Wetterlage und Entwicklung
Nach zwei Wochen überwiegend von Hochdruckeinfluss geprägten Wetters suchte am 22. Februar 2008 ein kräftiger Wintersturm
Südskandinavien und Norddeutschland heim. Das Tief "Annette" verursachte an den Küsten verbreitet Orkanböen.
Mehrere, von Westen übergreifende kurzwellige Randtröge beendeten am 19. und 20. die Vorherrschaft von Hochdruckgebiet
"Friedrich" mit Schwerpunkt über Mitteleuropa. Es zog sich unter Abschwächung nach Südosten zurück. Über dem Nordatlantik
formierte sich zwischen einem Tiefdrucksystem über dem isländisch-grönländischen Raum und hohem Luftdruck bei den Azoren
eine gut ausgeprägte Frontalzone, in deren Bereich am 21. auch Nordwesteuropa gelangte. Am Abend des 21. erfasste die zu
Tief "Zizi" über dem Nordmeer bzw. einem Teiltief von "Zizi" gehörende Warmfront den Norden Deutschlands und zog rasch
ostwärts. Die Kaltfront näherte sich in der Nacht zum 22. dem Küstengebiet, wurde aber aufgrund einer Wellenbildung über
Irland zunächst auf ihrem weiteren Weg nach Süden behindert. Der Wellenscheitel verlagerte sich mit hoher Geschwindigkeit
in östliche Richtung und erreichte am Mittag des 22. bereits Südnorwegen. Zuvor wurde die Welle schon um Mitternacht als
Randtief analysiert und erhielt den Namen "Annette". Die Entwicklungsvoraussetzungen waren jedoch anfangs nicht
optimal; eine deutliche Vertiefung folgte erst am Abend des 22. und in der Nacht zum 23. durch Interaktion mit einem sich
annähernden Höhentrog über der Ostsee. Dieser Höhentrog gab dann auch den entscheidenden Impuls für eine Drehung der
Strömung auf Nordwest rückseitig der Welle und damit für ein Vorankommen der Kaltfront nach Südosten. Die vertikale
Durchmischung im Bereich der Front sorgte schließlich dafür, dass sich die hohen Windgeschwindigkeiten in der Höhe bis zum
Boden durchsetzen konnten.
An den Küsten traten erste Sturmböen am Abend des 21. auf (z.B. St. Peter-Ording 79 km/h). Bis zum Mittag des 22. blieb es
stark windig, Windstärke 10 wurde aber bis dahin nur vereinzelt erreicht (z.B. Alte Weser Leuchtturm, Kap Arkona). Erst mit
Annäherung der Kaltfront am Nachmittag legte der Wind nochmals deutlich an Stärke zu, beispielsweise meldete der Kieler
Leuchtturm 112 km/h. Zu den stärksten Böen kam es direkt an und unmittelbar hinter der Kaltfront am Abend. Am heftigsten
erwischte es Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Verbreitet wurden Orkanböen registriert (z.B. Kap Arkona
133 km/h). Eine private Wetterfirma maß teilweise noch höhere Spitzenböen (z.B. Hiddensee-Dornbusch 156 km/h, Stralsund
144 km/h). Im Laufe der Nacht ließ der Wind in Norddeutschland nach, im Osten wurden dagegen noch teilweise schwere
Sturmböen verzeichnet (z.B. Potsdam 94 km/h).
Nicht nur Norddeutschland war von dem Sturm betroffen, auch dem südskandinavischen Raum brachte "Annette" schwere Sturm- und
zum Teil Orkanböen. An der Station Lista Fyr im Süden Norwegens wurde am 22. eine Spitzenböe von 126 km/h beobachtet, in
Karup (Dänemark) wehte der Wind in Böen mit 135 km/h. Verbreitet schwere, teilweise orkanartige Sturmböen fegten auch über
Südschweden (z.B. Visby/Gotland 107 km/h) sowie über den Norden Polens und die baltischen Staaten hinweg
(z.B. Koszalin/Polen 112 km/h, Saldus/Lettland 101 km/h).
Der Sturm knickte in Norddeutschland Strom- und Telefonmasten um, entwurzelte Bäume und deckte Dächer ab. Mehrere Menschen
wurden durch umherfliegende Gegenstände leicht verletzt. Auch Teile Schwedens traf es schlimm: In 70.000 Haushalten im
Westen und Süden des Landes fiel der Strom aus, zudem kam es zu Störungen im Mobilfunknetz. Auf dem Göteborger Flughafen
musste der Betrieb komplett eingestellt werden. Behinderungen gab es auch im Fähr- und Bahnverkehr.
Text: CE
Bodendruckanalysen vom 22.02.2008 um 00, 06, 12 und 18 UTC
Quellen: FU Berlin / DWD / wetter3.de
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22.02.2008, 00 UTC |
22.02.2008, 06 UTC |
22.02.2008, 12 UTC |
22.02.2008, 18 UTC |
500 hPa-Geopotential und Bodendruck vom 20.02. bis 23.02.2008, jeweils 00 UTC
Quelle: Wetterzentrale
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20.02.2008, 00 UTC |
21.02.2008, 00 UTC |
22.02.2008, 00 UTC |
23.02.2008, 00 UTC |
Wetterwerte
Nachstehend die 10 höchsten gemessenen Windgeschwindigkeiten in Deutschland vom 22.02. (soweit vorliegend), dazu
ausgewählte Spitzenböen vom 22.02. aus Südskandinavien, Polen und dem Baltikum. Quelle: WetterOnline.
Ort |
22.02. |
Brocken Meierwik Kap Arkona Greifswalder Oie Kiel LT
Boltenhagen Trollenhagen Kiel/Holtenau Barth List/Sylt |
137 km/h
133 km/h 133 km/h 126 km/h 126 km/h 122 km/h 119 km/h 119 km/h 119 km/h
115 km/h |
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Ort |
22.02. |
Ekofisk (N) Lista Fyr (N) Oksøy (N) Utsira (N)
Karup (DK) Aalborg (DK) Hammerodde/Bornholm (DK) Visby (S) Växjö/Kronoberg (S) Göteborg/Save Flgh. (S)
Koszalin (PL) Ustka (PL) Łeba (PL) Liepāja (LETT) Saldus (LETT) |
135 km/h
126 km/h 122 km/h 115 km/h 135 km/h 119 km/h 115 km/h 107 km/h
91 km/h 89 km/h 112 km/h 108 km/h 104 km/h 101 km/h 101 km/h |
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Satellitenbilder
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21.02., 10:33 UTC, NOAA-17 VIS/IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern |
22.02., 11:53 UTC, NOAA-18 VIS/IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern |
23.02., 11:42 UTC, NOAA-18 VIS/IR
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern |
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