Wetterlage und Entwicklung
Gut zwei Wochen nachdem Sturmtief "Yasna" West- und Mitteleuropa
unruhige Tage beschert hatte, vollzog sich vom 6. bis zum 9.7.2004 erneut eine
außergewöhnliche Tiefdruckentwicklung.
Am 6.7.2004, lag über Spanien ein Hitzetief, das im Osten und Süden des Landes
sowie in Südfrankreich etliche Gewitter entstehen ließ (Zaragoza 26 mm).
Vom Atlantik näherte sich ein kräftiger Höhentrog,
unter dessen hebungsaktive Vorderseite das kleine Bodentief geriet
und sich dann rasch weiter entwickelte. Auf der Westeite des Tiefs gelangte
kühle Atlantikluft über Spanien bis hinunter ins westliche Mittelmeer,
subtropische Warmluft strömte nach Norden. Ein ausgedehntes Wolken- und Niederschlagsgebiet
entstand, das am 7.7. über dem Nordwesten Frankreichs
heftige und ergiebige Niederschläge brachte (Ouessant 72 mm in 12 Stunden),
die teils auch von Blitz und Donner begleitet
waren. Die Okklusion, die sich spiralig aus dem Zentrum des Tiefs herauswand, griff über
den Ärmelkanal nordwärts aus und verursachte am Abend des 7.7. auch über dem Süden und
Osten Englands heftigen Regen. Bei einem Kerndruck von 991 hPa am 8.7. um 00 UTC und einem
scharfen Druckgradienten blies zudem ein stürmischer Wind.
Die Warmfront des Tiefs beeinflusste am 7.7. auch Deutschland.
Ein dichtes Wolkenband zog langsam von Süden nach Norden über Deutschland
hinweg und verhinderte weitgehend eine kräftige Sonneneinstrahlung und Erwärmung.
Heftigere Gewitter blieben so erst einmal aus.
Von Südwesten lockerte die Bewölkung am Abend wieder auf
und in der Warmluft und mit noch zwei Stunden Sonnenschein konnte in Karlsruhe
zwischen 19 und 20 Uhr das außerordentlich späte Tagesmaximum der Temperatur
von 26.5°C erreicht werden.
Der Höhentrog und mit ihm das Bodentief über Nordfrankreich
verlagerte sich nur sehr langsam weiter nach Osten.
In der Höhe herrschte über Mitteleuropa eine kräftige südliche Strömung,
in Böen blies der Wind auf den nördlichen Alpengipfeln
seit dem Morgen des 8.7. mit Geschwindigkeiten von weit mehr als 100 kmh,
und flaute auch tagsüber zunächst nicht ab.
Die ersten Gewitter entwickelten sich am Abend des 7.7. im Südwesten Deutschlands.
In Heidelberg fielen zwischen 19 und 20 UTC 14.4 mm, in Bad Bergzabern
zwischen 21 und 22 UTC 15.2 mm Niederschlag.
Im Morgengrauen des 8.7. erreichte eine erste große Gewitterzelle
den äußersten Südwesten Deutschlands: sie brachte im Raum Freiburg
Starkniederschlag, Orkanböen und Hagel; binnen 36 Minuten fielen 27.8 mm Niederschlag.
(siehe Radarbild und Satellitenbild des
entsprechenden Termins). Auch weiter nördlich entluden sich bald Gewitter (zB Mannheim, 25.6 mm
zwischen 4 und 5 UTC).
Etwas abgeschwächt aber als großes mit Gewittern durchsetztes Regengebiet
zog dieses im Tagesverlauf über Deutschland hinweg nordwärts, während im Rest
des Landes sich das Wetter vorübergehend beruhigte.
In den Westen Deutschland sickerte bereits kühlere Atlantikluft ein, sonst konnte sich die
schwül-warme Luft insbesondere im Südosten und Osten des Landes kräftig aufheizen
(zB Regensburg 30.7°C).
Entlang der Luftmassengrenze bildeten sich ab dem Nachmittag heftige Gewitter.
In der Schweiz entluden sich Gewitter mit 3-4 cm großen Hagelkörnern
vom Genfer See über das Mittelland bis zum Bodensee. Eine Böe
in Schaffhausen wies 104 km/h auf. In Deutschland waren zunächst
Baden-Württemberg, dann Bayern betroffen. Mancherorts (zB Stockach) fiel Hagel und bildete eine
geschlossene Decke aus, im Lkr. Unterallgäu, Augsburg oder im Landkreis Dachau
erreichte der Hagel Durchmesser von 5 bis 7 cm. In Regensburg wurde eine Böe von 130 km/h registriert.
Die Gewitter formierten sich zu einem riesigen Cluster (siehe Satellitenbild),
der in den Abendstunden über das Erzgebirge und Sachsen nach Brandenburg zog. Wenngleich
kaum noch Hagel auftrat, fielen doch in Sachsen und Brandenburg die größten Niederschlagsmengen
(zB Coschen 73 mm).
Einen weiteren Schwerpunkt der Gewitteraktivität gab es am Abend und in der Nacht zum 9.7.
im Küstenbereich in der Nähe des Tiefdruckzentrums. Hier fielen zB in Jagel 28 mm.
Kräftige, aber nicht mehr unwetterartige Schauer-und Gewitterniederschläge
entwickelten sich auch in der von Südwesten nach ganz Deutschland eingeflossenen kühlen
Meeresluft am 9.7..Besonders ergiebig waren sie im Nordwesten (zB Borken, Westfalen, 34 mm).
Bodendruckanalysen und Fronten im 24-h-Abstand vom 6.7.04, 00 UTC, bis 9.7.04, 00 UTC
Quelle: www.metoffice.com
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6.7.2004, 00 UTC
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7.7.2004, 00 UTC
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8.7.2004, 00 UTC
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9.7.2004, 00 UTC
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Blitzeinschläge vom vom 6.7.04 bis 9.7.04
Quelle: Wetterzentrale
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6.7.2004, 00-23 UTC
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7.7.2004, 00-23 UTC
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8.7.2004, 00-23 UTC
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9.7.2004, 00-23 UTC
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Schäden:
Großbritannien:
Umgestürzte Bäume blockierten Straßen und Bahnlinien in der Grafschaft Kent
und in Hertfordshire nördlich von London. Am Mittwochabend (7.7.) waren mehr
als 100.000 Haushalte im Süden und Osten Englands ohne Strom.
Schweiz
Eine 240 Kilometer lange Zone mit Hagel erstreckte sich am Donnerstag Nachmittag (8.7.)
vom Genfer See über das Schweizer Mittelland hinweg bis zum Bodensee.
Betroffen waren auch die Großräume Bern und Zürich.
Hagel mit bis zu 4 cm Durchmesser verursachte Millionenschäden.
Es gab überschwemmte Keller, Verkehrsbehinderungen, Stromausfälle.
Durch einen Erdrutsch im Galterntal, Kanton Fribourg, wurden keine Personen verletzt.
Erhebliche Schäden entstanden an landwirtschaftlichen Kulturen, insbesondere an Wein, Gemüse, Obst.
Deutschland
Nach Schätzungen der Münchner Rück beläuft sich der Schaden
für die Volkswirtschaft auf 10 bis 100 Millionen Euro.
In Babenhausen (Norschwaben) hinterließ der Hagel eine Schneise der Verwüstung.
Selbst Autoscheiben und Dachfenster wurden durchschlagen.
In Stockach wurden Dächer abgedeckt, Fensterscheiben gingen zu Bruch, Bäume wurden
entwurzelt und stürzten um, Obstplantagen wurden zerstört.
In Baden muss teilweise mit einem Totalausfall der Ernte gerechnet werden, vor allem beim Obst- und
Weinanbau, aber auch bei Tabak- und Gemüsekulturen sowie bei Mais- und Getreidebeständen.
Mehr als 10.000 ha Anbaufläche wurden geschädigt oder zerstört.
In Chemnitz stand das Wasser einen halben Meter hoch in der Innenstadt. Teile
der Müglitztalbahn (Sachsen) und manche Straßen waren durch Geröll und Schlamm
blockiert.
Niederschlag
Bei konvektiven Niederschlägen (Schauer- und Gewitterniederschläge)
fallen innerhalb kurzer Zeit beträchtliche Mengen.
Wenngleich die Tagesmengen oft nicht spektakulär anmuten und
vielfach auch geringer ausfallen als sie bei langanhaltenden Niederschlagsereignissen
zusammenkommen, hat der Sturzregen eines starken Gewitters doch meist ein größeres
Schadenspotential.
Die Kanalisation ist schnell überfordert, das Wasser sucht sich seinen
eigenen Weg und reißt Erde und sogar Autos mit sich,
Erdrutsche, lokale Überschwemmungen und vollgelaufene Keller
gehören ebenfalls dazu.
Allerdings fallen die stärksten Gewitterniederschläge
in einem eng begrenzten Raum, großräumige Überflutungen treten
daher meist nicht auf.
In Deutschland lagen die größen Tageswerte des Niederschlag
bei rund 70 mm. Vielerorts fielen zwischen 20 und 40 mm. Wie bei konvektiven Niederschlägen üblich,
lagen Gebiete mit großen Regenmengen dicht neben solchen, wo es nur
wenig regnete oder trocken blieb.
Auch im Mittelland der Schweiz lagen die Niederschlagsmengen der Gewitter
zwischen 20 und 30 mm. Auf der Alpensüdseite hingegen gab es längeranhaltende
kräftige Niederschläge und binnen 48 Stunden summierten sich die Mengen
auf Werte um 150 mm.
Nachstehend eine Auswahl gemessener Tagesniederschlagsmengen in Deutschland,
vom 7.7.2004, 06 UTC, bis 10.7.2004, 06 UTC am 8.7.2004:
Ort |
7.-8.7. |
Ort |
8.-9.7. |
Ort |
9.-10.7. |
Heidelberg
Mannheim
Freiburg
Michelstadt
Bad Bergzabern
Mühlacker
Weinbiet |
35 mm
35 mm
34 mm
31 mm
29 mm
26 mm
23 mm |
Zinnwald-G.
Coschen (Br.)
Balderschwang
Chemnitz
Fichtelberg
Weingarten (Kr.Rv.)
Coburg |
75 mm
73 mm
50 mm
49 mm
44 mm
40 mm
30 mm |
Borken/Westf.
Greifswald
Bad Salzuflen
Essen
Bocholt
Aachen
Schwerin |
34 mm
22 mm
20 mm
20 mm
18 mm
17 mm
15 mm |
Nachstehend eine Auswahl gemessener Niederschlagsmengen in Spanien, Frankreich
und Großbritannien vom 6.7.2004, 06 UTC, bis 8.7.2004, 18 UTC,
jeweils 12-stündige Zeiträume:
Ort |
6.7. |
Ort |
6.-7.7. |
Ort |
7.7. |
Ort |
7.-8.7. |
Ort |
8.7. |
. |
06-18 |
. |
18-06 |
. |
06-18 |
. |
18-06 |
. |
06-18 |
Zaragoza
|
26 mm |
Logroño
Bilbao
Lann Bihoue
San Sebast.
Biarritz |
31 mm
28 mm
27 mm
24 mm
24 mm |
Ouessant
Brest
Ploumanac
St. Brieuc |
72 mm
65 mm
50 mm
46 mm |
Wittering
Lann Bihoue
Wattisham
Guernsey
Dunkeswell |
57 mm
33 mm
26 mm
25 mm
23 mm |
Wittering
Bridlington |
51 mm
22 mm |
Nachstehend eine Auswahl gemessener Niederschlagsmengen in der Schweiz
vom 7.7.2004, 06 UTC, bis 9.7.2004, 06 UTC,
jeweils 12-stündige Zeiträume, und die Summe des 48-stündigen Zeitraums:
Ort |
7.7. |
7.-8.7. |
8.7. |
8.-9.7. |
Summe |
. |
06-18 |
18-06 |
06-18 |
18-06 |
. |
Locarno/Monti
Locarno/Magadino
San Bernadino
Cimetta
Hinterrhein
Robiei |
28 mm
3 mm
19 mm
30 mm
24 mm
15 mm |
17 mm
37 mm
10 mm
15 mm
10 mm
20 mm |
21 mm
17 mm
26 mm
23 mm
26 mm
56 mm |
109 mm
94 mm
84 mm
70 mm
74 mm
12 mm |
175 mm
151 mm
139 mm
138 mm
134 mm
103 mm |
Radarbilder vom 8.7.2004
Quellen: www.radar-info.de und www.wetter.com
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8.7.04, 4:50 MESZ
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8.7.04, 4:30 MESZ
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8.7.04, 17:15 MESZ
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Niederschlagsprognose vom 8.7.2004, 00 UTC, für den 8.7.2004;
Niederschlagskarte Bayern vom 8.7.2004
Quellen: www.wetter.com und HND Bayern
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LM-Prognose 8.7.04
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Analyse 8.7.04
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Temperatur
Am Donnerstag, 8.7.2004, ließen dichte Wolken der Sonne in der Westhälfte
des Landes kaum eine Chance. Zudem machte sich von Westen her allmählich die einfließende
kühlere Atlantikluft bemerkbar. Im Saarland oder auch in Hamburg
wurde noch nicht einmal mehr die 20-Grad-Schwelle überschritten.
Anders im Osten und Südosten: Hier konnte die Sonne
die schwül-warme Mittelmeerluft noch einmal kräftig aufheizen, bevor ab dem Nachmittag
die Gewitter auch hier für einen Temperatursturz sorgten. Am längsten hielt
sich die Warmluft ganz im Osten an der Oder.
Nachstehend eine Auswahl gemessener Höchstwerte der Temperatur am 8.7.2004:
Ort |
Maximum |
Salzburg
Kümmersbruck (Bayern)
Mühldorf/Inn
Regensburg
Coschen (Brandenburg)
Weiden
Zwiesel (Bayerischer Wald)
Hamburg
Saarbrücken |
32.7°C
31.8°C
31.3°C
30.7°C
30.4°C
30.4°C
30.0°C
19.6°C
18.3°C |
Wind
Die kräftige süd- bis südwestliche Höhenströmung
lässt sich insbesondere bei den Windgeschwindigkeiten auf den Alpengipfeln
ablesen: So registrierten beispielweise der Sonnblick in Österreich oder
auch die Zugspitze seit dem frühen Morgen des 8.7.2004 Sturm- und Orkanböen aus Süden.
Schwere Hagelgewitter sind fast immer auch mit heftigen Windböen verbunden, die
auch im Flachland und sonst windschwachen Gebieten durchaus Sturmstärke
oder auch volle Orkanstärke erreichen können.
Solche Böen richten oft binnen kürzester Zeit erhebliche Schäden an.
Die größte Böe im Flachland verzeichnete Regensburg mit 130 km/h.
Auch am Bodensee wurden bei Durchzug der Gewitter Böen mit rund 100 km/h gemessen.
Über den Fichtelberg im Erzgebirge pfiff der Wind mit einer mittleren (!)
Windgeschwindigkeiten von 94 km/h, ein Wert der sonst nur bei winterlichen Sturmlagen vorkommt.
Nachstehend eine Auswahl gemessener Spitzenböen am 8.7.2004:
Ort |
Max. Böe |
Uhrzeit |
Zugspitze
Patscherkofel
Rudolfshütte
Regensburg
Freiburg
Fichtelberg
Sonnblick
Wendelstein |
141 km/h
137 km/h
133 km/h
130 km/h
122 km/h
122 km/h
107 km/h
104 km/h |
16 UTC
18 UTC
18 UTC
17 UTC
3 UTC
19 UTC
9 UTC
18 UTC |
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7.7.04, 11:54 UTC, NOAA 17 VIS
Quelle: L. Hamilton
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7.7.04, 16:08 UTC, NOAA 12 VIS
Quelle: H. Schaksmeier
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8.7.04, 15:43 UTC, N 12 VIS
Quelle: H. Schaksmeier |
8.7.04, 2:43 UTC, NOAA IR
Quelle: CHMU, Prag
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6.7.04, 7:01 UTC, NOAA 15 VIS
Quelle: Geog. Inst., Univ. Bern |
7.7.04, 6:36 UTC, NOAA 15 VIS
Quelle: Geog. Inst., Univ. Bern |
8.7.04, 6:14 UTC, NOAA 15 VIS
Quelle: Geog. Inst., Univ. Bern |
9.7.04, 11:10 UTC, NOAA 17 VIS
Quelle: Geog. Inst., Univ. Bern |
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6.7.04, 3:07 UTC, NOAA 16 IR
Quelle: Geog. Inst., Univ. Bern |
7.7.04, 2:56 UTC, NOAA 16 IR
Quelle: Geog. Inst., Univ. Bern |
7.7.04, 21:40 UTC, NOAA 17 IR
Quelle: Geog. Inst., Univ. Bern |
8.7.04, 21:17 UTC, NOAA 17 IR
Quelle: Geog. Inst., Univ. Bern |
 |
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8.7.04, 15:42 UTC, NOAA 12 VIS
Quelle: DLR
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8.7.04, 17:39 UTC, NOAA 15 VIS
Quelle: M. Wienzek
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