Wetterlage und Entwicklung
Die bisher heißesten Tage in Mitteleuropa gingen spektakulär zu Ende mit
golfballgroßen Hagelkörnern in Südfrankreich, Windböen bis fast 200 km/h
im Erzgebirge oder Niederschlagsmengen bis 77 mm!.
Am 28.7.2005, 00 UTC,
reichte ein mächtiger Höhentrog mit seiner Achse etwa von Irland bis nach Marokko;
für die zentralen Teile Europas resultierte daraus eine kräftige
südwestliche Höhenströmung, in die teilweise sogar
extrem heiße kontinentale Tropikluft (cT) mit einbezogen wurde.
Über den Alpen und über der Südhälfte Deutschlands
lagen die Temperaturen im 500 hPa-Niveau bei -9°C!.
Die Zugspitze verfehlte ihren Rekord der 3. Julidekade mit 16.9°C am
28.7.1983 nur um wenige Zehntel Grad (16.3°C).
So stiegen die Temperaturen zumindest in Teilen Baden-Württembergs
und von Rheinland-Pfalz auf die bislang höchsten Werte in diesem Jahr:
Niederstetten im Norden Baden-Württembergs maß 36.7°C,
nur unwesentlich kühler war es in Karlsruhe mit 36.3°C oder
in Mannheim mit 36.2°C.
Das Bodentief "Gerrit" lag mit seinem Zentrum zu diesem Zeitpunkt noch
über der Bretagne, seine Warmfront über dem Norden Deutschlands.
In der Höhe überwog in Deutschland noch der antizyklonale Einfluss, der die
Gewittertätigkeit weitgehend unterdrückte.
Allerdings bildete sich in einem breiten Streifen vom Osten Spaniens, quer durch Frankreich
bis nach Deutschland ein Gewitterband, das sich zB auf dem zweiten Satellitenbild unten
oder auf der entsprechenden Blitzkarte eindrucksvoll abzeichnet.
In Deutschland überdeckte dieser Streifen ein Gebiet etwa von Rheinland-Pfalz
über das südliche Nordrhein-Westfalen hinweg bis nach Hessen. Auch an der Ostsee
entwickelten sich vereinzelt Gewitter. Der Kahle Asten verzeichnete eine
Niederschlagsmenge von 26 mm.
Höhentrog und Bodentief verlagerten sich in der Folge weiter nach Osten,
das Tief "Gerrit" war am 29.7.2005, 00 UTC, über Südengland
anzutreffen. Auch die wärmste Luft wurde langsam nach Osten abgedrängt,
sie ließ in Kümmersbruck in Nordbayern die Temperatur auf 34.7°C ansteigen,
Kubschütz in Sachsen brachte es auf 34.1°C.
Als fehlerhaft erwies sich die Prognose der Höchsttemperatur für den
Freitag, 29.7.2005, insbesondere im Osten: Die Modelle berechneten
für das Gebiet nördlich von Thüringer Wald und Erzgebirge
Maxima zwischen 37 und 39°C und auch ein neuer deutscher
Hitzerekord schien in Reichweite. Die prognostizierten Höchsttemperaturen
wurden allerdings nicht annähernd erreicht. Zum einen behinderten Gewitterreste
vom Vorabend und der vorangegangenen Nacht zeitweise die Einstrahlung
und zum anderen bestand vermutlich eine kräftige Inversion, die nicht aufgelöst werden konnte
und eine vertikale Durchmischung der Luft erschwerte. Auch könnte eine bodennahe Advektion
kühlerer Luft den Anstieg der Temperaturen gebremst haben.
Von alldem offenbar unbeeindruckt erreichte Pilsen in Tschechien
eine Höchsttemperatur von 38.3°C, Prag immerhin noch 36.5°C.
Der Tag in Deutschland begann noch meist recht freundlich, lediglich von
Rheinland-Pfalz über das westliche Hessen bis nach Niedersachsen hielt
sich ein Wolkenband, aus dem es leicht schauerte oder gewitterte.
Am Nachmittag bildeten sich in der feuchtwarmen Luft dann zunächst im Nordwesten
und in Thüringen einzelne aber zum Teil schon heftige Gewitter.
Am frühen Abend zogen dann unwetterartige Gewitter von der Schweiz und Frankreich
in den äußersten Südwesten Baden-Württembergs; sie brachten Hagel und
Sturmböen und richteten zB im Breisgau und am Hochrhein erheblichen Schaden an.
Diese Gewitter formierten sich zu einem großen Wolkenkomplex, der
nordostwärts Richtung Hessen und Nordbayern zog,
aber meist keine allzu heftigen Niederschläge mehr brachte.
Eine andere Gewitterzone zog vom Alpenrand kommend über Bayern nordwärts.
Die heftigste Gewitteraktivität entfaltete sich am späten Abend und in der Nacht
zu Samstag über dem Nordosten
Deutschlands. Hier entstanden laufend kräftige Gewitter,
die sich dann mit den von Hessen und Nordbayern nachrückenden Komplexen
zu einem einzigen riesigen Wolkenkomplex verbanden. Die Niederschlagsmengen erreichten Werte
bis über 70 mm (Eilenburg in Sachsen 77 mm).
Zur gleichen Zeit bildete sich an der von Westen heranziehenden Kaltfront des Tiefs "Gerrit"
das Teiltief "Hansi", das am 30.8.2005, 00 UTC, über dem westlichen Niedersachsen lag.
Es sorgte mit seinem Hebungsgebiet in Teilen der Niederlande und
im nordwestlichen Nordrhein-Westfalen für ergiebigen Regen, der sich zB in Geldern bis zum
Morgen auf 72 mm summierte.
Insgesamt kamen in Deutschland die größten Niederschlagsmengen
in 3 Bereichen zustande:
In Baden-Württemberg nördlich der Donau, der Nordhälfte Bayerns, in Thüringen,
Sachsen-Anhalt, Sachsen, Brandenburg sowie Hiddensee und Rügen;
ein weiterer Schwerpunkt erstreckte sich von der Eifel über das westliche Niedersachsen bis nach Hamburg,
der dritte lag im nordwestlichen Nordrhein-Westfalen.
Besondere Erwähnung verdient der Wind:
Mit den Gewittern traten Sturmböen auf, die häufig mehr als 100 km/h erreichten
und auch Orkanböen waren keine Seltenheit (zB Straubing 122 km/h).
Die weitaus heftigsten Böen verzeichneten Stationen im Erzgebirge: Zinnwald-Georgenfeld
registrierte eine Bö von 191 km/h (!), der Fichtelberg oder Usti Nad Labem noch 152 km/h.
500 hPA-Geopotential vom 28., 29., 30.7.2005, jeweils 00 UTC
Quelle: Berliner Wetterkarte
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28.7.2005, 00 UTC
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29.7.2005, 12 UTC
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30.7.2005, 00 UTC
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Bodendruckanalysen vom 28., 29., 30.7.2005, jeweils 00 UTC
Quelle: Berliner Wetterkarte
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28.7.2005, 00 UTC
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29.7.2005, 12 UTC
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30.7.2005, 00 UTC
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Blitzeinschläge am 28., 29. und 30.7.2005, jeweils 00-23 UTC
Quelle: Wetterzentrale
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28.7.2005, 00-23 UTC
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29.7.2005, 00-23 UTC
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30.7.2005, 00-23 UTC
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Radarbilder vom 29.7.2005 15 UTC bis 30.7.2005, 01 UTC, in zweistündigem
Abstand:
Quelle: DWD / wetter.com
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29.7.2005, 15 UTC
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29.7.2005, 17 UTC
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29.7.2005, 19 UTC
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29.7.2005, 21 UTC
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29.7.2005, 23 UTC
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30.7.2005, 01 UTC
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Niederschlag in Schwäbisch-Hall-Wielandsweiler und in Wolfach in Baden-Württemberg
Quelle: HVZ
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Schwäbisch-Hall-Wielandsweiler
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Wolfach
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Temperatur
Nachstehend die Orte mit den jeweils höchsten in Deutschland gemessenen
Temperaturen am 27., 28. und 29.7.2005:
Ort |
27. |
Rheinau Karlsruhe
Waghäusel Freiburg Emmendingen |
34.7°C
34.1°C 34.0°C 33.9°C 33.8°C |
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Ort |
28. |
Niederstetten Karlsruhe
Mannheim Stuttgart-Neckartal Bad Dürkheim |
36.7°C
36.3°C 36.2°C 36.0°C 36.0°C |
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Ort |
29. |
Kümmersbruck Regensburg
Roth Weiden Kubschütz (Kr. Bautzen) |
34.7°C
34.2°C 34.2°C 34.2°C 34.1°C |
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Niederschlag
Nachstehend die Orte mit den jeweils höchsten in Deutschland gemessenen
24 stündigen Niederschlagsmengen, jeweils von 06 bis 06 UTC, vom 27. bis
zum 30.7.2005:
Ort |
27./28. |
Bad Lippspr. (NRW) Wahlen (HES)
Lüdge (NRW) Waldeck (NRW) Holzdorf (S-ANH) Bad Hersfeld (HES)
Braunlage (NS) Karlsruhe |
37 mm
35 mm 32 mm 29 mm 28 mm 27 mm 26 mm 0 mm |
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Ort |
28./29. |
Kahler Asten (NRW) Boltenhagen (MVP)
Lissendorf (RP) Lauperath (RP) Rödermark (HES) Kirchdorf (MVP)
Rheine (NRW) Karlsruhe |
26 mm
23 mm 22 mm 22 mm 20 mm 20 mm 19 mm 6 mm |
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Ort |
29./30. |
Eilenburg (SAC) Hiddensee (MVP)
Geldern (NRW) Borken (NRW) Kalkar (NRW) Langenlipsdorf (BRA)
Wolfach (BW) Karlsruhe |
77 mm
76 mm 72 mm 67 mm 62 mm 54 mm 53 mm 10 mm |
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Wind
Nachstehend die Orte mit Windspitzen von 100 km/h oder mehr in
Deutschland und im benachbarten Ausland am 28.7.2005 und in
der Nacht zum 30.7.2005:
Ort |
Bö |
Zinnwald Fichtelberg
U. Nad Labem (CZ) St. Dizier (F) Milesovka (CZ) Genf (CH)
Niederstetten Straubing |
191 km/h
152 km/h 152 km/h 144 km/h 144 km/h 130 km/h
126 km/h 122 km/h |
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Ort |
Bö |
Chasseral (CH) Galzig (A)
Lichtenhain Öhringen Changins (CH) Gütsch (CH)
B-Mulhouse (F) Nürnberg |
120 km/h
119 km/h 115 km/h 115 km/h 115 km/h 113 km/h
111 km/h 107 km/h |
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Ort |
Bö |
Büchel Schleiz
Aue Jungfraujoch (CH) Zugspitze Patscherkofel (A)
Dresden Kocelovice (CZ) |
104 km/h
104 km/h 104 km/h 104 km/h 100 km/h 100 km/h
100 km/h 100 km/h |
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28.7.05, 16:09 UTC, N12 VIS
Quelle: B. J. Burton |
28.7.05, 17:27 UTC, N15 VIS
Quelle: Geog. Inst., Uni Bern |
28.7.05, 20:16 UTC, N14 IR
Quelle: L. Hamilton |
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29.7.05, 13:15 UTC, N18 IR/VIS
Quelle: B. J. Burton |
29.7.05, 15:43 UTC, N12 VIS
Quelle: B. J. Burton |
29.7.05, 15:43 UTC, N12 VIS
Quelle: B. J. Burton |
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29.7.05, 15:50 UTC, N12 VIS
Quelle: B. J. Burton |
29.7.05, 17:06 UTC, N15 VIS
Quelle: M. Wienzek |
29.7.05, 21:11 UTC, NOAA IR
Quelle: CHMU Prag |
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