu Problemen im
Straßen-, Schienen und Luftverkehr. Besonders auf dem größten deutschen Flughafen in Frankfurt am Main mussten mehrere hundert
Flüge gestrichen werden, rund 700 Passagiere die Nacht auf Feldbetten verbringen. Am Münchner Flughafen wurden etwa 100, am
Flughafen Berlin-Tegel ein Drittel aller Flüge annulliert. Auch auf internationalen Flughäfen (z. B. Amsterdam) kam es zu
Flugausfällen und -verspätungen. Lange Staus gab es insbesondere auf den Autobahnen in Nordrhein-Westfalen, Berichten zufolge
auf einer Gesamtlänge von 185 Kilometern. Zwischenzeitlich galt dort ein Fahrverbot für LKW mit einem Gesamtgewicht über
7,5 Tonnen. Bei Unfällen starben mehrere Menschen. Zwischen Hamburg und Lübeck blieb ein Regionalexpress der Deutschen Bahn
nach einem Stromausfall vier Stunden lang liegen. Nachdem auch der Notstrom ausgefallen war, mussten die rund 400 Passagiere
in Dunkelheit und Kälte ausharren. Einige von ihnen erlitten Unterkühlungen, andere versuchten durch Einschlagen der
Fensterscheiben ins Freie zu gelangen, da sich die Türen nicht öffnen ließen. Bereits im Vorfeld der Schneefälle wurde
aufgrund von großflächig ausgegebenen Unwetterwarnungen in manchen Landkreisen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein der
Schulunterricht abgesagt.
Wetterwerte
Nachstehend links eine Auswahl gemessener 24-stündiger Neuschneehöhen bis zum 17.12.2010, 6 UTC sowie rechts eine Auswahl
gemessener Gesamtschneehöhen zum selben Termin. Quelle: DWD
Ort |
Neu |
Lenzkirch-Ruhbühl (BW, 852 m) Villingen-Schwenningen (BW, 720 m)
Todtmoos (BW, 781 m) Bad Nauheim (HE, 142 m) Schwäbisch Gmünd (Weiler) (BW, 320 m) Darmstadt (HE, 162 m)
Saarbrücken/Flgh. (SL, 320 m) Frankfurt/Main Flgh. (HE, 112 m) Göttingen (NDS, 167 m) Rheinstetten (BW, 116 m) |
29 cm 28 cm 27 cm 18 cm 16 cm
14 cm 13 cm 13 cm 11 cm 6 cm |
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Ort |
Gesamt |
Zinnwald (SN, 877 m) Neuhaus a. R. (TH, 820 m) Kahler Asten (NRW, 839 m)
Todtmoos (BW, 781 m) Freudenstadt (BW, 797 m) Gera-Leumnitz (TH, 311 m) Villingen-Schwenningen (BW, 720 m)
Celle (NDS, 39 m) Bad Bergzabern (RP, 252 m) Rheinstetten (BW, 116 m) |
116 cm 93 cm 72 cm 60 cm 55 cm
55 cm 42 cm 18 cm 15 cm 9 cm |
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Satellitenbilder
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14.12.10, 12 UTC, MS-8 VIS/IR Quelle: F. Valk |
15.12.10, 12 UTC, MS-8 VIS/IR Quelle: F. Valk |
16.12.10, 12 UTC, MS-8 VIS/IR Quelle: F. Valk |
17.12.10, 12 UTC, MS-8 VIS/IR Quelle: F. Valk |
Text: CE
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