Nach zwei ungewöhnlich heißen Tagen mit Rekordtemperaturen in der Schweiz und im Südwesten Deutschlands beendeten heftige
Gewitter am 25. und 26. Mai 2009 zunächst in Frankreich und Benelux, später auch in Deutschland und in den Alpenländern die
erste kurze Hitzephase des Jahres 2009. Im Süden Baden-Württembergs und Bayerns entstanden durch Hagel und Orkanböen Schäden
in Millionenhöhe; zwei Menschen kamen ums Leben.
Wetterlage und Entwicklung
Auf der Rückseite des nach Südosteuropa abwandernden Hochdruckgebietes "Xenia" stellte sich zum 24. eine südliche
bis südwestliche Strömung ein, mit der sehr warme - im weiteren Verlauf heiße - Subtropikluft nach West- und Mitteleuropa
geführt wurde. Dies geschah an der Ostflanke eines hochreichenden und zunächst über der Iberischen Halbinsel liegenden
Tiefs ("Felix"), das Luft aus der Sahara über das westliche Mittelmeer nordwärts transportierte, wo sie sich in
den unteren Schichten zunehmend mit Feuchtigkeit anreichern konnte. Noch am 23. erreichte die +15-Grad-Isotherme im
850-hPa-Niveau (ca. 1500 Meter Höhe) den Südwesten Deutschlands, am 25. konnten dort sogar bis +21 °C analysiert
werden - ein Wert, der in diesen Breiten selbst im Hochsommer nur an wenigen Tagen beobachtet wird.
Entsprechend hoch stiegen die Temperaturen auch am Boden. Am 23. wurden an der französischen Mittelmeerküste schon
Höchstwerte bis +33 °C gemessen (z. B. Marseille +32,7 °C), am 24. kletterte das Quecksilber in Colmar auf +34,3
°C. In der Schweiz verzeichnete Genf mit +33,8 °C einen neuen Mairekord, in Süddeutschland Freiburg mit +33,0
°C und das knapp 1000 Meter hohe Klippeneck mit +28,3 °C. Zum heißesten Tag avancierte allerdings der 25. Im Süden
und Südwesten Deutschlands wurden insgesamt neun neue Rekorde für die letzte Maidekade aufgestellt, die allesamt
gleichzeitig auch neue Rekorde für den Mai insgesamt bedeuteten. Beispielsweise war es in Freudenstadt (+29,0 °C) an
einem Tag im Mai seit 1949 noch nie so warm wie an diesem 25. Mai 2009. Die deutschlandweit höchsten Temperaturen konnten
dabei erneut aus dem Breisgau vermeldet werden; eine private Wetterfirma maß in Ihringen am Kaiserstuhl +35,3 °C. In
der kompletten Südwesthälfte Deutschlands wurden verbreitet um +30 °C gemessen, selbst Trier schaffte +32,5 °C und
damit einen neuen Rekord. Auch in der Schweiz durften die Meteorologen zahlreiche neue Rekorde in die Klimareihen
eintragen, so zum Beispiel in Sion (+35,1 °C) und in Chur (+34,1 °C). Zum Vergleich: Der absolute Rekord für das
gesamte Jahr liegt in Chur nur etwas mehr als 3 K höher. In Norditalien meldete Verona einen Höchstwert von +36,6 °C.
Bodendruckanalysen vom 24. bis 27.05.2009, jeweils 00 UTC
Quelle: FU Berlin / DWD
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24.05.2009, 00 UTC |
25.05.2009, 00 UTC |
26.05.2009, 00 UTC |
27.05.2009, 00 UTC |
850-hPa-Geopotential und -Temperatur vom 24. bis 27.05.2009, jeweils 00 UTC
Quelle: Wetterzentrale
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24.05.2009, 00 UTC |
25.05.2009, 00 UTC |
26.05.2009, 00 UTC |
27.05.2009, 00 UTC |
Damit hatte die Hitze ihren Höhepunkt erreicht, zog Tief "Felix" doch allmählich nordostwärts über die Mitte
Frankreichs hinweg. In der mittleren und oberen Troposphäre gliederte sich das Höhentief der nordatlantischen Frontalzone
an und wurde als Höhentrog nach Nordosten gesteuert. An der stark diffluenten Nordseite des Höhentiefs zog im Laufe des 25.
ein bereits am Vortag über Spanien entstandener Gewitterkomplex via West- und Nordfrankreich nach Belgien und bis zum Abend
über den Westen zur Mitte Deutschlands. In Aleçon fielen zwischen 6 und 7 MESZ am Morgen 24 mm Niederschlag; weitere
Gewitter, die bereits mit der Kaltfront von "Felix" in Verbindung standen, brachten zwischen 0 und 1 MESZ am 26.
am Pariser Flughafen Charles de Gaulle 17 mm. Diese Gewitter formierten im Bereich des Tiefzentrums von "Felix" zu
einem mesoskaligen konvektiven System (MCS), das sich bis zum Morgen des 26. über Nordfrankreich, die Niederlande und
Nordwestdeutschland nach Dänemark bewegte. In den Niederlanden fielen binnen zwölf Stunden bis 50 mm Regen am Flughafen
Schiphol in Amsterdam. Gleichzeitig griff die Kaltfront in den Frühstunden mit Gewittern auf den Südwesten Deutschlands
über, vorlaufend entwickelten sich an einer Konvergenzlinie über der Mitte weitere Gewitter. An und hinter der Kaltfront
bildeten sich am Nachmittag im Norden und Osten ebenfalls kräftige Gewitter (z. B. Berlin-Schönefeld 90 km/h); das
Hauptaugenmerk lag dann jedoch auf dem Süden des Landes. Aus den Alpen heraus breiteten sich heftige Gewitter mit
Unwettercharakter auf den Süden Baden-Württembergs und später nach Bayern aus. Sie waren zuvor über der Schweiz mit
Annäherung des markanten Südteiles des Höhentroges emporgequollen. An der Südostflanke dieses neuerlichen MCS überquerte
eine ausgeprägte Gewitterlinie zunächst die Nordschweiz, dann die Bodenseeregion, Oberschwaben, das Allgäu, schließlich
Ober- und Niederbayern und am Abend den Norden Österreichs. Verbreitet gab es Starkregen, Hagel und schwere Sturm-, örtlich
sogar Orkanböen. In Konstanz am Bodensee, wo das Unwetter zwischen 16 und 17 MESZ eintraf, wähnte man sich fast im Winter,
nachdem eine dicke Hagelschicht Straßen und Wiesen überzogen hatte. Dazu wehte der Wind in Böen mit 101 km/h. Laupheim
verbuchte zwischen 17 und 18 MESZ eine 112-km/h-Böe, Landsberg mit 140 km/h vollen Orkan. Die höchste Windgeschwindigkeit
mit unglaublichen 156 km/h wurde in Uhldingen-Mühlhofen am Nordufer des Bodensees an der Wetterstation eines privaten
Dienstleisters erfasst.
Imposant lasen sich auch die Niederschlagsmengen. In Mering (Landkreis Aichbach-Friedberg, Bayern) fielen zwischen 17 und 18
MESZ 60 mm, in Aholfing (Niederbayern) zwischen 19 und 20 MESZ 41 mm, in Landshut zwischen 20 und 21 MESZ 32 mm. Ähnlich
hohe und Stundensummen wurden zuvor in der Schweiz beobachtet (z. B. 41 mm auf dem Napf im Kanton Bern). Der Durchzug der
Gewitterlinie ging zudem mit einem regelrechten Temperatursturz einher - beispielsweise war es in Landshut um 18 MESZ noch
28,7 °C warm, zwei Stunden später wurden nur noch +12,4 °C gemessen. In der Nacht zum 27. verlagerte sich das
Starkregengebiet nach Tschechien und Polen und schwächte sich ab. Dennoch summierten sich zwölfstündig bis 8 MESZ in
Tschechien zum Beispiel 53 mm in Churáňov und 40 mm in Milešovka.
Eine zweite Kaltfront, an die eine weitere Schauerlinie mit Sturmböen in Norddeutschland (z. B. Nordholz 76 km/h) gekoppelt
war, drängte die schwülwarme Luft endgültig nach Südosten ab. In der dahinter einströmenden, deutlich kühleren Atlantikluft
beruhigte sich das Wettergeschehen.
Die Unwetter richteten besonders im Süden Deutschlands große Schäden an. Allein im Bodenseeraum wurde der Sachschaden auf
mehrere Millionen Euro taxiert. Sturmböen rissen Bäume um und beschädigten zahlreiche Häuser und Autos. Im Kreis Tuttlingen
durchschlugen hühnereigroße Hagelkörner Dachfenster und -ziegel. Im Bodenseekreis und im Kreis Ravensburg mussten Polizei,
Feuerwehr und Rettungskräfte zu insgesamt mehr als 700 Einsätzen ausrücken. Über erhebliche Schäden klagten die Landwirte;
Wein- und Obstanlagen wurden teilweise völlig zerstört, der Schaden geht in die Millionen. Auf der Strecke Aulendorf -
Ravensburg entgleiste ein Interregio-Express der Deutschen Bahn, als dieser gegen einen umgestürzten Baum fuhr. Der
Lokführer wurde schwer, fünf Fahrgäste leicht verletzt. Auf dem Bodensee kenterten mehrere Boote.
Bei Hauzenberg im Landkreis Passau (Bayern) wurde ein Mann auf einem Quad von einem umstürzenden Baum erschlagen. Auf dem
Münchner Flughafen war der Flugverkehr für rund eine Stunde komplett lahm gelegt. 14 Flüge fielen aus. Zahlreiche Straßen
waren wegen umgestürzter Bäume oder Überflutungen unpassierbar - darunter die Autobahn 8 zwischen München und Stuttgart
zwischen Odelzhausen und Adelzhausen, die mehrere Stunden lang gesperrt war.
In einige Häuser, Bauernhöfe und Scheuen schlugen Blitze ein und lösten Brände aus, beispielsweise in Viernheim und in
Erbach (Alb-Donau-Kreis); dort verbrannten 100 Tiere. Schäden, umgestürzte Bäume und überflutete Straßen wurden auch aus
dem Norden und Osten Deutschlands gemeldet. Auf der Weser bei Bremerhaven kollidierte ein norwegischer Autofrachter mit
drei anderen Schiffen; bei einem libanesischen Schiff riss die Bordwand an mehreren Stellen auf, ein Container ging über
Bord und versank. Im Landkreis Leer (Niedersachsen) fiel wegen Gewittern am Morgen der Unterricht aus.
Auch in Frankreich, Belgien, den Niederlanden, der Schweiz und im Westen Österreichs verursachten die Gewitter schwere
Schäden. Der Brüsseler Flughafen musste wegen heftiger Regenfälle und Sturm während der Nacht zum 26. vorübergehend
geschlossen werden. Auf der Schweizer Seite des Bodensees wurde ein Autofahrer bei Romanshorn von einem umstürzenden Baum in
seinem Auto erdrückt. Vielerorts kam es zu Überflutungen, Bäume wurden von Windböen umgerissen. In der Schweiz belief sich
der gesamte Sachschaden auf etwa zehn Millionen Franken (ca. 6,5 Millionen Euro).
Wetterwerte
Nachstehend eine Übersicht über die in der letzten Maidekade 2009 eingestellten und neu aufgetretenen Dekadenrekorde der
Höchsttemperatur an deutschen Stationen sowie die bisherigen Rekordwerte mit Datum. Datenquelle: DWD
Ort |
neu |
Datum |
alt |
Datum |
Freiburg Klippeneck Trier Berus Tholey Saarbrücken
Freiburg Lahr Freudenstadt Stötten Augsburg Kempten |
33,0 °C 28,3 °C 32,5 °C 30,7 °C
29,8 °C 31,1 °C 33,7 °C 33,8 °C 29,0 °C 27,5 °C 30,2 °C
30,8 °C |
24.05.2009 24.05.2009 25.05.2009 25.05.2009 25.05.2009
25.05.2009 25.05.2009 25.05.2009 25.05.2009 25.05.2009 25.05.2009 25.05.2009 |
32,7 °C 28,2 °C 32,0 °C 30,1 °C
29,6 °C 30,1 °C 33,0 °C 33,2 °C 28,5 °C 26,7 °C 30,2 °C
30,2 °C |
28.05.2005 28.05.2005 27.05.2005 27.05.2005
28.05.2005 27.05.2005 24.05.2009 28.05.2005 28.05.2005 28.05.2005 28.05.2005
27.05.2008 |
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Nachstehend die höchsten gemessenen 1-stündigen Niederschlagsmengen in Frankreich, der Schweiz und Deutschland vom 25. und
26.05.2009 (jeweils bis zum angegeben Zeitpunkt), rechts daneben die höchsten gemessenen 12-stündigen Niederschlagsmengen
in den Niederlanden bis zum 26.05., 06 UTC und die höchsten gemessenen 24-stündigen Niederschlagsmengen in Deutschland bis zum
27.05., 06 UTC (alles soweit vorliegend). Unten Spitzenböen aus der Schweiz und Deutschland vom 26.05.2009. Quellen:
DWD, WetterOnline
Ort |
Nds. |
Datum |
Alençon (F) Alençon (F) Paris/Flgh. CdG (F)
Napf (CH) Aadorf (CH) Ulm (D) München/Flgh. (D) Landshut (D) Großer Arber (D) |
24 mm 21 mm 17 mm 41 mm 29 mm 17 mm
20 mm 32 mm 23 mm |
25., 05 UTC 25., 14 UTC 25., 23 UTC 26., 13 UTC
26., 14 UTC 26., 16 UTC 26., 18 UTC 26., 19 UTC 26., 20 UTC |
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Ort |
26. |
Amsterdam/Schiphol (NL) Stavoren (NL) Hoek Van Holland (NL)
Valkenburg (NL) Wilhelminadorp (NL) |
50 mm 47 mm 39 mm 39 mm 38 mm |
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Ort |
27. |
Konstanz (D) Landsberg (D) Gottfrieding (D) Großer Arber (D)
Kirchhain (D) |
67 mm 44 mm 44 mm 43 mm 37 mm |
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Ort |
26. |
Hörnli (CH) Wädenswil (CH) Pilatus (CH) St. Gallen (CH)
Güttingen (CH) |
117 km/h 109 km/h 106 km/h 106 km/h 98 km/h |
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Ort |
26. |
Landsberg (D) Großer Arber (D) Gottfrieding (D) Laupheim (D)
Hohenpeißenberg (D) |
140 km/h 122 km/h 122 km/h 113 km/h 112 km/h |
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Niederschlag / Gewitter
Radarbilder vom 26./27.05.2009 | Quelle: DWD |
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26.05.2009, 06 Uhr MESZ |
26.05.2009, 12 Uhr MESZ |
26.05.2009, 18 Uhr MESZ |
27.05.2009, 00 Uhr MESZ |
Blitzkarten vom 26./27.05.2009 | Quelle: BLIDS |
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26.05.2009, 04 bis 06 Uhr MESZ |
26.05.2009, 10 bis 12 Uhr MESZ |
26.05.2009, 16 bis 18 Uhr MESZ |
26., 22 bis 27.05., 00 Uhr MESZ |
Nachfolgend vier Niederschlagsgrafiken. Ganz links die 24-stündige interpolierte Niederschlagsmenge in Baden-Württemberg
bis zum 27.05.2009, 13 MESZ; daneben stündliche Niederschlagsmengen an der Station Konstanz-Südkurier vom 24. bis
27.05.2009. Quelle: HVZ Baden-Württemberg
Rechts stündliche Niederschlagsmengen an den Stationen Mering (Landkreis Aichbach-Friedberg / Bayern) und Geratshof (Landkreis
Landsberg am Lech / Bayern) vom 26. und 27.05.2009. Quelle: HND Bayern
Satellitenbilder
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Satbildanimation vom 26.05.2009, 07:00 MESZ bis 21:00 MESZ in 30-min-Schritten /
Größe ca. 6 MB | Bildquelle: EUMETSAT |
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25.05., 15:56 UTC, NOAA-15 VIS/IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern |
25.05., 21:09 UTC, NOAA-17 IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern |
26.05., 05:48 UTC, NOAA-15 VIS/IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern |
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26.05., 12:12 UTC, NOAA-18 VIS/IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern |
26.05., 15:32 UTC, NOAA-15 VIS/IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern |
26.05., 20:45 UTC, NOAA-17 IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern |
Text: CE
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