Gleich zwei kräftige Tiefdruckgebiete sorgten im letzten Januardrittel 2009 in Europa für Schlagzeilen. Auf Sturmtief
"Joris", das am 23. vor allem dem westlichen Mitteleuropa schwere Sturmböen brachte und infolge kräftiger Regenfälle auf
teilweise gefrorenen Boden kleinere Überschwemmungen auslöste, folgte nur einen Tag später Orkantief "Klaus". Es fegte mit
Spitzenböen um 200 km/h über Südfrankreich und Nordspanien hinweg und richtete schwere Schäden an. Nach letzten
Agenturmeldungen kamen allein durch "Klaus" mindestens 25 Menschen ums Leben.
Wetterlage und Entwicklung
Zum ersten Mal im Winter 2008/09 etablierte sich eingangs des letzten Januardrittels eine stramme Frontalzone über dem
mittleren Nordatlantik, in der in einem schmalen Band von Neufundland bis zu den Britischen Inseln bisweilen
Windgeschwindigkeiten von rund 350 km/h im 300 hPa-Niveau (rund 9 Kilometer Höhe) auftraten. Dabei herrschte am Boden tiefer
Luftdruck über dem grönländisch-isländischen Raum mit Zentraltief "Hans", das am 23. zwischen Island und den Britischen
Inseln einen Kerndruck von weniger als 940 hPa aufwies. Der Schwerpunkt des Azorenhochs im Süden befand sich dagegen einige
hundert Kilometer südlich der gleichnamigen Inselgruppe, sodass auch die Frontalzone recht weit südlich verlief und mehr
oder weniger direkt auf Westeuropa ausgerichtet war. Dort teilte sie sich in einen nördlichen Ast, der Richtung Skandinavien
zeigte und einen südlichen Part, der zum westlichen Mittelmeer verlief.
Im Schlepptau von "Hans" konnte Sturmtief "Joris" als Wellentief bereits am 21. über dem Westatlantik analysiert werden. Mit
der kräftigen Höhenströmung wurde es binnen knapp zwei Tagen zur Irischen See gesteuert. Auf seinem weiteren Weg - dem
nördlichen Ast der Frontalzone folgend - durch den Ärmelkanal über Benelux hinweg nach Norddeutschland intensivierte es sich
rasch und erreichte am 23. um 12 UTC mit einem Kerndruck von unter 965 hPa den Höhepunkt seiner Entwicklung. Das
okkludierende Frontensystem von "Joris" überquerte bis zum Abend Deutschland ostwärts. Dabei fiel verbreitet kräftiger
Regen, Richtung Osten gefrierender Regen und besonders im Norden - in der Nähe des Tiefzentrums - sowie am Vormittag in den
höheren Lagen des Westens und der Mitte auch Schnee (z.B. Kahler Asten 11 cm Neuschnee in sechs Stunden). Die höchsten
Niederschlagsmengen innerhalb von 24 Stunden bis zum Morgen des 24. verzeichneten unter anderem Freudenstadt im
Nordschwarzwald mit 34, Deuselbach in Rheinland-Pfalz mit 32 und Braunlage im Harz mit 30 mm. In Todtmoos im Südschwarzwald
gingen von 13 MEZ bis 13 MEZ 41 mm nieder. Durch die starken Niederschläge standen im Hunsrück und in der Eifel viele
Keller unter Wasser. Der Regen fiel dort auf oberflächlich angetauten, durch die lange Frostperiode Anfang des Monats aber
in tieferen Schichten noch gefrorenen Boden, sodass das Niederschlagswasser nur oberflächlich abfließen und nicht versickern
konnte. Vereinzelt kam es zu Erdrutschen wie zum Beispiel in der Nähe von Stockach am Bodensee, wo ein Teilstück der
Autobahn 98 verschüttet wurde.
Zweites Thema war natürlich der Wind, der im Süden Deutschlands mit Passage des Frontensystems am frühen Nachmittag seine
höchsten Geschwindigkeiten erreichte. Hierbei spielten wohl auch Schauerböen eine nicht unwesentliche Rolle, anders lassen
sich Spitzenwerte von 176 km/h (Feldberg/Schwarzwald) sowie die von einer privaten Wetterfirma gemessenen 172 km/h auf dem
Belchen im Südschwarzwald bei einer mittleren Windgeschwindigkeit von rund 100 km/h im 850 hPa-Niveau (ca. 1500 Meter Höhe)
kaum erklären. Auch im südwestdeutschen Flachland kam es verbreitet zu Sturm- und örtlich zu schweren Sturmböen (z.B.
Saarbrücken 93 km/h); Altenstadt in Oberbayern verbuchte mit 108 km/h sogar eine orkanartige Böe. In Nordhessen wurde
infolge der kräftigen Böen ein Mann auf einer Bundesstraße von einem umstürzenden Baum erschlagen.
Auch aus Frankreich und Benelux wurden schwere Sturmböen vermeldet. In Lyon gab es mit 109 km/h eine Böe der Stärke 11. In
Belgien führte Koksijde (90 km/h) die Rangliste der höchsten Windgeschwindigkeiten an, in den Niederlanden La Goeree
(83 km/h).
Ungleich stärker als zuvor "Joris" entwickelte sich nur wenige Stunden später das kleinräumige Orkantief "Klaus", das
allerdings - entlang dem südlichen Ast der Frontalzone - eine südlichere Zugbahn wählte. Am 24. um 00 UTC lag es mit einem
Kerndruck von unter 965 hPa über der Biskaya, bis zum Abend verlagerte es sich über Südfrankreich hinweg nach
Norditalien. Zu der rapiden Vertiefung über dem östlichen Nordatlantik trug ein in die Frontalzone eingelagerter, markanter
Kurzwellentrog bei.
In Nordspanien und im Süden Frankreich gab es in Verbindung mit "Klaus" teilweise extreme
Windgeschwindigkeiten. Unbestätigten Meldungen zufolge wurden an der Station Punta Candeeira im Nordwesten Galiziens an
der spanischen Biskayaküste mehrfach Böen über 200 km/h, in der Spitze sogar bis 215 km/h registriert. In Anbetracht der
199 km/h in der Küstenstadt Gijón erscheinen diese Werte aber durchaus plausibel. Extreme Orkanböen konnten ebenso
in La Coruña (183 km/h) und in Bilbao (155 km/h) gemessen werden. Am internationalen Flughafen in Barcelona wurden
immerhin noch 111 km/h beobachtet, nur wenige Kilometer davon entfernt in Sant Vicenç de Monatalt allerdings
140 km/h. Auch im Süden Frankreichs entfaltete "Klaus" seine volle Stärke. Die höchsten Windgeschwindigkeiten wurden an der
Biskayaküste (z.B. Biscarosse 172 km/h) und am Löwengolf (z.B. Cap Bear 183 km/h) aufgezeichnet. In Bordeaux blies der Wind
mit Böen bis 161 km/h. Auch im Norden Afrikas (Annaba/Algerien 107 km/h) und auf Korsika (bis 160 km/h) war der Orkan
deutlich zu spüren. Hinzu kamen teilweise kräftige Regen-, in den Höhenlagen Südfrankreichs auch Schneefälle. In Sion
(Schweiz) fielen innerhalb von 12 Stunden bis zum 24., 18 UTC 56 mm, in Neapel im selben Zeitraum 46 mm. Zumindest von den
Windgeschwindigkeiten her hält "Klaus" einem Vergleich mit Orkan "Lothar" vom zweiten Weihnachtsfeiertag 1999 in
Mitteleuropa stand.
Entsprechend groß waren die Schäden. Vielfach wurden Dächer abgedeckt, Bäume entwurzelt und Stromleitungen umgerissen. Im
Südwesten Frankreichs waren rund 1 Million Menschen ohne Strom. Die Flughäfen von Bordeaux und Toulouse mussten
vorübergehend geschlossen werden, auch einige Bahnstrecken waren unterbrochen. In Katalonien und der Provinz Alicante gab
es infolge des Orkans Waldbrände, tausende Menschen wurden evakuiert. Neuesten Agenturberichten zufolge kamen durch "Klaus"
mindestens 25 Menschen ums Leben. Allein in Barcelona starben vier Kinder beim Einsturz des Daches einer Sportanlage. In
Frankreich verloren vier Menschen durch eine Kohlenmonoxidvergiftung ihr Leben. Sie hatten nach dem Stromausfall
Generatoren eingeschaltet. Weitere Menschen wurden von umstürzenden Mauern und Bäumen oder von umherfliegenden Trümmern
erschlagen, vor der Küste Galiziens ertrank ein Fischer. Eine Frau starb, weil durch den Stromausfall ihr Beatmungsgerät
ausfiel.
Text: CE
Bodendruckanalysen vom 22. bis 25.01.2009, jeweils 00 UTC
Quelle: FU Berlin / DWD
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22.01.2009, 00 UTC |
23.01.2009, 00 UTC |
24.01.2009, 00 UTC |
25.01.2009, 00 UTC |
500 hPa-Geopotential und Bodendruck vom 22. bis 25.01.2009, jeweils 00 UTC
Quelle: Wetterzentrale
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22.01.2009, 00 UTC |
23.01.2009, 00 UTC |
24.01.2009, 00 UTC |
25.01.2009, 00 UTC |
Wetterwerte
Nachstehend gemessene Spitzenböen in Deutschland am 23.01. im Messnetz des Deutschen Wetterdienstes sowie die stärksten
Böen in Frankreich und Benelux (Quelle: WetterOnline). Dazu die höchsten 24-stündigen Niederschlagsmengen (soweit verfügbar)
bis zum 24., 06 UTC.
Weitere Tabellen beinhalten ausgewählte Böen in Spanien und Frankreich vom 23. und 24.01. (Quellen: WetterOnline,
meteogalicia.es, foro.meteored.com, meteociel.fr).
Ort |
23. |
Wendelstein Feldberg/Schw. Zugspitze Brocken Weinbiet/Pf. Wald
Hohenpeißenberg Großer Arber Klippeneck Altenstadt Wasserkuppe Rheinstetten |
187 km/h 176 km/h 144 km/h 137 km/h
130 km/h 126 km/h 119 km/h 112 km/h 108 km/h 108 km/h 94 km/h |
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Ort |
23. |
Lyon/Satolas (F) Solenzara (F) Bastia-Poretta (F) Le Talut (F)
Châteaudun (F) Koksijde (B) Chièvres (B) Oostende/Flgh. (B) Le Goeree (NL) Euro Platform (NL)
Hoek van Holland (NL) |
109 km/h 109 km/h 104 km/h 104 km/h
98 km/h 90 km/h 87 km/h 86 km/h 83 km/h 83 km/h 79 km/h |
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Ort |
23./24. |
Freudenstadt Deuselbach Braunlage Lüdenscheid
Idar-Oberstein |
34 mm 32 mm 30 mm 28 mm
26 mm |
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Ort |
23./24. |
Gijón/El Musel (E) La Coruña/Malpica (E) Ancares (E)
Bilbao (E) Burela (E) Fragavella (E) San Sebastian (E) Santander (E) Reus (E) Barcelona/Flgh. (E) |
199 km/h 183 km/h 182 km/h 155 km/h
152 km/h 145 km/h 137 km/h 130 km/h 120 km/h 111 km/h |
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Ort |
23./24. |
Cap Bear (F) Biscarosse (F) Cap Ferret (F) Bordeaux (F)
Leucate (F) Cazaux (F) Mont-de-Marsan (F) Biarritz (F) Saint-Girons (F) Toulouse/Blagnac (F) |
183 km/h 172 km/h 172 km/h 161 km/h
156 km/h 141 km/h 141 km/h 135 km/h 126 km/h 120 km/h |
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Satellitenbilder
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22.01., 10:45 UTC, MSG IR
Quelle: EUMETSAT |
23.01., 10:45 UTC, MSG IR
Quelle: EUMETSAT |
24.01., 10:45 UTC, MSG IR
Quelle: EUMETSAT |
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25.01., 10:45 UTC, MSG IR
Quelle: EUMETSAT |
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In Zusammenarbeit mit:
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