Wettergefahren - Frühwarnung - Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull auf Island
Wettergefahren-Frühwarnung - Übersicht

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Donnerstag, 29. April 2010, 16:00 MESZ
- Update -

Vulkanausbruch auf Island
"Eyjafjallajökull"

20.03.-20.04.2010


Foto: 16.04.2010
Quelle: swisseduc.ch, Stromboli Online

Nach 187 Jahren erwachte am 20.3.2010 der Vulkan "Eyjafjallajökull" auf Island wieder zum Leben. Seine Eruption hatte selbst Tausende Kilometer entfernt noch gravierende Folgen: In fast ganz Europa kam der Flugverkehr für mehrere Tage zum Erliegen.

Der Vulkan Eyjafjallajökull

Als Schichtvulkan erhebt sich der gletscherbedeckte Berg 1666 Meter über dem Meer im Süden Islands. Er gehört zu den weniger aktiven Vulkanen Islands und hat eine 2.5 Kilometer breite Gipfelcaldera. In den letzten 1100 Jahren gab es nur zwei Eruptionen, beide gemeinsam mit Ausbrüchen des 25 Kilometer entfernten Nachbarvulkans Katla. Die Mengen des ausgestoßenen Materials der letzten beiden Ausbrüche hatten eine Größenordnung von lediglich 0.1 km³. Die letzte Eruption des Eyjafjallajökull dauerte über ein Jahr, von Dezember 1821 bis Januar 1823.
 Modellsimulationen der Ausbreitung der Aschewolke mit COSMO-Art (Vogel et al., 2009)

In Zusammenarbeit von IMK-TRO und dem Deutschen Wetterdienst (DWD) wurde das Modellsystem COSMO-ART in eine präoperationelle Version übergeführt. Die Ausbreitung der Vulkanwolke wurde zunächst in Form von Analyseläufen bis zum 20.04.2010 nachgerechnet. Ab diesem Termin wird die weitere Entwicklung im Abstand von sechs Stunden für jeweils 3 aufeinanderfolgenden Tage vom DWD parallel zur täglichen Wettervorhersage vorausberechnet. Da die genaue Quellstärke für die Vulkanasche nicht bekannt ist, geben die berechneten Aschewolken lediglich die räumlichen Verteilungen wieder. Mit Messungen vergleichbare Konzentrationswerte können zur Zeit wegen dieser Kenntnislücke nicht berechnet werden.
Position der Aschewolke (Konzentration)
COSMO-Art - Simulation für 16.4., 08 UTC
©: KIT/DWD
Position der Aschewolke (Konzentration)
COSMO-Art - Simulation für 19.4., 15 UTC
©: KIT/DWD

 Animationen

Ein Mausklick auf die nachstehenden beiden Abbildungen leitet jeweils zu einer Simulation der Ausbreitung der Aschewolke des Vulkans Eyjafjallajökull, wie sie das KIT und der DWD mit dem Modell COSMO-ART gemeinsam berechnet haben. Die Abbildung links zeigt die Konzentrationsänderungen der Ascheteilchen in der Grenzschicht vom 14.06.2010, 06 UTC, bis zum 23.04.2010, 00 UTC.
Rechts breitet sich die simulierte Aschewolke während desselben Zeitraums im betrachteten Höhenbereich von etwa 4000 Meter aus.
Animation der Ausbreitung (in der Grenzschicht)
14.4.2010, 06 UTC, bis 23.04.2010, 00 UTC
COSMO-Art - Simulation; ©: KIT/DWD
Animation der Ausbreitung (in ca 4000 m Höhe)
14.4.2010, 06 UTC, bis 23.04.2010, 00 UTC
COSMO-Art - Simulation; ©: KIT/DWD

Wetterlage / Satellitenbilder / Fotos und Messungen
Entwicklung bis 15.4.2010


Als am 20.3.2010 der Vulkan "Eyjafjallajökull" auf Island ausbrach, deutete zunächst nichts auf die dramatischen Folgen hin. Vulkanausbrüche auf Island sind nichts Ungewöhnliches, spektakuläre Naturschauspiele, deren Auswirkungen zumeist überschaubar und auf Island begrenzt bleiben.
Am 14.4.2010 allerdings nahm die Intensität der Eruption stark zu. Gigantische Staub- und Aschewolken stiegen über dem Krater auf, große Mengen Schmelzwasser sorgten für explosionsartige Eruptionsschübe, die die Aschewolke 11 Kilometer hoch in die Atmosphäre trieben.
500 hPa-Geopot. und -Temp-Analyse
15.4.2010, 00 UTC
Quelle: wetter3.de
Satellitenbild, 15.4., 11:39 UTC
TERRA MODIS
Quelle: University of Dundee
Satellitenbild, 15.4.
AURA OMI
Quelle: NASA Erath Observatory
Die Druckkonstellation, bei der ein kräftiges Hochdruckgebiet westlich der Britischen Inseln einem Tief über dem Nordmeer gegenüberstand, sorgte für eine Strömung, die beträchtliche Teile der Aschewolke erfasste und Richtung Osten und Südosten verfrachtete. Am 15.4.2010 gelangten die Aschepartikel zunächst über die norwegische See ostsüdostwärts bis nach Südwestnorwegen. Deutlich tritt die Aschewolke als langgezogenes bräunliches Band auf dem obenstehenden Satellitenbild vom 15.4.2010 hervor.
Entwicklung am 16.4.2010

Satellitenbild, 16.4., 16:00 UTC
MSG VIS
Quelle: sat24.com
Satellitenbild, 16.4., 16:30 UTC
MSG VIS
Quelle: sat24.com
Satellitenbild, 16.4., 17:00 UTC
MSG VIS
Quelle: sat24.com
Das nach Osten vorstoßende Hochdruckgebiet und das sich nach Südschweden ausweitende Nordmeertief ließen über der Nordsee die Strömung auf nördliche Richtungen drehen. Ein Teil der Aschewolke konnte so Kurs nach Süden auf Mitteleuropa nehmen, andere Ascheteilchen machten sich im diffluenten Strömungsbereich über der südlichen Nordsee einerseits auf den Weg nach Südwesten und andererseits nach Osten.
Die Satellitenbilder von 16 bis 17 UTC zeigen die Aschewolke über Deutschland als milchig weißes Band, das mit seiner vorderen Begrenzung um 17 UTC knapp nördlich der Mainlinie angelangt ist.

Entwicklung am 17.4.2010

Satellitenbild, 17.4., 05:15 UTC
MSG VIS
Quelle: sat24.com
Satellitenbild, 17.4., 05:45 UTC
MSG VIS
Quelle: sat24.com
Satellitenbild, 17.4., 06:15 UTC
MSG VIS
Quelle: sat24.com
Am Morgen des 17. liegt die Aschewolke den Satellitenbildern nach zu urteilen als weißlicher Schleier hauptsächlich über Süddeutschland. Im Tagesverlauf kräftigte sich der Hocheinfluss über Mitteleuropa weiter und in allen Höhenbereichen der Troposphäre setzten sich windschwache Verhältnisse durch. Zwar kam dadurch der Aschenachschub von Island nach Mitteleuropa zum Erliegen, doch die in der Atmosphäre vorhandenen Partikel konnten weder abtransportiert noch durch Niederschlagsprozesse aus der Atmosphäre entfernt werden.
Entwicklung am 18.4.2010

Satellitenbild, 18.4., 05:30 UTC
MSG VIS
Quelle: sat24.com
Satellitenbild, 18.4., 05:45 UTC
MSG VIS
Quelle: sat24.com
Satellitenbild, 18.4., 06:15 UTC
MSG VIS
Quelle: sat24.com
Auch am 18.04. traten bei Hochdruckeinfluss überall in und über Mitteleuropa nur geringe Windgeschwindigkeiten auf. Zu einem Herantransport neuer Aschepartikel oder einem Abtransport der vorhandenen kam es nicht. Als dünner Schleier überzieht die Aschewolke fast ganz Mitteleuropa, die schleierartigen Strukturen werden über der Nordsee und über dem Osten Frankreichs am augenfälligsten.
Entwicklung am 19.4.2010

Satellitenbild, 19.4., 05:00 UTC
MSG VIS
Quelle: sat24.com
Satellitenbild, 19.4., 05:30 UTC
MSG VIS
Quelle: sat24.com
Satellitenbild, 19.4., 06:00 UTC
MSG VIS
Quelle: sat24.com
Wenig Änderung am 19.4.: Recht gleichförmig überzieht der Ascheschleier den größten Teil Mitteleuropas. Die Wolken, die sich von der polnischen Ostseeküste bis in den Norden Deutschlands erstrecken, gehören zu einer schwachen Kaltfront eines Randtiefs über dem Baltikum. Offenbar setzte sich hinter der Front über dem Nordwesten Deutschlands Luft mit einer geringeren Aschekonzentration durch.
Entwicklung am 20.4.2010

Satellitenbild, 20.4., 05:00 UTC
MSG VIS
Quelle: sat24.com
Satellitenbild, 20.4., 05:30 UTC
MSG VIS
Quelle: sat24.com
Satellitenbild, 20.4., 06:00 UTC
MSG VIS
Quelle: sat24.com
Am 20.4. kommt Bewegung in die Wettervorgänge über Mitteleuropa. Die kompakten Wolkenfelder eines von der Nordsee nach Dänemark ziehenden Tiefs überziehen bereits den Norden und Nordwesten Deutschlands. Feuchtere Luft macht sich aber auch im Süden und Südosten mit einzelnen Wolkenfeldern bemerkbar. Sowohl im Norden als auch vom Schwarzwald bis zum Alpenrand traten einzelne Schauer und Gewitter auf. In den Morgenstunden weist gleichwohl zumindest über der Südhälfte der Bildausschnitte der weißliche Schleier nach wie vor auf die Existenz der Aschewolke hin.
Hinweis:
Außer in unmittelbarer Nähe des Vulkans tritt auf den Satellitenbildern der gängigen Wettersatelliten im sichtbaren Kanal die Aschewolke nicht eben kontrastreich hervor. Sie weist einen schleierartigen, durchsichtigen Charakter auf, und nur dadurch unterscheiden sich ihre Streifen und Schlieren von den anderen, kompakteren Wolkenarten. Ein ähnliches Erscheinungsbild könnte allenfalls ein Cirrostratus aufweisen, der sich in den vergangenen Tagen aber nicht gebildet hatte.
Zudem lässt sich die Aschewolke auf den Satellitenbildern nur bei tiefstehender Sonne erkennen, am besten in den beiden Stunden nach Sonnenaufgang. Dann führt die Mie-Streuung, die Vorwärtsstreuung des Sonnenlichtes an den Ascheteilchen, zu einer optischen Aufhellung der Wolke. Tagsüber verschwindet sie auf den Bildern nahezu vollständig.

Bodengebundene Messung

Lidarmessung am 16.4., Cardington, Bedfordshire, UK
Quelle: www.metoffice.gov.uk
Die Lidarmessung vom 16.4. in Cardington, rund 80 Kilometer nördlich von London, zeigt die Aschewolke als schmales gelb-blaues Band. Die maximale Aschekonzentration befindet sich am Morgen gegen 08:00 UTC bei rund 3000 Meter und sinkt im Tagesverlauf langsam auf rund 1400 Meter ab. Der Bereich zwischen 0 und etwa 1500 Meter gehört der Grenzschicht, der unteren Schicht der Troposhäre, deren Höhe mit der Temperatur variiert.
(LIDAR - Light Detection and Ranging, Messverfahren zur Bestimmung von Wolkentröpfchen und anderer Partikel in der Atmosphäre)

Satellitenbilder

17.4.2010, AQUA MODIS
Quelle: NASA Earth Observatory
19.4.2010, TERRA MODIS
Quelle: NASA Earth Observatory
16.4.2010, TERRA MODIS
Quelle: NASA Earth Observatory

Prognosen, Stand: 21.04.2010, 00 UTC

GFS-Prognose Mittelwind 300 hPa, 21.4., 06 UTC
Quelle: Wettergefahren-Frühwarnung
GFS-Prognose Stromlinien, Mittelwind 300 hPa, 21.4., 18 UTC
Quelle: Wetterzentrale
Für die nächsten beiden Tage lassen die GFS-Prognosen erneut eine stramme nordwestliche Strömung erwarten, die von Island direkt nach Mitteleuropa gerichtet ist. Aschepartikel des Vulkans Eyjafjallajökull, sofern er sie hoch und zahlreich genug in die Atmosphäre schleuderte, könnten erneut den Weg nach Mitteleuropa finden. Aktuell (21.04., 18 UTC) erreicht die Aschewolke eine Höhe von 4000 bis 5500 Meter.

Vermutliche Ausbreitung der Aschewolke, 21.4., 00 UTC
Quelle: MetOffice
Ausbreitung der Aschewolke während der nächsten 24 Stunden
Quelle: MetOffice

Messungen des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung (IMK-IFU) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

Messung des Aerosol-Lidars in Garmisch-Partenkirchen, 19.4., 18:50 UTC
Quelle: IMK-IFU
Messung des Wasserdampf-Lidars, Zugspitze, 17.4., 19:24 - 20:32 UTC
Quelle: IMK-IFU
Die ermittelten Rückstreukoeffizienten von maximal 1E-7/(m sr), ein Maß für den Aerosolgehalt, bedeuten eine Sichtweite von weit über 200 Kilometer. Bei Streuung an reiner Luft besteht beträgt die Sichtweite 400 - 500 Kilometer.
Die "Belastung" ist zumindest am Messort nicht sehr hoch und wesentlich geringer als nach dem Ausbruch des Pinatubo auf den Philippinen 1991. Die Situation an anderen Orte kann allerdings nicht bewertet werden. Das Messsystem des IMK hat eine besonders hohe Reichweite, daher lässt sich die gesamte Höhenverteilung des vulkanischen Aerosols erkennen. Es reicht bis in die untere Stratosphäre, und die Meldungen sprachen ja auch von einer sich 11 Kilometer hoch auftürmenden Aschewolke über dem Vulkan.

Mit dem großen Aerosollidar werden seit 1976 Messungen des vor allem durch massive Vulkanausbrüche bestimmten Aerosolgehalts der Stratosphäre durchgeführt.


Pressenotiz des IMK-IFU:
Die Partikelwolke vom Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull hat in der Nacht vom Freitag zum Samstag (Anm.: 16./17.4.2010) die Alpen erreicht. Dort wurde sie während einer kurzen wolkenfreien Phase am Samstagabend über Garmisch-Partenkirchen mit dem leistungsstarken Lidar (Laser-Radar) des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung des Karlsruher Instituts für Technologie in Höhen von 5.5 bis 12 km nachgewiesen. Die Station in den Nordalpen zeigt somit eine noch größere vertikale Ausdehnung des Vulkanstaubs, als sie zuvor bei seiner Ankunft über Lidar-Standorten in Norddeutschland und den Niederlanden nachgewiesen worden war. Die Trübung ist moderat, die ermittelte Sichtweite in der vulkanischen Wolke beträgt über 200 km, im Vergleich zu 25 km in Bodennähe. Garmisch-Partenkirchen sollte vorerst der südlichste Lidarstandort in Mitteleuropa bleiben, an dem Beobachtungen der Aschewolke möglich sind, da sich die Strömung bereits nördlich der Alpen in östliche und westliche Richtung aufgabelt.
Das Garmisch-Partenkirchener Institut untersucht über Lidarmessungen den Einfluss von großen Vulkanausbrüchen auf die Atmosphäre systematisch bereits seit Mitte der Siebzigerjahre. In diese Zeit fallen die großen Ausbrüche des El Chichon in Mexiko (1982) und des Pinatubo auf den Philippinen (1991), welche die Stratosphäre jahrelang außergewöhnlich belastet hatten. Damals wurde gleichzeitig auch eine schnelle Trübung der Kabinenfenster der meist in großer Höhe fliegenden Flugzeuge beobachtet.

Weitere Informationen, Satellitenbilder und Fotos:

KIT Pressemitteilung 046/2010 vom 20.04.2010

http://www.zki.caf.dlr.de/applications/2010/island/189_de.html
http://www.metoffice.gov.uk/aviation/vaac/vaacuk_vag.html
http://www.boston.com/bigpicture/2010/04/more_from_eyjafjallajokull.html
http://www.swisseduc.ch/stromboli/perm/iceland/eyafallajokull_20100416-en.html
http://www.earthice.hi.is/page/ies_Eyjafjallajokull_eruption
http://www.volcano.si.edu/world/volcano.cfm?vnum=1702-02=
http://www.earthice.hi.is/Apps/WebObjects/HI.woa/swdocument/1015721/Sturkell_etal_2009b.pdf
http://earthobservatory.nasa.gov/NaturalHazards/event.php?id=43253


Bernhard Mühr, 29.04.2010