Weniger Schäden als im Vorfeld befürchtet richtete gegen Mitte November 2010 der erste kräftigere Herbststurm des Jahres
in West- und Mitteleuropa an. Sturmtief "Carmen" ging in Deutschland verbreitet mit Sturm- und einzelnen schweren
Sturm-, auf den höchsten Mittelgebirgsgipfeln mit Orkanböen einher.
Wetterlage und Entwicklung
Die Entwicklung des späteren Sturmtiefs nahm am 9. November 2010 über Neufundland ihren Anfang. "Carmen" ging aus
einer Frontalwelle hervor, die unter der Vorderseite eines vom Norden Kanadas über die Davisstraße südwestwärts schwenkenden
Höhentroges geriet und so optimale Entwicklungsbedingungen vorfand. Am 10. um 0 UTC lag das Tief mit einem Kerndruck von
weniger als 995 hPa über dem mittleren Nordatlantik, 24 Stunden später war der Luftdruck in seinem Zentrum nochmals um rund
40 hPa gefallen. Der tiefste Druck wurde am Vormittag des 11. mit unter 950 hPa wenige hundert Kilometer vor der schottischen
Westküste analysiert. Zu dieser Zeit hatte das Starkwindfeld auf der Südseite des Tiefs bereits weite Teile der Britischen
Inseln erfasst. Bis zum Abend wurden von dort verbreitet Sturm- und schwere Sturmböen, vor allem von der walisischen Küste
auch Orkanböen gemeldet (z. B. Aberdaron 130 km/h).
Unter leichter Abschwächung verlagerte sich "Carmen" in der Nacht zum 12. über den Norden Schottlands hinweg zur
Nordsee, tagsüber dann via Skagerrak und Kattegat nach Südschweden und zur Ostsee. An der lang gestreckten und zonal
orientierten Kaltfront des Tiefs formierte sich eine stabile Welle, die am Abend des 12. und in der Nacht zum 13. über den
Ärmelkanal, Benelux und den Norden Deutschlands hinweg ostwärts zog.
Bodendruckanalysen vom 10. bis 13.11.2010 | Quelle: FU Berlin / DWD |
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10.11.2010, 00 UTC |
11.11.2010, 00 UTC |
12.11.2010, 00 UTC |
13.11.2010, 00 UTC |
500-hPa-Geopotential und Bodendruck vom 10. bis 13.11.2010 | Quelle: Wetterzentrale |
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10.11.2010, 00 UTC |
11.11.2010, 00 UTC |
12.11.2010, 00 UTC |
13.11.2010, 00 UTC |
Nachdem auch im Norden und Westen Frankreichs (z. B. La Hague 96 km/h) sowie in Benelux (z. B. Rotterdam/Flgh. 83 km/h)
vielerorts Sturmböen aufgetreten waren, griff das Sturmfeld am Nachmittag und Abend des 11. von Westen her auf Deutschland
über. Eine erste Sturmböe im Binnenland wurde zwischen 14 und 15 Uhr MESZ in Aachen registriert, bis 18 Uhr MESZ kamen
beispielsweise Osnabrück, Werl und Rheinstetten dazu. In der Nacht zum 12. erreichten die Böen vielerorts Sturm-, örtlich
schwere Sturm- und auf den höchsten Mittelgebirgsgipfeln Orkanstärke. Auf dem Feldberg im Schwarzwald blies der Wind mit
maximal 155 km/h, auf dem Brocken im Harz mit 148 km/h. Den deutschlandweit höchsten Wert übermittelte die Zugspitze mit
158 km/h.
Tagsüber wehte der Wind weiterhin stark bis stürmisch mit weiteren Sturmböen und legte in der Nacht zum 13. im Zuge der
Wellenpassage in der Südhälfte nochmals an Intensität zu. Erneut wurden Sturm- und schwere Sturmböen verzeichnet, die
Spitzenwerte des Vortages aber nicht mehr ganz erreicht. Dennoch traten etwa auf dem Feldberg im Schwarzwald und auf dem
Weinbiet im Pfälzer Wald mit jeweils 122 km/h wiederum Orkanböen auf.
Satellitenbilder, MSG-2 IR | Quelle: B. J. Burton |
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10.11.2010, 12 UTC |
11.11.2010, 12 UTC |
12.11.2010, 12 UTC |
13.11.2010, 12 UTC |
Aufgrund ihrer räumlichen Ausdehnung und da es sich um eine klassische herbstliche Sturmzyklogenese handelte, konnte
"Carmen" bereits mehrere Tage im Voraus gut prognostiziert und entsprechende Warnungen ausgegeben werden. Die
Warnungen sowie das Auftreten der kräftigsten Böen in den Nachtstunden trugen möglicherweise dazu bei, dass über größere
Sturmschäden nichts bekannt wurde. Meist brachen lediglich Äste ab und wurden Verkehrsschilder, Mülltonnen und andere lose
Gegenstände umgeweht, besonders in höheren Lagen stürzten auch Bäume um. Verletzte gab es nicht.
Wetterwerte
Nachstehend gemessene Spitzenböen in Deutschland am 12.11.2010 (links) sowie eine Auswahl gemessener Böen in Westeuropa am 11.
und 12.11.2010 (rechts). Quelle: WetterOnline
Ort |
Höhe |
Böe |
Zugspitze Feldberg/Schwarzwald Wendelstein Brocken
Weinbiet/Pfälzer Wald Kiel Leuchtturm Hohenpeißenberg Großer Arber Helgoland/Düne LT Alte Weser
FS Tiefenwasser Ems Geislingen/Stötten Altenstadt |
2.962 m 1.493 m 1.835 m 1.142 m 557 m 23 m 986 m 1.446 m
8 m 31 m - 737 m 757 m |
158 km/h 155 km/h 140 km/h 133 km/h 130 km/h
122 km/h 115 km/h 115 km/h 112 km/h 108 km/h 108 km/h 108 km/h 104 km/h |
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Ort |
Datum |
Böe |
Great Dun Fell (GB, 847 m) Capel Curig (GB, 215 m) Aberdaron (GB, 94 m)
Le Talut (F, 43 m) Limoges/Flgh. (F, 402 m) La Hague (F, 12 m) Vlieland (NL, 10 m) Le Goeree (NL, 19 m)
Oostende/Flgh. (B, 5 m) Koksijde (B, 9 m) |
11.11. 11.11. 11.11. 11.11. 11.11. 11.11. 12.11. 12.11.
12.11. 12.11. |
161 km/h 146 km/h 130 km/h 96 km/h 94 km/h 94 km/h
104 km/h 101 km/h 86 km/h 83 km/h |
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Text: CE
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In Zusammenarbeit mit:
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