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Donnerstag, 2. September 2010, 18:15 MESZ
Starkregen, Tornados Mitteleuropa 26.-31.08.2010 Satellitenbild: 27.08.2010, 05:57 UTC, NOAA-15 VIS/IR Quelle: Geog. Inst., Uni Bern |
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Zum zweiten Mal innerhalb von nur einer Woche stellte sich gegen Ende August 2010 in Teilen Mitteleuropas eine unwetterträchtige Wetterlage ein. Nachdem am 22./23. lokale Starkregenereignisse in Verbindung mit Gewittern im Vordergrund standen (siehe Artikel), kamen am 26. und 27. auf einer größeren Fläche vor allem im Westen Deutschlands durch nicht-gewittrigen Starkregen extreme Niederschlagsmengen zustande. Örtlich wurden erneut Tornados beobachtet.
Wetterlage und Entwicklung Nur kurze Zeit währte nach Tiefdruckgebiet "Beate" der Einfluss des wetterberuhigenden Zwischenhochs "Gerhard" in West- und Mitteleuropa, da formierte sich im Bereich der für die Jahreszeit äußerst kräftig ausgeprägten und weit südlich verlaufenden Frontalzone über dem mittleren Nordatlantik ein neues Tiefdrucksystem ("Cathleen" und "Doreen"). Durch die recht südlich ansetzende Entwicklung bezog es sehr warme Subtropikluft in seine Zirkulation ein, die mit einer südwestlichen Strömung auf seiner Vorderseite zum 26. und 27. nach Südwest- und Mitteleuropa gelangte. Die vordere Grenze dieses Warmluftvorstoßes am Boden wurde durch die Warmfront von "Cathleen" markiert, die sich am 26. mit ihrem Zentrum über dem Süden der Britischen Inseln befand und 24 Stunden später zur niederländischen Küste gezogen war. Die besonders in der unteren Troposphäre massive Warmluftadvektion hatte zum einen intensive, großräumige Hebungsprozesse zur Folge, andererseits verschärfte sich der Temperaturkontrast an der Warmfront selbst über Norddeutschland durch auf der Rückseite von "Beate" von Nordwesten herangeführte Kaltluft. Weiterer Luftdruckfall im Umfeld der nun eher als quasistationäre Luftmassengrenze in Erscheinung tretenden Warmfront ließ sich "Cathleen" zunächst rinnenförmig nach Osten ausweiten, ehe das Tief als Ganzes bis zum 28. nach Polen wanderte. Auf seiner Rückseite kam die Luftmassengrenze als Kaltfront beschleunigt nach Südosten voran und drängte die subtropisch warme Luft ab.
Im recht scharfen Grenzbereich zwischen der potenziell instabil geschichteten Warmluft im Süden und der kühleren und trockeneren Luft im Norden bildete sich am Nachmittag des 26. über den Niederlanden ein schmales, aber lang gezogenes Niederschlagsband aus, das - der Strömung in höheren Schichten folgend - über den Norden von Nordrhein-Westfalen bis nach Südniedersachsen ausgriff. Konvektive Verstärkungen am Südrand dieses sich von Westen her bis in die Nacht zum 27. immer wieder regenerierenden Bandes sowie seine längs zur Ausdehnung gerichtete Verlagerung bei gleichzeitig nur geringer Verschiebung nach Norden und Süden waren die entscheidenden Faktoren für das Zustandekommen extremer Regenmengen, wie sie im deutschen Flachland in einer solchen räumlichen Ausdehnung nur selten beobachtet werden.
Vom Münsterland bis in den Raum Hannover fielen innerhalb von 24 Stunden zum Teil deutlich mehr als 100 mm; der höchste Wert wurde an der Station Steinfurt-Burgsteinfurt, etwa 30 Kilometer nordwestlich von Münster gelegen, mit 162 mm gemessen. Dies entspricht in etwa dem Zweieinhalbfachen der sonst dort im August üblichen Menge. Ahaus im Kreis Borken kam im selben Zeitraum auf 151 mm, der Flughafen Münster/Osnabrück auf 140 mm. Die Regenraten lagen zum Teil bei knapp 30 mm pro Stunde (s. Tabelle unten). Die starke Zunahme des Windes mit der Höhe mündete in einer großen vertikalen Windscherung, in deren Umgebung in Verbindung mit den sonstigen Voraussetzungen die Bildung von Tornados möglich erschien. Im Zusammenhang mit den konvektiven Einlagerungen konnte das Auftreten eines solchen bei Bad Salzuflen aber noch nicht (Stand: 02.09.2010) verifiziert werden. Schadenbilder von abgerissenen Ästen und umgestürzten Bäumen lassen in Anbetracht der sonst nur Windstärke 6 bis 7 erreichenden Böen jedoch auf einen Tornado schließen. Infolge der Regenfälle wurden ganze Landstriche überflutet. Besonders dramatisch war die Lage in Osnabrück, wo Katastrophenalarm ausgelöst wurde. Der Fluss Hase erreichte einen Höchststand von 2,51 m über Normal und damit den höchsten je beobachteten Wert. Zahlreiche Straßen, darunter die Autobahn 30, und Bahnverbindungen mussten wegen Überschwemmungen gesperrt werden. Allein im südlichen Landkreis Osnabrück verzeichneten die Feuerwehren mehr als 1.000 Einsätze. Im Süden Deutschlands sorgten unterdessen in der Höhenströmung rasch nach Osten ablaufende Kurzwellentröge für Hebungsantriebe und lösten innerhalb der Warmluft kräftige schauerartige und gewittrige Regenfälle aus. In Mannheim fielen innerhalb von zwei Stunden 33 mm, örtlich traten Sturmböen auf (z. B. Mannheim 86 km/h). In Heidelberg, im Rhein-Neckar-Kreis und im Neckar-Odenwald-Kreis wurden Straßen und Keller überflutet. Aufgrund der nach wie vor südwestlichen bis westlichen Höhenströmung erfolgte die Passage der Kaltfront im Laufe des 27. eher zögerlich. Begünstigt durch einen weiteren markanten Kurzwellentrog entwickelten sich am Nachmittag über der Südhälfte Deutschlands kräftige Schauer und Gewitter, die aufgrund ihrer recht hohen Verlagerungsgeschwindigkeit aber nur selten größere Regenmengen hinterließen. Dennoch wurde infolge eines Gewitters beispielsweise der Flugverkehr am Flughafen Frankfurt/Main stark behindert.
Wetterwerte Nachstehend stündliche Niederschlagsmengen an den drei Stationen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) mit den größten 24-stündigen Niederschlagsmengen vom 26./27.08.2010, 8 Uhr MESZ bis 8 Uhr MESZ. Die höchsten Stundensummen wurden an allen drei Stationen jeweils am 26. zwischen 18 und 19 Uhr MESZ gemessen. Quelle: DWD
Satellitenbilder
Text: CE
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