Wetterlage und Entwicklung
Nur gut 5 Wochen nach dem letzen Hochwasser im Alpenbereich, als besonders der Landkreis Traunstein
und in Österreich Gebiete entlang der Salzach (Pinzgau) in Mitleidenschaft
gezogen worden waren, traten - dieses Mal allerdings weiter westlich -
vom 20. bis zum 24.8.2005 erneut enorme Regenmengen auf.
Die Pegelstände der Flüsse übertrafen teilweise die bisherigen Rekordmarken und
vielerorts selbst die des Pfingsthochwassers vom Mai 1999.
Bei Hochwasserlagen im Alpenraum
gestaltet sich der Wetterablauf immer ähnlich:
Ein Höhentrog reicht zunächst über Frankreich hinweg ins westliche Mittelmeer, in seinem
Südteil entsteht durch einen Abschnürungsprozess ein eigenständiger Höhenwirbel,
der dann über Norditalien Richtung nördliches Balkan ostwärts wandert.
Großräumige Hebungsprozesse, günstige Strömungsverhältnisse in Bodennähe,
die das zugehörige Bodentief vorgibt und eine extreme Stauwirkung der Berge ermöglicht,
sowie sehr feuchte Luftmassen führen zu Niederschlagsmengen, die ohne Weiteres
mehrere Hundert mm erreichen können - besonders dann, wenn die Gesamtkonstellation
sich als über mehrere Tage beständig erweist und nur langsam ändert.
Am 20.8.2005, 00 UTC, lag der Höhentrog mit seiner Achse noch über Frankreich,
sie reichte etwa bis zu den Balearen, der Abschnürungsprozess hatte bereits begonnen.
Das Bodentief "Norbert" lag noch wenig wetterwirksam über Norditalien, nördlich der Alpen
herrschte unter dem Einfluss des Tiefdruckgebietes
"Mitri" unbeständiges Wetter mit schauerartigen Niederschlägen, die lokal auch durchaus kräftig
ausfielen (Oberreute 58 mm).
Als 24 Stunden später das Höhentief über dem Golf von Genua anlangte, aktivierte es es das Bodentief "Norbert";
die Hebungsprozesse griffen in der Schweiz auf die Alpennordseite über und brachten
zB auf dem Pilatus bereits 48 mm Regen.
Weiter nördlich und östlich beruhigte sich das Wetter vorübergehend, hier gab es nur einige
unbedeutende Schauer.
Besonders in der Zentralschweiz regnete es vom 21. auf den 22.8.
zunehmend ohne Unterbrechung, die größte Menge fiel auf dem Napf mit 129 mm.
Mit der Verlagerung des Höhentiefs und des Bodentiefs "Norbert" nach Nordosten
(am 23.8.2005 lag es um 00 UTC etwa
über dem nordwestlichen Slowenien) wanderte zum einen auch das Hauptregengebiet nach Osten, zum anderen
drehte die Strömung an der Alpennordseite auf Nord bis Nordost, so dass
sich der Staueffekt immer nachhaltiger bemerkbar machte.
Vom 22. auf den 23.8. regnete es besonders kräftig
von Graubünden über Vorarlberg und das Allgäu bis hin zum Werdenfelser Land.
Der Säntis verzeichnete eine 24-stündige Regenmenge von 186 mm, Oberstdorf
registrierte 122 mm, Vaduz in Liechtenstein 97 mm. In Garmisch fielen in der Nacht bis
zu 14 mm stündlich. Das Niederschlagsgebiet reichte über Nordostbayern bis nach Thüringen und Sachsen,
in Chemnitz kamen insgesamt fast 60 mm zustande.
Am 23.8. tagsüber wurde der Regen nur langsam schwächer und brachte auf dem Wendelstein noch 102 mm,
in Kufstein 72 mm. Gleichzeitig wanderte der Starkregen weiter nach Osten und betraf jetzt hauptsächlich
das Gebiet vom Mangfallgebirge bis ins Chiemgau und nach Tirol hinein.
Am Abend des 23.8. und in der Nacht zum 24.8. ließ der Regen rasch nach und hörte abgesehen von einigen Schauern
vielfach ganz auf.
Auswirkungen
Bei Niederschlagsmengen, die in gebirgigem Terrain binnen 24 Stunden größerflächig
mehr als 100 mm erreichen, sind zum Teil schwerwiegende Folgen unausweichlich.
Dieses Mal traten die größten Niederschlagsmengen in der Zentral- und Nordostschweiz auf,
vom Bregenzer Wald bis ins Württembergische und Bayerische Allgäu, sowie vom Ammergebirge über
das Wettersteingebirge und das Mangfallgebirge bis hin zu den Chiemgauer Alpen, auf österreichischer
Seite im Gebiet von den Lechtaler Alpen über das Karwendelgebirge bis zum Kaisergebirge.
Es kam zu Schlamm- und Gerölllawinen, die viele Straßen- und Eisenbahnverbindungen
verschütteten und unterbrachen, etliche Orte waren von der Außenwelt abgeschnitten, zB Engelberg
in der Schweiz oder Lech am Arlberg, die Gotthard-Bahnlinie in der Schweiz war unpassierbar.
Noch dramatischer entwickelten sich aber die Hochwässer besonders der Flüsse, die in
den genannten Gebieten ihr Einzugsgebiet haben.
In Deutschland waren das besonders die Iller, deren 3 Quellflüsse
Breitach, Stillach und Trettach in Oberstdorf zusammenfließen und alle extremes Hochwasser führten,
die Wertach, der Lech, die Loisach und die Isar.
In diesen Flüssen stieg der Pegel jeweils rasant an und meist wurden die Hochwassermarken
der Meldestufe 4 übertroffen. Die Loisach überflutete große Teile von Eschenlohe, der Ausnahmezustand
wurde verhängt. Größere Überschwemmungen gab es auch im Ausland, zB trat die Aare in Bern über die Ufer
und überschwemmte das Matte-Viertel, dessen Bewohner evakuiert werden mussten.
In den kleineren Flüssen erreichten die Pegelstände ihre größten Höhen fast zeitgleich mit den
maximalen Niederschlägen am 23.8.2005. Sie übertrafen zum Teil sogar die bisherigen Höchststände
vom Pfingsthochwasser am 12.5.1999.
Die Abflussmengen betrugen ein Vielfaches der üblichen Mengen; strömten mit der Iller
in Sonthofen am 21.8. abends noch etwa 30 m³ talwärts, waren es am Morgen des 23.8. fast 500 m³!
Hier ist ein solches Hochwasser statistisch nur etwa alle 1000 Jahre einmal zu erwarten!.
Am Hochrhein in Hauenstein erreichte das Hochwasser durch die Zuflüsse aus der Schweiz
am 23.8.2005 einen Stand wie am 2.6.1995. Tags darauf wurde auch in Karlsruhe-Maxau
die Hochwassermarke übertroffen, die bisherigen Höchststände allerdings weit verfehlt; hierzu hätte
es zusätzlicher Hochwasser führender Zuflüsse besonders aus dem Schwarzwald bedurft.
Die Scheitelwelle des Hochwassers macht sich flussab erst ein oder mehrere Tage später bemerkbar.
So übertraf der Pegel der Isar in München am 24.8. die Meldestufe 4.
Große Sorgen machte man sich auch an der Donau, wo die höchsten Wasserstände am 26. und 27.8.2005 auftraten.
Allerdings hielten die Dämme weitgehend stand und das Hochwasser verlief vergleichsweise glimpflich.
Bewertung
In den letzten Jahren häufen sich durch sogenannte Vb-Wetterlagen verursachte Hochwässer im südlichen und östlichen Mitteleuropa.
Die markantesten waren das Oderhochwasser 1997 in Polen und Ostddeutschland, das Pfingsthochwasser 1999 in Südbayern,
das Elbehochwasser 2002 und jetzt das erneute Ereignis in Südbayern. Das wirft die Frage auf, ob wir es mit einer signifikanten
Veränderung zu tun haben, die möglicherweise bereits Folge der beobachteten allgemeinen Erwärmung des Klimas ist.
Vb-artige Tiefdrucklagen treten vor allem in Zeiten mit vergleichsweise schwach ausgeprägter Westwindzirkulation im europäischen
Raum auf. Seit Mitte der 1990er Jahre leben wir in einer Phase mit schwächeren Westwinden. Solche Phasen verringerter Aktivität wechseln sich mit
westaktiveren wie zu Beginn der 1990er Jahre ab. Ob sich generell die Niederschlagsintensität der hochwasserverursachenden
Wetterlagen verstärkt hat, ist nicht sicher festzustellen, da die Zahl der Ereignisse hierfür noch zu gering ist. Dennoch ist
bei erhöhter Temperatur aufgrund des höheren Energieinhalts der Luft generell mit potenziell heftigeren Niederschlagsereignissen
zu rechnen, wenn auch nicht notwendigerweise mit größerer Häufigkeit. Möglicherweise erleben wir gerade die ersten Anzeichen davon.
Bodendruckanalysen vom 20. bis zum 23.8.2005, jeweils 00 UTC
Quelle: FU Berlin / DWD
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20.8.2005, 00 UTC
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21.8.2005, 00 UTC
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22.8.2005, 00 UTC
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23.8.2005, 00 UTC
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Bodendruck und 500 hPa-Geopotentail vom 20.8.2005 bis zum 23.8.2005,
jeweils 00 UTC:
Quelle: Wetterzentrale
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20.8.2005, 00 UTC
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21.8.2005, 00 UTC
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22.8.2005, 00 UTC
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23.8.2005, 00 UTC
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Niederschlag
Nachstehend eine Auswahl an gemessenen Niederschlagsmengen von Freitag, 19.8.2005, 06 UTC,
bis zum Mittwoch, 24.8.2005, 06 UTC, jeweils 24-stündig, in Deutschland und in der Schweiz
sowie in Liechtenstein und Österreich:
Ort |
19./20. |
20./21. |
21./22. |
22./23. |
23./24. |
Summe |
Kreuth Oberreute
Waakirchen Oberammergau Hohenpeißenberg
Garmisch Oberstdorf Steingaden
Immenstadt Wendelstein |
21 mm
58 mm 27 mm 10 mm 13 mm 21 mm 16 mm 9 mm 16 mm 12 mm |
4 mm
- 4 mm 4 mm 5 mm 6 mm 15 mm 4 mm
3 mm |
6 mm
17 mm 8 mm 17 mm 41 mm 7 mm 15 mm 17 mm 14 mm 9 mm |
126 mm
98 mm 91 mm 119 mm 79 mm 105 mm 122 mm 110 mm 100 mm 19 mm |
85 mm
13 mm 53 mm 32 mm 37 mm 32 mm 13 mm 24 mm 32 mm 102 mm |
242 mm
186 mm 183 mm 182 mm 175 mm 171 mm 170 mm 164 mm 162 mm 145 mm |
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Ort |
19./20. |
20./21. |
21./22. |
22./23. |
23./24. |
Summe |
Napf Säntis
Engelberg Pilatus Interlaken
Luzern St. Gallen |
22 mm
13 mm 16 mm 17 mm 16 mm 24 mm 14 mm |
37 mm
- 9 mm 48 mm 19 mm 24 mm 22 mm |
127 mm
21 mm 79 mm 67 mm 81 mm 81 mm 55 mm |
51 mm
186 mm 111 mm 40 mm 46 mm 26 mm 43 mm |
-
8 mm - - - - 1 mm |
237 mm
228 mm 215 mm 172 mm 162 mm 155 mm 135 mm |
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Ort |
19./20. |
20./21. |
21./22. |
22./23. |
23./24. |
Summe |
Vaduz (FL) Innsbruck
Kufstein |
19 mm
22 mm 17 mm |
5 mm
10 mm 4 mm |
29 mm
8 mm 5 mm |
97 mm
59 mm 25 mm |
5 mm
25 mm 72 mm |
155 mm
124 mm 123 mm |
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Niederschlag vom 20. bis zum 23.8.2005 in Baden-Württemberg und in Kempten (Bayern)
Quelle: HVZ
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20.8.2005, 00 UTC
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21.8.2005, 00 UTC
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Flusspegel und Abflussmengen
Pegel und Abflussmengen verschiedener Flüsse
Quellen: HVZ, HND und Wasserwirtschaftsamt Kempten
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Pegel Rhein / Hauenstein
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Pegel Rhein / Karlsruhe-Maxau
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Pegel Stillach / Oberstdorf
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Pegel Loisach / Eschenlohe
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Pegel Isar / München
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Pegel Donau / Kelheim
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Abfluss Iller / Sonthofen
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Abfluss Wertach / Biessenhofen
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21.8.05, 12:34 UTC, NOAA IR/VIS
Quelle: CHMU, Prag |
22.8.05, 10:36 UTC, NOAA IR/VIS
Quelle: CHMU, Prag |
23.8.05, 10:13 UTC, NOAA IR/VIS
Quelle: CHMU, Prag |
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21.8.05, 16:08 UTC, N12 VIS
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern |
22.8.05, 15:58 UTC, N12 VIS
Quelle: M. Wienzek |
23.8.05, 10:27 UTC, N17 VIS
Quelle: M. Wienzek |
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