Einer neuerlichen kurzen Hitze folgte zum letzten Julidrittel 2010 in Mitteleuropa eine nachhaltige Abkühlung. Anders als
bei den vorangegangenen Luftmassenwechseln in diesem Monat ging die Wetterumstellung nur regional mit heftigen Gewittern,
dafür umso mehr mit ergiebigen Regenfälle einher. Im Süden und Osten Deutschlands sowie im östlichen Mitteleuropa fielen
innerhalb von drei Tagen verbreitet zwischen 50 und 70, örtlich bis 200 mm Regen.
Wetterlage und Entwicklung
Auf der Vorderseite eines sich Westeuropa annähernden Langwellentroges kam es Anfang der letzten Julidekade 2010 zu einem
abermaligen Vorstoß sehr warmer bis heißer Luft subtropischen Ursprungs nach Mitteleuropa. Am Nachmittag des 21. konnten über
Teilen Baden-Württembergs und Bayern Temperaturen von mehr als +20 °C in 850 hPa (ca. 1.500 Meter Höhe) analysiert werden.
Somit setzte sich die in diesem Monat bis dahin außergewöhnlich heiße und nur von kurzen weniger warmen Abschnitten
unterbrochene Witterung fort. Bereits am 19. waren die Temperaturen am Niederrhein auf Höchstwerte über +30 °C gestiegen,
der 21. markierte den Höhepunkt dieser Hitzeepisode mit nahezu landesweiten Maxima zwischen +30 und +35 °C (siehe Tabelle
am Ende). Der heißeste Ort im Messnetz des Deutschen Wetterdienstes war das nordrhein-westfälische Rahden-Varl mit
+35,5 °C; noch etwas heißer (+36,6 °C) wurde es an dessen 2008 aufgegebener Station in der Karlsruher Hertzstraße, wo
seither das Institut für Meteorologie und Klimaforschung der Universität Karlsruhe (KIT) misst.
Bodendruckanalysen vom 21. bis 25.07.2010 | Quelle: FU Berlin / DWD |
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21.07.2010, 00 UTC |
22.07.2010, 00 UTC |
23.07.2010, 00 UTC |
24.07.2010, 00 UTC |
25.07.2010, 00 UTC |
850-hPa-Geopotential und -Temperatur vom 21. bis 25.07.2010 | Quelle: Wetterzentrale |
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21.07.2010, 00 UTC |
22.07.2010, 00 UTC |
23.07.2010, 00 UTC |
24.07.2010, 00 UTC |
25.07.2010, 00 UTC |
Für eine hochsommerliche Wettersituation klassisch angeordnet lagen die Druckgebilde am Boden mit Tief "Quendeline"
über den Britischen Inseln und Hoch "Beowulf" mit Schwerpunkt über dem Baltikum. Wie sooft bildete sich im Bereich
der niedertroposphärisch heißesten Luft eine seichte Tiefdruckrinne aus, die Deutschland am 21. ostwärts überquerte. Da die
Luft vor allem nach Norden hin aber auch sehr trocken war, entwickelten sich zum Spätnachmittag zunächst lediglich im Umfeld
von Schwäbischer und Fränkischer Alb einzelne Gewitter.
Wesentlich wetteraktiver präsentierte sich die nachrückende Kaltfront von "Quendeline", die sich ab dem späten
Nachmittag in der Westhälfte mit schauerartigem Regen bemerkbar machte. Dieser breitete sich am Abend und in der Nacht zum
22. nordostwärts aus, wobei speziell im württembergischen Raum auch einzelne Gewitter entstanden. Größere Regenmengen traten
aber noch nicht auf.
Niederschlagsradarbilder vom 21./22.07.2010 | Quelle: DWD |
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21.07.2010, 12:00 MESZ |
21.07.2010, 16:00 MESZ |
21.07.2010, 20:00 MESZ |
22.07.2010, 00:00 MESZ |
Blitzkarten vom 21./22.07.2010 | Quelle: BLIDS |
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21.07.2010, 10:00-12:00 MESZ |
21.07.2010, 14:00-16:00 MESZ |
21.07.2010, 18:00-20:00 MESZ |
21./22.07., 22:00-00:00 MESZ |
Die Kaltfront wurde durch eine Wellenentwicklung über dem Westen Deutschlands zurückgehalten. Erst mit weiterer Annäherung
des Höhentroges und südlich der Welle konnte sie ab dem Mittag des 22. beschleunigt nach Osten vordringen. Dort lagerte noch
immer die sehr warme und zunehmend feuchter werdende Luft, in der durch ungehinderte Sonneneinstrahlung nochmals Höchstwerte
über +30 °C erreicht wurden. Dabei verschärften sich die Temperaturkontraste dies- und jenseits der Front, in deren
Umgebung starke Bewölkung im Westen Deutschlands nurmehr Werte zwischen +20 und +25 °C zuließ. Mit Hilfe der Orografie
(Schwarzwald, Schwäbische Alb, Bayerischer und Oberpfälzer Wald, Erzgebirge) entstanden am Nachmittag zahlreiche Gewitter.
Eine über dem Südschwarzwald geborene Zelle vereinigte sich über dem Allgäu mit einem aus den Alpen heraus aufkommenden
Gewitter und zog als großer Komplex in den Süden Bayerns. In Memmingen fielen dabei 52 mm Niederschlag binnen einer Stunde.
Bereits zuvor wurden bei einem weiteren, kräftigen Gewitter am Kochelsee im Alpenvorland bis zu 7 cm große Hagelkörner
beobachtet (siehe Bericht auf sturmwetter.de). Auch
anderenorts kamen zum Teil mehr als 50 mm Niederschlag zusammen (siehe Tabelle am Ende). Zudem traten örtlich Sturmböen auf
(z. B. Leutkirch-Herlazhofen/BW 83 km/h).
Niederschlagsradarbilder vom 22./23.07.2010 | Quelle: DWD |
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22.07.2010, 12:00 MESZ |
22.07.2010, 16:00 MESZ |
22.07.2010, 20:00 MESZ |
23.07.2010, 00:00 MESZ |
Blitzkarten vom 22./23.07.2010 | Quelle: BLIDS |
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22.07.2010, 10:00-12:00 MESZ |
22.07.2010, 14:00-16:00 MESZ |
22.07.2010, 18:00-20:00 MESZ |
22./23.07., 22:00-00:00 MESZ |
Zum 23. spaltete sich der Höhentrog über Westeuropa in einen schwächeren nördlichen und einen wesentlich schärferen südlichen
Teil mit einem darin eingelagerten kleinen Höhentief auf, das sich im Tagesverlauf über den Norden Frankreichs nach
Südwestdeutschland verlagerte. Auf dessen Vorderseite führten dynamische Hebungsvorgänge zu weiterem Luftdruckfall im Bereich
der Luftmassengrenze, die sich - inzwischen in die vorgelagerte Rinne eingebettet - wellend über das südöstliche Mitteleuropa
erstreckte. Dabei formierten sich über Tschechien und Norditalien zwei neue Tiefdruckkerne, "Renate I" und
"Renate II". Die großräumigen Hebungsprozesse im Vorfeld des bis zum 25. quer über die Alpen südostwärts
ziehenden Höhentiefs ließen zudem ein ausgedehntes Starkregengebiet entstehen, das mit der zunächst noch südwestlichen
Strömung am Nachmittag aus den Alpen heraus auf Baden-Württemberg und Bayern, später auch auf Sachsen und Brandenburg übergriff.
Niederschlagsradarbilder vom 23.07.2010 | Quelle: DWD |
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23.07.2010, 04:00 MESZ |
23.07.2010, 10:00 MESZ |
23.07.2010, 16:00 MESZ |
23.07.2010, 22:00 MESZ |
Am 24. hielten zum einen Warmluftadvektion an der Westflanke des über Polen zur Ostsee ziehenden Tiefs - dabei handelte es
sich um die zuvor nach Osten abgedrängte Warmluftmasse, die nun im Gegenuhrzeigersinn wieder um den Tiefkern herum nach
Westen und Südwesten gelenkt wurde - und zum anderen eine aus der auf nördliche Richtungen drehenden Strömung resultierende
Staukomponente am Alpennordrand die Starkregenfälle aufrecht. Diese waren zum Teil schauerartig verstärkt, was 24-stündige
Niederschlagsmengen bis 114 mm in Plauen (Sachsen) bis zum 24., 8 Uhr MESZ erklärt. 96 mm wurden in diesem Zeitraum an einer
privaten Messstation in Oberstaufen (Allgäu) registriert. Erst zum 25. ließen die ergiebigen Niederschläge sowohl im Osten
Deutschlands als auch am Alpennordrand nach. Bis dahin fielen vor allem im Süden Bayerns noch einmal verbreitet um 30 mm,
sodass sich innerhalb von drei Tagen zwischen Allgäu und Berchtesgadener Land örtlich um 200 mm summierten (z. B. Obere
Firstalm/Schlierseer Berge).
Die anhaltenden und großflächigen Starkregenfälle lösten an manchen Flüssen besonders in Südbayern kleinere Überschwemmungen
aus. An Isar und Donau wurde die Hochwassermeldestufe eins erreicht. Größere Schäden gab es jedoch keine.
Niederschlagsradarbilder vom 24.07.2010 | Quelle: DWD |
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24.07.2010, 04:00 MESZ |
24.07.2010, 10:00 MESZ |
24.07.2010, 16:00 MESZ |
24.07.2010, 22:00 MESZ |
Niederschlags-Summenlinien an Stationen in Südbayern für den Zeitraum 22.-25.07.2010 | Quelle: HND Bayern |
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Kreuth-Glashütte |
Obere Firstalm/Schlierseer Berge |
Aschau-Stein |
Auch im östlichen Mitteleuropa fiel in Zusammenhang mit Tiefdrucksystem "Renate" kräftiger Regen. Am Flughafen Prag
(bei Ruzyně) kamen innerhalb von 48 Stunden bis zum 24., 6 UTC 69 mm zusammen - das entspricht etwas mehr als der sonst
im gesamten Monat Juli zu erwartenden Menge. Im nordpolnischen Chojnice wurden in 24 Stunden bis zum 25., 6 UTC 70 mm
gemessen.
Satellitenbilder vom 22.07.2010 | Quelle: B. J. Burton |
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22.07., 09 UTC, MSG-2 VIS/IR |
22.07., 12 UTC, MSG-2 VIS/IR |
22.07., 15 UTC, MSG-2 VIS/IR |
22.07., 18 UTC, MSG-2 VIS/IR |
Satellitenbilder vom 23.07.2010 | Quelle: B. J. Burton |
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23.07., 09 UTC, MSG-2 VIS/IR |
23.07., 12 UTC, MSG-2 VIS/IR |
23.07., 15 UTC, MSG-2 VIS/IR |
23.07., 18 UTC, MSG-2 VIS/IR |
Satellitenbilder vom 24.07.2010 | Quelle: B. J. Burton |
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24.07.2010, 00 UTC, MSG-2 IR |
24.07.2010, 06 UTC, MSG-2 IR |
24.07.2010, 18 UTC, MSG-2 IR |
Wetterwerte
Nachstehend oben die höchsten Temperaturen im Messnetz des Deutschen Wetterdienstes (DWD) am 21.07.2010 sowie unten die
größten gemessenen 24-stündigen Niederschlagsmengen an DWD-Stationen vom 22. bis zum 25.07.2010, jeweils 8 Uhr bis 8 Uhr (MESZ).
Quelle: DWD
Ort |
21. |
Rahden-Varl (NRW) Kitzingen (BY)
Kahl am Main (BY) Heidelberg (BW) Dillenburg (HE) Rheinstetten (BW) Karlsruhe/Hertzstr. |
35,5 °C 35,3 °C
35,3 °C 35,2 °C 35,2 °C 34,2 °C 36,6 °C |
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Ort |
22./23. |
Landsberg/Flugplatz (BY) Fichtelberg (SN) Frankenberg-Altenhain (SN)
Rauschenbach/Talsperre (SN) Dürrhennersdorf (SN) |
68 mm 67 mm 64 mm 62 mm 61 mm |
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Ort |
23./24. |
Freienbessingen (TH) Plauen (SN) Oberstaufen (BY)
Obere Firstalm (BY) Oberreute (BY) |
116 mm 114 mm 99 mm 89 mm 84 mm |
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Ort |
24./25. |
Kreuth-Glashütte (BY) Aschau-Stein (BY) Obere Firstalm (BY)
Jachenau-Tannern (BY) Waakirchen (BY) |
83 mm 71 mm 66 mm 63 mm 52 mm |
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Text: CE
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In Zusammenarbeit mit:
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