Wetterlage und Entwicklung
Einen Wintersturm der heftigeren Sorte erlebten große Teile Mitteleuropas am 1. März 2008. "Emma" wütete mit verbreiteten
Orkanböen, forderte mindestens 14 Todesopfer und verursachte Schäden in Millionenhöhe.
Das Tief "Emma" tauchte erstmals am 28.02. über Neufundland in den Analysekarten auf. Innerhalb einer kräftigen
Höhenströmung, die im 300 hPa-Niveau (etwa 9 Kilometer Höhe) Windgeschwindigkeiten von teilweise über 180 kt (ca. 330 km/h)
aufwies, verlagerte es sich binnen 48 Stunden über den Nordatlantik ostwärts und erreichte am 1. um 00 UTC die
südwestnorwegische Küste. An seiner Südflanke entwickelte sich ein Starkwindfeld; im 850 hPa-Niveau (etwa 1500 Meter Höhe)
wurden am Nachmittag des 1. über Norddeutschland mehr als 70 kt (ca. 130 km/h) Mittelwind analysiert. Im Zuge der
Überströmung des Norwegischen Gebirges entstand ein Teiltief, das am 2. den Namen "Emma II" erhielt. Während sich der
ursprüngliche Kern ("Emma I") die norwegische Küste entlang nordostwärts bewegte, zog "Emma II" zum Baltikum und bis zum 4.
schließlich nach Nordwestrussland.
Schon im Vorfeld des okkludierenden Frontensystems frischte der Wind in Deutschland kräftig auf. Am Abend des 29.02. wurden
auf den Gipfeln einiger Mittelgebirge bereits Orkanböen gemessen (z.B. Brocken (1142 Meter) 130 km/h). Im Bereich der stabil
geschichteten Warmluft verlief die Nacht zum 01.03. bundesweit allerdings noch relativ ruhig, selbst an den Küsten traten
vorerst ‚nur' Sturmböen auf (z.B. St. Peter-Ording 86 km/h). Doch in den Morgenstunden und am Vormittag des 1. schwenkte
die Kaltfront bzw. die Okklusion mit Kaltfrontcharakter mit sehr hoher Geschwindigkeit über ganz Deutschland hinweg
südwärts. Um 6 UTC noch im Mittelgebirgsraum gelegen, hatte sie nur 6 Stunden später bereits die Alpen überquert. An ihr
formierte sich eine Linie mit kräftigen schauerartigen Niederschlägen und Gewittern. Die Gewitter waren teilweise sogar
von Hagel begleitet. Auf engem Raum betrugen die Temperaturunterschiede zum Teil mehr als 10 K, entsprechend schnell sank
die Temperatur beim Durchzug der Front (z.B. Heidelberg +10,0 °C um 8 Uhr MEZ und +3,7 °C um 9 Uhr MEZ). Einen
krassen Temperatursturz verzeichnete der Flughafen in Salzburg (Österreich), wo unmittelbar vor der Front um 11 Uhr
MEZ - wohl auch dank leichter Föhnunterstützung - +16,3 °C gemessen wurden und sich eine Stunde später bei nur noch
+0,8 °C Schneeflocken in den Niederschlag mischten. Neben Temperaturstürzen und Wintergewittern waren aber natürlich
vor allem die Böen das bestimmende Wetterelement. Mit der Kaltfront wurden auch die höchsten Windgeschwindigkeiten
registriert. Den Vogel ab schoss dabei der 1835 Meter hohe Wendelstein in den bayerischen Alpen mit 223 km/h, mit gehörigem
Abstand gefolgt von der 2962 Meter hohen Zugspitze, die es auf 187 km/h brachte. Der Feldberg im Schwarzwald (1493 Meter)
mit 162 km/h und der Große Arber im Bayerischen Wald (1446 Meter) mit 155 km/h reihten sich in die Liste der Spitzenböen
ein. Die höchste Böe im Flachland verbuchte Chemnitz mit satten 151 km/h für sich. Weitere Orkanböen meldeten u.a. Mühldorf
am Inn (137 km/h), Freudenstadt (133 km/h) sowie Feuchtwangen-Heilbronn (130 km/h). Hinter der Front waren in vielen
Landesteilen die heftigsten Böen überstanden. Im Nordosten wurde das Windmaximum jedoch erst mit einem nachfolgenden
Höhentrog am Nachmittag erreicht. Schwere Sturm- und örtlich orkanartige Böen setzten sich dann auch dort bis zum Boden
durch (z.B. Potsdam 112 km/h). Erst in der Nacht zum 2. flaute der Wind deutlich ab, ehe er am 2. im Bereich eines weiteren
Tiefs ("Fee") wieder auflebte und vielerorts nochmals schwere Sturmböen hervorbrachte.
Neben Deutschland waren auch benachbarte Länder von "Emma" schwer betroffen. Beispielsweise fegten über Österreich
ebenfalls Orkanböen hinweg. Salzburg/Flgh. und Wien/Schwechat kamen jeweils auf 140 km/h. Auf dem 836 Meter hohen
Milešovka in Tschechien wurden 144 km/h registriert, Zürich in der Schweiz verzeichnete 133 km/h. Verbreitet
schwere Sturmböen traten des weiteren in Großbritannien, Benelux und in Südskandinavien auf.
Infolge von "Emma" fanden europaweit mindestens 14 Menschen den Tod. Allein in Deutschland starben fünf Menschen durch
umgestürzte Bäume oder Unfälle. Weitere Todesopfer hatten Tschechien, Polen und Österreich zu beklagen, wobei sich unter
den Toten in Österreich zwei deutsche Urlauber befanden. Zudem wurden zahlreiche Menschen verletzt. An der Nordseeküste
kam es zu einer schweren Sturmflut mit einem Höchststand von fünf Meter über dem mittleren Hochwasser. Die Böen entwurzelten
Bäume und deckten Dächer ab. Viele Straßen waren unpassierbar. In der Nähe von Brühl bei Bonn fuhr ein ICE gegen einen
umgestürzten Baum, auch sonst war der Bahnverkehr teilweise lahmgelegt. Mancherorts fiel der Strom aus. Spektakuläre
Aufnahmen gelangen einem Hobbyfilmer am Hamburger Flughafen, als ein Airbus A320 der Lufthansa mit 137 Menschen an Bord
bei der Landung von heftigen Böen erfasst wurde und der Pilot die Maschine erst in letzter Sekunde abfangen konnte.
Text: CE
Bodendruckanalysen vom 29.02. bis 03.03.2008, jeweils 00, 06, 12 und 18 UTC
Quellen: FU Berlin / DWD / wetter3.de
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29.02.2008, 00 UTC |
29.02.2008, 06 UTC |
29.02.2008, 12 UTC |
29.02.2008, 18 UTC |
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01.03.2008, 00 UTC |
01.03.2008, 06 UTC |
01.03.2008, 12 UTC |
01.03.2008, 18 UTC |
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02.03.2008, 00 UTC |
02.03.2008, 06 UTC |
02.03.2008, 12 UTC |
02.03.2008, 18 UTC |
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03.03.2008, 00 UTC |
03.03.2008, 06 UTC |
03.03.2008, 12 UTC |
03.03.2008, 18 UTC |
500 hPa-Geopotential und Bodendruck vom 29.02. bis 03.03.2008, jeweils 00 UTC
Quelle: Wetterzentrale
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29.02.2008, 00 UTC |
01.03.2008, 00 UTC |
02.03.2008, 00 UTC |
03.03.2008, 00 UTC |
Wetterwerte
Nachstehend die 15 höchsten gemessenen Böen in Deutschland soweit vorliegend sowie ausgewählte Spitzenböen aus Tschechien
und Österreich, jeweils vom 01.03. Quelle: WetterOnline.
Ort |
01.03. |
Wendelstein Zugspitze Feldberg/Schw. Großer Arber
Fichtelberg Chemnitz Hohenpeißenberg Brocken Mühldorf am Inn Freudenstadt Weinbiet/Pf. Wald
Feuchtwangen-Heilbronn Kahler Asten Geislingen/Stötten Wasserkuppe |
223 km/h 187 km/h 162 km/h 155 km/h
155 km/h 151 km/h 148 km/h 148 km/h 137 km/h 133 km/h 133 km/h 133 km/h 130 km/h 130 km/h
122 km/h |
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Ort |
01.03. |
Milešovka (CZ) Přibyslav (CZ)
Náměšt' nad Oslavou (CZ) Salzburg/Flgh. (A) Wien-Schwechat (A) Bad Vöslau (A)
Linz/Flgh. (A) Wien/Hohe Warte (A) |
144 km/h
133 km/h 122 km/h 140 km/h 140 km/h 130 km/h 126 km/h 119 km/h |
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Niederschlag
Radarbild-Animation vom Durchzug der Kaltfront von Tief "Emma" (Größe ca. 1 MB). Zeitraum: 01.03., 02:00 bis 14:00 Uhr
MEZ; Quelle: wetter.com.
Satellitenbilder
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29.02., 10:49 UTC, NOAA-17 VIS/IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern |
01.03., 10:25 UTC, NOAA-17 VIS/IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern |
02.03., 12:00 UTC, NOAA-18 VIS/IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern |
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03.03., 11:49 UTC, NOAA-18 VIS/IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern |
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In Zusammenarbeit mit:
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