In subtropischer Warmluft kam es vom 22.06.2008 an zunächst vor allem im Norden und in der Mitte Deutschlands, später
auch im Süden zu teilweise schweren Gewittern.
Wetterlage und Entwicklung
Nur wenige Tage nach der in diesem Jahr fast pünktlich eingetroffenen Schafskälte kehrten Sonne und Wärme passend zum
kalendarischen Sommeranfang am 21.06. nach Mitteleuropa zurück. Ein kurzer Vorstoß subtropischer Luftmassen im Warmsektor
des über die Britischen Inseln und die Nordsee nach Südwestnorwegen ziehenden Tiefs "Naruporn" ließ die Temperaturen am
22. verbreitet auf hochsommerliche Werte steigen. Die höchste Temperatur maß Regensburg mit +34,6 °C. Die herangeführte
Luftmasse war allerdings nicht nur sehr warm (+21 °C im 850 hPa-Niveau über dem Süden Deutschlands), sondern
gleichzeitig auch recht feucht und damit reich an Energie.
Am 23. hatte die Kaltfront von "Naruporn" die Nordhälfte Deutschlands überquert und erstreckte sich als quasistationäre
Luftmassengrenze quer über Baden-Württemberg und Bayern hinweg. Nördlich von ihr wurde die Warmluft durch kühlere und vor
allem deutlich trockenere Luft ersetzt, im Süden konnte die subtropische Luftmasse dagegen nicht ausgeräumt werden. Wie
trocken die Luft im Norden tatsächlich war verraten die Taupunktstemperaturen. Südlich des Mains lagen diese bei
knapp +20 °C, nördlich davon teilweise sogar im negativen (z.B. Frankfurt/Flgh. -3 °C um 14 Uhr MESZ), mit Ausnahme
der Küsten aber zumindest meist im einstelligen Bereich. Ein weiterer Beleg für die Trockenheit sind die Tiefsttemperaturen
in den Nächten zum 24. und zum 25. Die Werte sanken im Norden auf um +5 °C; Oldenburg mit +4,5 °C sowie Barth an
der Ostseeküste mit +2,4 °C verzeichneten paradoxerweise sogar neue Rekorde für die letzte Junidekade, während im Süden
das Weinbiet im Pfälzer Wald in der Nacht zum 25. eine Tropennacht mit einem Minimum von +20,0 °C vermelden konnte.
Zum 25. entstand über Westfrankreich an der Luftmassengrenze das flache Tief "Olympia", das sich über die Mitte Deutschlands
nach Osten bewegte. Vorderseitig des Tiefs wurde die subtropische Warmluft nochmals nach Norden geführt, ehe am Nachmittag
und Abend rückseitig des Tiefkerns die Kaltfront bis zu den Alpen südwärts vordrang. Diese stellten eine natürliche
Barriere dar, sodass sich Reste der feuchtwarmen Luft auch in den darauffolgenden Tagen im Alpenraum halten konnten.
Bodendruckanalysen vom 21. bis 26.06.2008, jeweils 00 UTC
Quellen: FU Berlin / DWD
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21.06.2008, 00 UTC |
22.06.2008, 00 UTC |
23.06.2008, 00 UTC |
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24.06.2008, 00 UTC |
25.06.2008, 00 UTC |
26.06.2008, 00 UTC |
850 hPa-Geopotential und -Temperatur vom 21. bis 26.06.2008, jeweils 00 UTC
Quelle: Wetterzentrale
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21.06.2008, 00 UTC |
22.06.2008, 00 UTC |
23.06.2008, 00 UTC |
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24.06.2008, 00 UTC |
25.06.2008, 00 UTC |
26.06.2008, 00 UTC |
Nachfolgend eine chronologische Zusammenfassung der Gewittertätigkeit vom 22. bis 26.06.:
Gewitter am 22. Juni
Im Bereich der nordostwärts vorankommenden Warmfront von Tief "Naruporn" gingen bereits am Morgen über dem äußersten
Nordwesten und Norden Deutschlands erste Schauer und Gewitter nieder. Im Vorfeld der von Nordwesten übergreifenden Kaltfront
entwickelten sich - unterstützt durch eine bodennahe Konvergenzlinie - ab Mittag über Benelux und der Nordhälfte
Deutschlands teilweise heftige Gewitter, die mancherorts von Hagel begleitet waren. Augenzeugen dokumentierten örtlich
bis 4 cm große Hagelbrocken. Die Nähe zur für die Jahreszeit ungewöhnlich strammen Frontalzone und damit verbunden hohen
Windgeschwindigkeiten in der Höhe machte sich im Nordwesten durch Gewitterböen bis Stärke 10 bemerkbar (Rheine-Bentlage
100 km/h, Essen 96 km/h). In Goldberg (Mecklenburg-Vorpommern) fielen innerhalb einer Stunde 28 mm Regen, in
Diesdorf (Sachsen-Anhalt) waren es von 18 bis 19 Uhr MESZ 21 mm. Die westfälische Gemeinde Lienen-Kattenvenne verzeichnete
24 mm, die zwischen 20 und 21 Uhr MESZ niedergingen. Auch über der Mitte des Landes entluden sich kräftige Gewitter. Am
Abend und in der Nacht verlagerte sich die Kaltfront allmählich nach Süden, schwächte sich dabei in ihrem Westteil jedoch
ab. Schauer und Gewitter der kräftigeren Sorte gab es dann vor allem noch in der Osthälfte Deutschlands.
Die Gewitter richteten hauptsächlich in Nordrhein-Westfalen Schäden an. Im nördlichen Münsterland waren Straßen durch
umgestürzte Bäume und abgerissene Stromleitungen blockiert. Feuerwehren mussten vollgelaufene Keller auspumpen. Verletzte
gab es ersten Erkenntnissen nach nicht.
Nachstehend die höchsten gemessenen 24-stündigen Niederschlagsmengen in Deutschland bis zum 23.06., 06
UTC; (Quelle: DWD):
Ort |
22./23. |
Bad Rothenfelde Goldberg
Goldenbow Boizenburg Essen-Bredeney |
48 mm 47 mm 45 mm 42 mm
39 mm |
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Radarbilder des Tages / Quelle: wetter.com
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22.06.2008, 07 Uhr MESZ |
22.06.2008, 14 Uhr MESZ |
22.06.2008, 20 Uhr MESZ |
Blitzkarten des Tages / Quelle: BLIDS
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22.06.2008, 05 bis 07 Uhr MESZ |
22.06.2008, 12 bis 14 Uhr MESZ |
22.06.2008, 18 bis 20 Uhr MESZ |
Satellitenbilder des Tages / Quelle: DLR
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22.06., 09:54 UTC, NOAA VIS |
22.06., 12:23 UTC, NOAA VIS |
22.06., 19:39 UTC, NOAA IR |
Gewitter am 23. Juni
Innerhalb der Warmluft entstanden am Nachmittag des 23. über Baden-Württemberg und Bayern erneut kräftige Gewitter. Ein
Schwerpunkt konnte dabei entlang der Donau ausgemacht werden. Dort meldeten z.B. Sigmaringen-Laiz (34 mm), Hayingen (21 mm)
und Günzburg (20 mm) hohe Regenmengen innerhalb einer Stunde. Am späten Nachmittag traf eine Hagelzelle das Stadtgebiet von
München. Augenzeugenberichten zufolge brachte diese im Durchmesser bis zu 6 cm große Hagelschlossen südlich von
Fürstenfeldbruck sowie in den südlichen und südwestlichen Stadtteilen von München hervor. Gegen Abend bildeten sich auch
unmittelbar am Alpenrand Gewitter. Die Station Obere Firstalm/Schlierseer Berge registrierte zwischen 18 und 19 Uhr MESZ
24 mm, in Kreuth-Glashütte kamen im selben Zeitraum 20 mm zustande.
Nachstehend die höchsten gemessenen 24-stündigen Niederschlagsmengen in Deutschland bis zum 24.06., 06
UTC; (Quelle: DWD):
Ort |
23./24. |
Sigmaringen-Laiz Günzburg
Obere Firstalm/Schl. Berge Kreuth-Glashütte Inzell |
54 mm 35 mm 34 mm 24 mm
23 mm |
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Radarbilder des Tages / Quelle: wetter.com
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23.06.2008, 14 Uhr MESZ |
23.06.2008, 16 Uhr MESZ |
23.06.2008, 18 Uhr MESZ |
Blitzkarten des Tages / Quelle: BLIDS
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23.06.2008, 12 bis 14 Uhr MESZ |
23.06.2008, 14 bis 16 Uhr MESZ |
23.06.2008, 16 bis 18 Uhr MESZ |
Satellitenbilder des Tages / Quelle: DLR
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23.06., 09:31 UTC, NOAA VIS |
23.06., 12:13 UTC, NOAA VIS |
23.06., 20:56 UTC, NOAA IR |
Gewitter am 24. Juni
In den Früh- und Vormittagsstunden des 24. zog, durch einen kurzwelligen Höhentrog initiiert, ein mesoskaliges konvektives
System (MCS) von Zentralfrankreich über die Mitte Baden-Württembergs und Bayerns hinweg ostwärts. Binnen einer Stunde
konnten in Baiersbronn-Ruhestein 25, in Ohlsbach 19 und am Stuttgarter Flughafen 17 mm Regen gemessen
werden. Nattheim-Fleinheim auf der Schwäbischen Alb und Geisenfeld-Eichelberg im Landkreis Pfaffenhofen (Bayern) verbuchten
am späten Vormittag 25 und 21 mm für sich. Im weiteren Tagesverlauf beschränkten sich die Gewitter auf den alpinen Raum.
Nachstehend die höchsten gemessenen 24-stündigen Niederschlagsmengen in Deutschland bis zum 25.06., 06
UTC; (Quelle: DWD):
Ort |
24./25. |
Geisenfeld-Eichelberg Nattheim-Fleinheim
Baiersbronn-Ruhestein Großer Arber Elsendorf-Horneck |
31 mm 28 mm 28 mm 22 mm
22 mm |
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Radarbilder des Tages / Quelle: wetter.com
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24.06.2008, 07 Uhr MESZ |
24.06.2008, 09 Uhr MESZ |
24.06.2008, 12 Uhr MESZ |
Blitzkarten des Tages / Quelle: BLIDS
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24.06.2008, 05 bis 07 Uhr MESZ |
24.06.2008, 07 bis 09 Uhr MESZ |
24.06.2008, 10 bis 12 Uhr MESZ |
Satellitenbilder des Tages / Quelle: DLR
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24.06., 02:12 UTC, NOAA IR |
24.06., 09:08 UTC, NOAA VIS |
24.06., 12:02 UTC, NOAA VIS |
Gewitter am 25. Juni
Erste kräftige Gewitter entwickelten sich am 25. über dem Norden von Rheinland-Pfalz und in Hessen bereits in den
Frühstunden. Die Station in Dillenburg registrierte zwischen 8 und 9 Uhr MESZ 27 mm, Witzenhausen-Ziegenhagen eine Stunde
später 25 mm Regen. Um die Mittagszeit kam das aus mehreren Zellen bestehende System in Ostdeutschland an. Bis 12 bzw.
13 Uhr MESZ meldeten Leipzig-Holzhausen bzw. Oschatz 28 und 31 mm.
Die Kaltfront von Tief "Olympus" sorgte am Nachmittag dann besonders im Süden für heftige Gewitter und Unwetter. In
Michelstadt (Odenwald) fielen zwischen 14 und 15 Uhr MESZ 20 mm, in Trostberg im Südosten Bayerns am Abend binnen zwei
Stunden 38 mm. Doch Starkregen war nur ein Aspekt dieses Tages, vielerorts gingen die Gewitter auch mit kräftigen Windböen
einher. In Würzburg und in Weißenburg erreichten die Gewitterböen jeweils 86 km/h, in Hof und auf dem Fichtelberg blies der
Wind sogar in orkanartiger Stärke (je 112 km/h Spitzenböe). Dazu liegen Berichte über zum Teil walnussgroßen Hagel
vor, u.a. wieder aus der Nähe von München.
Infolge der Unwetter starben in Rheinland-Pfalz und in Hessen zwei Menschen bei Verkehrsunfällen, bei Mainz wurde ein
Weinbergarbeiter vom Blitz erschlagen. In Durmersheim im Landkreis Rastatt (Baden-Württemberg) kam es durch Hagel zu Schäden
an Autos und Häusern. Ein Supermarkt musste geräumt werden. In Sachsen standen zahlreiche Straßen unter Wasser, Bäume
stürzten um. In Leipzig fielen Ampelanlagen aus, Straßenbahnweichen konnten nicht mehr gestellt werden. Verletzte und
Schäden gab es auch in Teilen Nordrhein-Westfalens, Hessens, Bayerns und von Rheinland-Pfalz.
Nachdem am Mittag schon schwere Gewitter über Ostfrankreich und Luxemburg gewütet hatten (z.B. Luxemburg-Stadt 100 km/h
in Böen), waren am späten Abend auch der Osten Österreichs sowie Tschechien betroffen. Mehrere Wetterstationen in der
österreichischen Hauptstadt Wien übermittelten schwere Sturmböen (z.B. Wien/City 94 km/h) und dazu kräftigen
Regen (Wien/City 21 mm in drei Stunden). Die dortige Fanmeile der Fußball-EM musste evakuiert werden, dabei wurden zwei
Menschen niedergetrampelt und verletzt. Über die böhmische Stadt Čáslav in Tschechien fegten Orkanböen
hinweg (119 km/h), Pardubice hatte mit Böen der Stärke 11 (107 km/h) zu kämpfen.
Nachstehend die höchsten gemessenen 24-stündigen Niederschlagsmengen in Deutschland bis zum 26.06., 06
UTC; (Quelle: DWD):
Ort |
25./26. |
Schönteichen-Cunnersdorf Oschatz
Hüttgeswasen Leipzig-Holzhausen Itzgrund-Herreth |
55 mm 52 mm 45 mm 45 mm
44 mm |
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Radarbilder des Tages / Quelle: wetter.com
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25.06.2008, 09 Uhr MESZ |
25.06.2008, 13 Uhr MESZ |
25.06.2008, 19 Uhr MESZ |
Blitzkarten des Tages / Quelle: BLIDS
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25.06.2008, 07 bis 09 Uhr MESZ |
25.06.2008, 11 bis 13 Uhr MESZ |
25.06.2008, 17 bis 19 Uhr MESZ |
Satellitenbilder des Tages / Quelle: DLR
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25.06., 02:02 UTC, NOAA IR |
25.06., 10:28 UTC, NOAA VIS |
25.06., 20:10 UTC, NOAA IR |
Gewitter am 26. Juni
Am 26. kehrte in Deutschland Ruhe beim Wetter ein, in Teilen Österreichs gewitterte es allerdings erneut kräftig. An diesem
Tag standen weniger heftige Böen als vielmehr hohe Regenmengen im Vordergrund. Innerhalb von sechs Stunden fielen z.B. an
der Bergstation der Rax-Seilbahn 68 mm Regen, in der Hohen Wand am Hochkogelhaus waren es 48 mm.
Satellitenbilder des Tages / Quelle: DLR
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26.06., 01:51 UTC, NOAA IR |
26.06., 10:02 UTC, NOAA VIS |
26.06., 19:46 UTC, NOAA IR |
Text: CE
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